Public Value Bericht des Verbandes Österreichischer ... - Der Standard
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ROTE LINIE EINER DEMOKRATIE<br />
Es bedarf nicht nur dieser <strong>Bericht</strong>e, son-<br />
dern auch Kommentare, die das Bewusstsein schärfen: dafür,<br />
wo in einer Demokratie rote Linien sind, die nicht überschritten<br />
werden dürfen. Es gehört daher mehr denn je zur Aufgabe<br />
der Medien, die Moralkeule zu schwingen. Denn andere<br />
gesellschaftlich relevante Gruppen wie etwa die Kirchen mischen<br />
sich zu wenig ein. Und Macht braucht Kontrolle. Das<br />
kann man aber nur tun, wenn man das einhält, was man von<br />
anderen einfordert. Medien tragen ein hohes Maß an Verantwortung.<br />
Sie dürfen nicht alles schreiben. Es gibt Grenzen,<br />
die zu respektieren sind: etwa die Privatsphäre. Das darf aber<br />
nicht dazu führen, dass aus zu viel Rücksichtnahme Fehlleistungen<br />
nicht berichtet werden. Hier eine Grenze zu ziehen,<br />
ist eine journalistische und ethische Aufgabe. Und Quote ist<br />
nicht alles. Das unterscheidet Medienunternehmen von einer<br />
Informationsfabrik. Qualitätszeitungen genießen Glaubwürdigkeit.<br />
Zu Recht. Sie müssen den hohen Ansprüchen aber<br />
tagtäglich gerecht werden. Das setzt Unbeugsamkeit und Unabhängigkeit<br />
voraus und die Fähigkeit, Druck standzuhalten.<br />
Woher sonst sollen die Staatsbürger Informationen<br />
beziehen, denen sie trauen können, wenn nicht<br />
aus unabhängigen Medien, die sich keiner Partei und keinen<br />
Unternehmen verpfichtet fühlen? Das ist umso schwieriger<br />
in einem kleinen Land, das eine Landschaft der Freunderln<br />
und Haberer geformt hat und in dem es keine Streitkultur<br />
gibt. <strong>Der</strong> ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard<br />
Busek hat einmal gesagt: In Österreich wird schon der Konsens<br />
gesucht, bevor es einen Streit gibt. <strong>Der</strong> Wiener Kulturund<br />
Sozialanthropologe Andre Gringrich spricht von einer<br />
»Kultur der offiziellen Lieblichkeit«. <strong>Der</strong> bekannte, inzwischen<br />
verstorbene Soziologe Ralf Dahrendorf nannte Demokratie<br />
sogar »institutionalisierten Streit«. Und davon könnte<br />
man in Österreich ruhig mehr haben.<br />
KRISE DER DEMOKRATIE<br />
Diese Auseinandersetzung ist wichtig,<br />
um auf die Krise der Demokratie zu reagieren. Bürger wollen<br />
sich zum politischen Geschehen verstärkt äußern, aber auch<br />
mehr mitbestimmen können. Über die Reformvorschläge zu<br />
berichten, die Argumente für und wider darzulegen und auf<br />
Gefahren hinzuweisen, ist auch eine Aufgabe der Medien.<br />
ALEXANDRA FÖDERL-SCHMID<br />
Dazu braucht es aber auch Impulse von<br />
außen, ein Wissen, was jenseits der österreichischen Grenzen<br />
geschieht. Gerade in einem kleinen Land wie Österreich, in<br />
dem Politiker häufiger den Eindruck erwecken, wir alle leben<br />
auf einer Insel der Seligen und nicht inmitten von Europa.<br />
Häufig ist von »denen in Brüssel« die Rede und nicht davon,<br />
dass »Wir in der EU« damit gemeint ist.<br />
Aber es gibt auch eine Welt außerhalb<br />
der EU. Korrespondenten berichten aus diesen Ländern und<br />
können die Entwicklungen dort einschätzen und Rückschlüsse<br />
ziehen. Österreich kann sich als Teil der EU und Mitglied<br />
<strong>des</strong> Schengenraums und der Eurozone nicht einfach abkoppeln.<br />
Was in Afrika passiert, hat Auswirkungen auf Europa –<br />
wie man an den Flüchtlingsströmen merkt. Wenn in Asien die<br />
Börsen nach unten gehen, gibt es auch Reaktionen im Handel<br />
in Wien.<br />
Die Welt dreht sich immer schneller, die<br />
Abhängigkeiten werden immer größer. Damit wachsen aber<br />
auch die Unsicherheiten. Zeitungen bilden die Wirklichkeit<br />
ab, liefern Einschätzungen und kommentieren das Zeitgeschehen.<br />
Das Geheimnis der Zeitungen ist das Festhalten<br />
UNABHÄNGIGEN JOURNALISMUS<br />
der Zeit in gedruckter Form. OnlineMedien können noch<br />
schneller reagieren und agieren. Im Vergleich zu den anderen<br />
deutschsprachigen Staaten ist der österreichische Zeitungsmarkt<br />
ohnehin beschränkt: Das – nach Einwohnerzahl<br />
– zehn Mal größere Deutschland hat 353 Zeitungstitel. Die<br />
Schweiz mit rund sieben Millionen Einwohnern (davon 4,6<br />
Millionen deutschsprachig) hat 216 Zeitungstitel, allerdings<br />
erscheinen lediglich 24 sechsmal die Woche. Aber trotzdem<br />
deutlich mehr als in Österreich.<br />
WICHTIG, DASS MEDIEN DIE<br />
POLITIK AUFMISCHEN<br />
Umso wichtiger ist in diesem vergleichweise<br />
kleinen und am Medienmarkt hoch konzentrierten<br />
Land, dass sich die Medien einmischen und auch die Politik<br />
immer wieder aufmischen. Sie müssen kritisch aufklären<br />
– ganz im Sinne von Immanuel Kant: »Aufklärung ist der<br />
Ausgang <strong>des</strong> Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.«<br />
<strong>Der</strong> Wahlspruch der Aufklärung »Sapere aude«<br />
(Wage zu denken!) ist für Journalisten ein Auftrag und gilt<br />
für Bürger gleichermaßen.<br />
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