Deutschland 1:2 (1:1)
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42 Kultur<br />
· Nummer 138<br />
Von Rudolf Barrois<br />
Kulturnotizen<br />
Jugendvideopreis<br />
für soziale Themen<br />
Gera. (dpa) Junge Filmemacher<br />
aus Leipzig, Hessen, Thüringen<br />
und Berlin haben am Sonntag<br />
den Deutschen Jugendvideopreis<br />
erhalten. Die mit jeweils 1000<br />
Euro dotierte Auszeichnung wurde<br />
am Sonntag zum Abschluss<br />
des Bundesfestivals Video in Gera<br />
verliehen. So überzeugte Florian<br />
Arndt aus dem thüringischen<br />
Mühlhausen die Jury mit seinem<br />
Porträt eines Rollstuhlfahrers.<br />
„Dem Film gelingt die Gratwanderung,<br />
zu berühren und doch<br />
nie sentimental zu werden.“ Der<br />
23-jährige Sascha Quade aus Berlin<br />
konnte mit seinem Film über<br />
einen jungen Mann und seinen<br />
dementen Vater punkten.<br />
Thriller überzeugt<br />
die Juroren<br />
Köln. (dpa) Mit dem Spielfilm<br />
„Hell“ haben Kameramann Markus<br />
Förderer und Cutter Andreas<br />
Menn den 30. Deutschen Kamerapreis<br />
gewonnen. Der Science-<br />
Fiction-Thriller habe in den Kategorien<br />
„Kamera/Kinospielfilm“<br />
und „Schnitt“ die Jury überzeugt,<br />
teilten die Veranstalter am Samstagabend<br />
mit. 450 Einreichungen<br />
wurden von den Jurys gesichtet,<br />
35 Produktionen waren nominiert.<br />
Kamerafrau Judith Kaufmann<br />
wurde mit dem begehrten Ehrenpreis<br />
des Kuratoriums ausgezeichnet.<br />
Kinofilme wie „Vier Minuten“,<br />
„Die Fremde“, „Elefantenherz“<br />
oder „Erbsen auf halb 6“<br />
tragen ihreHandschrift.<br />
Von Andrea Prölß<br />
Montag,<br />
18. Juni 2012<br />
Naturereignis italienischer Komödianten-Kunst<br />
Carlo Goldonis Commedia dell’arte feiert mit dem Stück „Diener zweier Herren“ auf Burg Leuchtenberg eine glänzende Premiere<br />
Leuchtenberg. Sie brechen herein<br />
wie ein Naturereignis: Mit Lärm, lauter<br />
Musik und überschwänglicher<br />
Gestik präsentiert sich eine italienische<br />
Schauspieltruppe einem Publikum,<br />
das nun sofort weiß, was es die<br />
nächsten zwei Stunden zu erwarten<br />
hat: Lebensfreude,Wort- und Situationswitz<br />
und eine gute Portion Satire.<br />
Mit der Aufführung von Carlo Goldonis<br />
„Diener zweier Herren“ fügten die<br />
Burgfestspiele Leuchtenberg/das<br />
Landestheater Oberpfalz, am Freitagabend<br />
der Reihe bemerkenswerter<br />
Aufführungen ein weiteres Highlight<br />
hinzu.<br />
Als der gelernte Jurist Goldoni 1745<br />
das Stück schrieb, gab es die Commedia<br />
dell’arte schon 200 Jahre. Von<br />
Berufsschauspielern in Venedig gegründet,<br />
fordert diese Theaterform<br />
von den Mitwirkenden besonders<br />
viel Spielwitz, Körperlichkeit, Emotionalität,<br />
Musikalität und nicht zuletzt<br />
eine Begabung für Situationskomik.<br />
Denn: Die Commedia präsentiert<br />
stets die gleichen Figuren mit<br />
wechselnden Inhalten, und den<br />
Schauspielernist es erlaubt, ja aufgetragen,<br />
in einer vorgegebenen Handlung<br />
beim Dialog eigene Fantasie zu<br />
entwickeln. Eine Aufgabe, die das<br />
