Public Value Bericht des Verbandes Österreichischer ... - Der Standard
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die Opfer von Katastrophen und von Kriminalität einem<br />
schaulustigen und sensationsgierigen Publikum vorsetzen,<br />
um dann den Vorwurf von Sekundärviktimisierung als Geschäftsmodell<br />
mit dem Hinweis zu entkräften, dies verlange<br />
eben der Markt?<br />
ES IST NICHT NUR DIE TECHNIK<br />
Die erheblich erweiterten und beschleunigten<br />
technischen Möglichkeiten der Übermittlung<br />
und Verbreitung von Mitteilungen sind eine Quelle starker<br />
Begründungen, warum sich Journalismus mit spezifischen<br />
ethischen Fragen zu befassen hat. Dazu gehört, EthikCodices<br />
zu formulieren, sie zum Gegenstand der Berufspfichten und<br />
zur Voraussetzung von Berufs- oder Branchenprivilegien<br />
zu machen. Wenn sich Medien in der Demokratie schon als<br />
Instanz von Kritik und Kontrolle sehen, dann haben sie zuvorderst<br />
in ihrem eigenen Bereich für Kritik und Kontrolle,<br />
vor allem auch für Korrektur zu sorgen. Die dafür entwickelten<br />
klassischen Formen reichen von einem Leseranwalt bis<br />
zu Presseräten. Dies umso mehr, als gerade von den Medien<br />
gegenwärtig die Forderung nach Transparenz aller Prozesse<br />
und Partizipation aller Bürger in den Demokratie-Diskurs getragen<br />
wird. Dann sollten sich doch, so könnte man meinen,<br />
die Medien ebenfalls transparent und gegenüber Partizipation<br />
aufgeschlossen verhalten – wofür es in Skandinavien übrigens<br />
erste Beispiele gibt.<br />
ANDERS ALS MIT DEM WACH-<br />
HUND UNABHÄNGIGER UND<br />
KRITISCHER MEDIEN IST<br />
DEMOKRATIE NICHT ZU HABEN.<br />
Es ist aber nicht nur die Technik der<br />
Nach richtenübermittlung, sondern es sind auch wissen-<br />
schaftliche sowie gesellschaftliche Entwicklungen, welche<br />
die intensivere Befassung mit Ethik nahelegen.<br />
Ist alles erlaubt, was möglich ist? Diese<br />
Frage stellt sich, sobald wieder einmal etwas Neues machbar<br />
ist, stets aufs Neue. Konkret an den Rändern <strong>des</strong> Lebens, an<br />
<strong>des</strong>sen Anfang und an <strong>des</strong>sen Ende. Kann und darf die Diagnostik<br />
an Föten dazu genutzt werden, einen möglicherweise<br />
behinderten Menschen erst gar nicht entstehen und auf die<br />
Welt kommen zu lassen? Muss alles an Lebensverlängerung<br />
unternommen werden, was getan werden kann? Wie gehen<br />
wir um mit Gentechnik und Fortpfanzungsmedizin, mit<br />
Ressourcenverbrauch und dem Gebot der Nachhaltigkeit?<br />
Ethische Fragen stellen sich an den Rändern der Gesellschaft,<br />
die eine enorme Anhäufung von Geld und Vermögen ebenso<br />
kennt wie eine bittere Armut, aus der es mit eigener Kraft<br />
kein Entrinnen mehr gibt.<br />
Ein Journalismus, dem diese Themen<br />
mitsamt ihren sozialen und moralischen Implikationen nicht<br />
vertraut sind, wird kaum in der Lage sein, jemanden dazu<br />
korrekt zu zitieren, geschweige denn in Thematisierung und<br />
Kommentierung eine eigenständige Leistung zu erbringen.<br />
Ein solcher Journalismus, dem es an Professionalität und<br />
an Ethik mangelt, unterliegt in seiner Kraftlosigkeit rasch<br />
einer Fremd- und redaktionellen Außensteuerung, so wie er<br />
hinsichtlich vieler Sachauskünfte auf jene angewiesen ist,<br />
die sie erteilen.<br />
UND NOCH EIN TRÄGER DER ETHIK<br />
Sind nur die Medieneigentümer und die<br />
Medienmitarbeiter, das publizistische Corps der Republik,<br />
zuständig und verantwortlich für die Medienethik? Für den<br />
Anstand im Verhalten der Journalisten und Geschäftsführer,<br />
für die Angemessenheit in der <strong>Bericht</strong>erstattung und Kommentierung?<br />
Sie sind es als erstes, aber nicht alleine. Die<br />
Öffentlichkeit, der Staat gehören dazu.<br />
Es obliegt dem Gesetzgeber, auf der Basis<br />
<strong>des</strong> inzwischen empirisch belegten Materials Kriterien der<br />
Medienqualität in das Steuer und das Förderwesen aufzunehmen<br />
und die Professionalisierung <strong>des</strong> Journalismus voranzutreiben.<br />
Es bedarf zudem verstärkter kritischer Medienkunde<br />
an den Schulen. Was wir voneinander wissen, wissen<br />
wir aus den Medien. <strong>Der</strong> Unterschied in der Weltwahrnehmung<br />
korreliert mit jenem in der Mediennutzung. Wer <strong>des</strong><br />
morgens in Kampagne-Blättern mit überbordender Chronik-<br />
<strong>Bericht</strong>erstattung liest, wird sich untertags vor Kriminellen<br />
fürchten und von der Politik außer Feindbildern und Geringschätzung<br />
auch dann kaum etwas verstehen, wenn es ihn<br />
selber betrifft. Daher kennt die Debatte der Medienethik neben<br />
den Journalisten und der Branche noch einen weiteren<br />
Adressaten, namentlich die Publikumsethik. Auch sie hat<br />
noch nicht das Niveau jener Kulturnation erreicht, für die sich<br />
Österreich hält.<br />
CLAUS REITAN<br />
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