PSC 1-2-09 - FSP

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14 DOSSIER: Erziehungsstile PSYCHOSCOPE 1-2/20<strong>09</strong> von Eltern, d.h. ihren Beitrag zu einer positiven Entwicklung ihrer Kinder, gefährden. Gefordert ist daher eine besondere Achtsamkeit für den möglichen Verfall elterlicher Ressourcen und gegebenenfalls dessen frühzeitiges Verhindern bzw. Abfedern. Zum Teil liegen diese Gefährdungspotenziale innerhalb der Familie im engeren und weiteren Sinne: Dazu gehört z.B. ein schwieriges Temperament des Kindes, das sich u.a. durch ein hohes Mass an Unberechenbarkeit und negativer Emotionalität zu erkennen gibt. Die Entfaltung von Elternkompetenz ist aber auch durch problematische Persönlichkeitsmerkmale der Eltern selber gefährdet, die sich etwa als geringes Einfühlungsvermögen und stark ausgeprägte Reizbarkeit oder Irritierbarkeit präsentieren. Auch eine belastete Paarbeziehung und – häufig damit einhergehend – eine mangelnde Allianz der Eltern im Umgang mit ihren Kindern erweist sich auf Dauer als abträglich für deren Entwicklung. Ähnliches gilt auch, wenn die Eltern selbst aus schwierigen Herkunftsfamilien stammen, in denen sie mit einem wenig entwicklungsförderlichen Verhalten ihrer eigenen Eltern konfrontiert waren. Auch ein beeinträchtigender sozialer Kontext (z.B. unsichere Wohnungsumgebung, fehlende soziale Unterstützung), problematische Arbeitsbedingungen (z.B. Arbeitslosigkeit, Arbeitsüberlastung) und prekäre ökonomische Lagen (z.B. Armut, Schuldenlast) schlagen hier zu Buche, wie auch der Einfluss einer überbordenden Medien- und Konsumgesellschaft (z.B. unkontrolliertes und ausuferndes Fernsehen oder zeitraubende Computerspiele – auch von Eltern). Was brauchen Eltern? Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Einflussfaktoren wird deutlich, dass die Realisierung adäquater Elternkompetenzen, wie sie in den vorangegangenen Abschnitten angesprochen wurden, kein einfaches Geschäft ist. Was also brauchen Eltern vor allem? Die erste und vielleicht wichtigste Antwort auf diese Frage lautet: Eltern brauchen zufriedenstellende Beziehungen in ihrer Partner- und Elternrolle. Die einschlägige Forschung belegt klar, dass markante Zusammenhänge zwischen Elternkonflikten, der Qualität von Eltern-Kind-Beziehungen und kindlichen Verhaltensauffälligkeiten bestehen. Es kommt gewissermassen zu negativen «Überschwapp»- oder «Spillover»-Effekten, die dazu führen, dass die erwähnten Grundbedürfnisse der Kinder nicht mehr angemessen befriedigt werden können. Diese Prozesse erfolgen sowohl direkt wie indirekt. Sei es, dass Kinder beobachten, wie Eltern sich vor ihnen streiten, was besonders abträglich ist, wenn die Kinder selbst der Streitgegen- stand sind, sei es, dass Eltern wegen der Involviertheit in ihre eigenen Paarbeziehungsprobleme für die Kinder psychisch nicht mehr erreichbar sind (vgl. Schneewind, 2008b). Erziehungs- und Bildungspartnerschaften Um das schwierige Geschäft der Eltern bei ihrem Bemühen um die positive Entwicklung ihrer Kinder zu unterstützen, findet sich in letzter Zeit vermehrt die Forderung nach der Einrichtung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften auf der Ebene von Ländern und Kommunen (vgl. Textor, 2006). Hierzu existiert bereits eine Reihe von nachweislich wirksamen Programmen: Beispiele dafür mit zentrums- und stadtteilbezogener Kommstruktur sind das «Early Excellence Centre» in Berlin oder das Programm «PAT – Mit Eltern lernen» in Nürnberg. Programme mit einer über Hausbesuche realisierten Gehstruktur sind dagegen u.a. das «Opstapje – Schritt für Schritt», oder das «HIP- PY: Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters». Diesen Programmen gelingt es, insbesondere auch bildungsferne und Migrationsfamilien anzusprechen. Generell bleibt zu wünschen, dass dabei sowohl in elterlichen als auch in ausserfamilialen Betreuungskontexten die oben genannten förderlichen Entwicklungsvoraussetzungen für Kinder als unverzichtbarer Qualitätsstandard Anerkennung finden und entsprechend nachhaltig umgesetzt werden (vgl. ausführlicher hierzu Berkic & Schneewind, 2007; Schneewind & Berkic, 2007). Insgesamt stellt sich die Frage, ob die Investition in präventive Massnahmen zur Stärkung von Elternkompetenzen ein erfolgversprechender Weg ist, um auf Seiten der Kinder eine wachstumsförderliche Entwicklung zu ermöglichen. Die bislang vorliegenden Ergebnisse auf der Basis von zusammenfassenden metaanalytischen Studien belegen deren Wirksamkeit (vgl. Lösel, 2006). Dies gilt vor allem dann, wenn bei der Implementierung dieser Massnahmen eine Reihe von Voraussetzungen berücksichtigt werden, zu denen z.B. ein möglichst früher Beginn, die Einbeziehung einer Selbstentwicklungskomponente für die Eltern, gruppenbezogene Prävention sowie die Leitung durch professionelles Personal gehören (vgl. Layzer et al., 2001). Fazit Ansatzpunkte zur Stärkung von Elternkompetenzen, die Kinder brauchen, um sich zu kompetenten Personen entwickeln zu können, gibt es viele. Im Folgenden sollen vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Argumente drei Aspekte besonders herausgestellt werden.