ganze Können verlangt und darüber<br />
hinaus höchste Konzentration, denn<br />
bei der Commedia wird schnell gespielt,<br />
Schlag auf Schlag sozusagen.<br />
Dabei greift alles ineinander über,<br />
bündelt sich in einem Handlungsstrang,<br />
der dann zum glücklichen<br />
Ausgang führt,<br />
Komödie und Spott<br />
Goldonis „Diener zweier Herren“ ist<br />
vor allem deshalb ein Klassiker des<br />
Genres, der immer wieder in großen<br />
Häusern aufgeführt wurde und wird,<br />
weil hier die Muster der Komödie<br />
sich vermischen mit beißendem<br />
Spott über gesellschaftliche und politische<br />
Verhältnisse, indiesem Fall im<br />
reichen Venedig, das von einigen wenigen<br />
Patronen beherrscht wird,<br />
während die Bediensteten gefälligst<br />
den Schnabel zu halten haben und<br />
gehorchen sollen.<br />
Wenn zu der allgemeinen Gier nach<br />
Geld, Macht und Einfluss, der natürlich<br />
auch der Heiratsmarkt untergeordnet<br />
ist, eine peinliche Verwechslung<br />
kommt, die geballte Eifersucht<br />
leidenschaftlich sich Liebender zur<br />
Folge hat, schlagen die Wellen in Venedigs<br />
Kanälen schon höher.<br />
Florino Aretusi wird beschuldigt, den<br />
Bruder seiner geliebten Beatrice, einen<br />
gewissen Federigo, beim Duell<br />
getötet zu haben. Er flieht nach Venedig.<br />
Die Geliebte folgt ihm. Als Mann<br />
verkleidet, erscheint sie bei dem<br />
Granden Pantalone just in dem Mo-<br />
Mit dem Schiff über die Zillertaler Alpen<br />
Kunstverein Weiden zeigt bis 8. Juli zeitgenössische Arbeiten zum Thema „Seestücke“<br />
Weiden. Der eine schickt eine riesige<br />
Mumie auf dem Rhein in Richtung<br />
Nordsee. Die anderen zerren ein rotes<br />
Boot über den Hauptkamm der<br />
Zillertaler Alpen, um dann grandios<br />
in Venedigs Kanälen zu kentern. Und<br />
dann wären da noch die weißen Riesenpapierschiffe,<br />
die am Freitagnachmittag<br />
über den Weidener<br />
Marktplatz Richtung Kunstverein<br />
Weiden schipperten.<br />
Hier laufen alle Fäden zusammen.<br />
„Seestücke“ lautet der Titel der aktuellen<br />
Ausstellung. Kuratiert von Wolfgang<br />
Herzer, dem gebürtigen Hanseaten<br />
und unermüdlichen Motor<br />
des Kunstvereins, der sein Schiff seit<br />
vielen Jahren durch gefährliche Untiefen<br />
und stürmische Gewässer der<br />
Oberpfälzer Kunstlandschaft führt.<br />
Ein Leck in der Vereinskasse wurde<br />
am Eröffnungsabend mit einem<br />
Scheck, überreicht vom Sparkassenvorstandsvorsitzenden<br />
Ludwig Zitzmann,<br />
fürs erste abgedichtet. Weiteres<br />
Dichtungsmaterial ist von Nöten,<br />
damit der Kunstverein auch weiterhin<br />
die Segel hissen kann.<br />
„Wohin soll die Fahrt gehen?“,<br />
fragte Herzer in seiner Eröffnungsrede.<br />
Eine rhetorische Frage, anspielend<br />
auf das Ausstellungsthema,<br />
denn trotz finanzieller Sorgen –der<br />
Kurs des Kunstvereins steht fest: Zeitgenössische<br />
Kunst, die sonst nur in<br />
großen Städten zu sehen ist, nach<br />
Weiden zu holen. Und das ist auch<br />
unter dem Banner „Seestücke“ wieder<br />
einmal eindrucksvoll gelungen.<br />
Aus München kommt das junge, innovative<br />
Künstler-Duo Thomas Huber<br />
und Wolfgang Aichner („GAEG“),<br />
das voreinem Jahr ihr selbstgebautes<br />
Boot über die Alpen –Werner Herzogs<br />
Filmklassiker „Fitzcarraldo“<br />
ment, als dieser seine Tochter Clarice<br />
mit Silvio, dem Sohn eines reichen,<br />
aber reichlich verwirrten Dottore<br />
Lombardi verheiraten will. Silvio kam<br />
zum Zuge, nachdem der TodFederigos<br />
gemeldet worden war, den sie<br />
laut Abmachung eigentlich heiraten<br />
sollte. Beatrice hat ihren Diener Truffaldino<br />
mitgebracht. Der hat sich,<br />
um seine schmalen Einkünfte aufzubessernauch<br />
bei Florindo verdingt.<br />
Ohne voneinander zu wissen, nehmen<br />
Florindo und seine verkleidete<br />
Geliebte im selben Hause Quartier.<br />
Der schlecht bezahlte Truffaldino<br />
nutzt jede Gelegenheit, auf seine<br />
Kosten zu kommen, hat den Koch<br />
und Trattoriabesitzer Brighella auf<br />
seiner Seite,nicht zuletzt die emanzi-<br />
lässt grüßen –zur Kunstbiennale Venedig<br />
schleppte. „Passage2011“, ein<br />
ironisches Statement zum globalen<br />
Kunstbetrieb. Fotografien und eine<br />
Filmdokumentation zeigen noch einmal<br />
die Torturen dieses „transalpinen<br />
Dramas“ mit feuchtem Finale, das<br />
das Interesse der internationalen<br />
Presse auf sich zog.<br />
Der Wegder Mumie<br />
Aufsehen erregte seinerzeit auch die<br />
Aktion des Münchner Künstlers<br />
Hannsjörg Voth, der 1978 eine Mumie<br />
– 20 Meter lang und zentnerschwer<br />
– auf eine Reise ins Meer<br />
schickte. Einem archaisch-religiösen<br />
Begräbnis-Ritual gleich, eindrucksvoll<br />
dokumentiert ineiner Serie von<br />
Schwarz-Weiß Fotografien. In strah-<br />
Die Landestheater-<br />
Schauspieler Claudia<br />
Lohmann (Smeraldina)<br />
und Benjamin<br />
Oeser (Truffaldino)<br />
in einer Szene von<br />
„Diener zweier<br />
Herren“. Regie führte<br />
der Leuchtenberg-<br />
Novize Wolfgang<br />
Krebs.<br />
Bild: Frischholz<br />
pierte, anmutige Kammerzofe Smeraldina,<br />
in die er sich sofort verliebt.<br />
Dasalles passiertnatürlich mit ungeheurem<br />
emotionalen und motorischen<br />
Aufwand. Truffaldino, Hansdampf<br />
in allen Gassen mit leicht<br />
anarchistischen Zügen, leistet sich<br />
einen Fehler nach dem anderen,<br />
kann sich aber jedes Mal herauswinden.<br />
Seine letzte Dummheit lässt die<br />
Liebenden einander erkennen. Das<br />
Happy End klingt aus in einem leidenschaftlichen„OSole<br />
Mio“, natürlich<br />
vonTruffaldino angestimmt.<br />
Goldoni war mit seinem Stück nicht<br />
nur auf Unterhaltung des Publikums<br />
aus. Mit beißendem Spott bedenkt er<br />
die Herrschaftsverhältnisse der reichen<br />
Stadt. Und die beiden Patrone<br />
lenden Farben hat dagegen Julia<br />
Steinberg die Idylle ruhender Boote<br />
malerisch festgehalten. Mittels mathematisch<br />
strenger Bildsprache fest<br />
verankert, während die angeschlagene<br />
Schiffsflotte von Knud Plambeg<br />
aus Ulm, aus Altmetall-Stücken geschweißt<br />
und bemalt, von harten<br />
Zeiten auf rauer Seeerzählt.<br />
Komplementiert werden die Seestücke<br />