1. Um positive Eltern- und Familienkompetenzen zu erhalten, geht es u.a. darum, • das bereits bestehende Kompetenzniveau auf Dauer zu stabilisieren und weiterzuentwickeln; • qualitativ und finanziell akzeptable familienergänzende Betreuungsangebote anzubieten; • bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten. 2. Um entwicklungsfähige bzw. -bedürftige Eltern- und Familienkompetenzen zu stärken, sollten u.a. • eine möglichst früh einsetzende, universelle und gezielte Eltern- und Familienbildung flächendeckend etabliert werden; • niedrigschwellige und vernetzte Angebotsstrukturen auf kommunaler Ebene (Stichwort Erziehungs- und Bildungspartnerschaften) eingerichtet und dauerhaft verankert werden; • materielle Notlagen mindestens entschärft werden. 3. Um kompetenzstärkende Massnahmen für Eltern zu koordinieren und deren Qualität zu sichern, bietet sich u.a. an: • die Gründung einer «Nationalen Allianz zur Stärkung von Eltern- und Familienkompetenzen»; • die vermehrte Medienpräsenz von entwicklungsförderlichen Elternkompetenzen für die nachwachsende Generation (z.B. in Analogie zu den Verkehrserziehungsspots «Der siebte Sinn»); • die nachhaltige Förderung evidenzbasierter Wirksamkeitsnachweise von Massnahmen zur Entwicklungsförderung und Prävention. In diesem Sinne gibt es als abschliessendes Fazit nur eine Konsequenz, die Erich Kästner in seiner «Lyrischen Hausapotheke» in unnachahmlicher Kürze und Klarheit formuliert hat: «Es gibt nichts Gutes – ausser: man tut es.» Klaus A. Schneewind Bibliografie Eine ausführliche Literaturliste ist beim Autor erhältlich. Schneewind, K. A. & Böhmert, B. (2008, 20<strong>09</strong>, in Druck): Kinder im Grundschulalter kompetent erziehen; Kinder im Vorschulalter kompetent erziehen; Jugendliche kompetent erziehen. Der interaktive Elterncoach «Freiheit in Grenzen». (3 Bände mit DVD) Bern: Huber. Schneewind, K. A. (2008b): Sozialisation und Erziehung im Kontext der Familie. In: R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (6. Aufl., S. 117–145). Weinheim: Beltz. Schneewind, K. A. & Berkic, J. (2007): Stärkung von Elternkompetenzen durch primäre Prävention. Eine Unze Prävention wiegt mehr als ein Pfund Therapie. In: Praxis der Kindertherapie und Kinderpsychiatrie, 56, 643–659. Lösel, F. (2006): Bestandsaufnahme und Evaluation von Angeboten im Elternbildungsbereich. Abschlussbericht. Erlangen: Institut für Psychologie der Universität Erlangen-Nürnberg. Textor, M. R., Hrsg. (2006): Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit Eltern. Freiburg: Herder. Der Autor Prof. Dr. Klaus A. Schneewind war 1977 bis 2008 Professor für Psychologie am Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie, Psychologische Diagnostik und Familienpsychologie der Universität München. Anschrift Prof. Dr. Klaus A. Schneewind, Universität München, Department Psychologie Leopoldstr. 13, D-80802 München schneewind@psy.uni-muenchen.de Résumé Après de longues années de recherche, le Dr Klaus A. Schneewind, Professeur de psychologie à Munich, a développé le concept éducatif de «liberté avec limites». Si l’accent est mis sur la compétence des parents à satisfaire les besoins fondamentaux de leurs enfants, Klaus Schneewind accorde une grande importance à une attitude valorisante, sachant poser des exigences tout en établissant des frontières, mais aussi octroyer et encourager l’autonomie. Ce vaste programme a débouché récemment sur divers projets de vulgarisation, notamment sous la forme de publications interactives (manuels avec DVD). Klaus Schneewind se dit en outre favorable à des mesures de prévention coordonnées sur le plan national ainsi qu’à des actions dans les médias en vue de renforcer la compétence générale en matière d’éducation. 15
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