durch eine Filmarbeit („Miralago“)<br />
des Münchner King Kong<br />
Kunstkabinetts und der eindringlichen<br />
Fotosequenz „The Kestrel“ der<br />
jungen FAMU-Studentin Alzbeta Diringerová<br />
aus Prag, die einem toten<br />
Falken die letzte Ehreerweist. Ja,und<br />
dann wäredanoch die Sache mit den<br />
weißen Papierschiffen, die am Freitag<br />
durch Weiden „wanderten“. Sie<br />
müssen sich am Ende –Geld hin und<br />
Heiratspläne her –den jungen Leuten<br />
geschlagen gaben.<br />
Große Schauspielkunst<br />
Regisseur Wolfgang Krebs hat seine<br />
ganze Begeisterung für die italienische<br />
Volkskomödie und einige Jahre<br />
Erfahrung mit diversen Theaterkompagnien<br />
im Land der Azurri mit nach<br />
Leuchtenberg gebracht. In penibler<br />
Probenarbeit formte er ein Commedia-Ensemble,<br />
das einen Vergleich<br />
mit dem italienischen Original nicht<br />
zu scheuen braucht. Daniel Grünauer<br />
(Souffleur Luigi), Stefan Neubauer<br />
(Pantalone), Katharina Stark<br />
(Clarice), Helmut Johannes Schindler<br />
(Dottore), Johannes Kleimann (Silvio),<br />
Barbara Trottmann (Beatrice),<br />
Cestmir Mican (Florindo), Uli Scherr<br />
(Brighella), Claudia Lohmann (Smeraldina),<br />
und nicht zuletzt und vorallem<br />
Benjamin Oeser als Truffaldino<br />
boten eine geschlossene Ensemble-<br />
Leistung.<br />
Dashohe Tempo des Stücks,die Situationskomik,<br />
eine bisweilen unglaubliche<br />
Bewegungsfreude und<br />
dennoch die konsequente, genau dosierte<br />
Führung im Handlungsstrang<br />
machten die Premiere nicht nur vom<br />
Inhalt her zum Vergnügen. Das war<br />
Schauspielkunst, wie sie gerade für<br />
die Commedia dell’arte zum Erfolg<br />
unerlässlich ist.<br />
GrünauersAbschied<br />
Der blieb denn auch nicht aus. Das<br />
Publikum wollte die Schauspieler –<br />
nach Truffaldinos Gesangseinlage<br />
erst recht –fast nicht von der Bühne<br />
lassen. Einen wird das besonders gefreut<br />
haben: Die Rolle des Luigi ist<br />
die vorläufig letzte, die Daniel Grünauer<br />
beim Landestheater Oberpfalz<br />
spielt. Er wird die Oberpfalz in Richtung<br />
Ulmverlassen, wo er sich neuen<br />
beruflichen Herausforderungen<br />
stellt.<br />
Weitere Bilder im Internet:<br />
www.oberpfalznetz.de/diener<br />
Eröffnung der Ausstellung<br />
„Seestücke“:<br />
Kunstvereinsvorsitzende<br />
Silke<br />
Winkler, das<br />
Künstler-Duo<br />
WolfgangAichner<br />
und Thomas Huber<br />
und Ausstellungsmacher<br />
Wolfgang<br />
Herzer (von links).<br />
Bild: apl<br />
wurden von den jungen Künstlern<br />
der Kulturwerkstatt Kalmreuth gefaltet<br />
und eigenhändig vom benachbarten<br />
Max-Reger-Park in die Räume<br />
des Kunstvereins getragen. Stapellauf<br />
der nächsten Künstlergeneration.<br />
Info<br />
Die Ausstellung „Seestücke“ in<br />
den Räumen des Kunstvereins<br />
Weiden (Ledererstraße 6) ist bis<br />
einschließlich 8. Juli zu sehen.<br />
Öffnungszeiten: Mittwoch bis<br />
Samstag von 20bis 22 Uhr (Eingang<br />
durch das Café „Neues Linda“),<br />
Sonntag von 14bis 18 Uhr<br />
und nach telefonischer Vereinbarung<br />
(Telefon 0961 /463 08).