PSC 1-2-09 - FSP
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PsyG: Bundesgerichtsentscheid kein Präjudiz<br />
Dem formaljuristischen Entscheid des Bundesgerichts<br />
im «Fall Krems» kommt nur begrenzte Wirkung zu. Abhilfe<br />
gegen die problematischen Auswirkungen des Binnenmarktgesetzes<br />
schafft das Psychologieberufegesetz.<br />
Das Bundesgericht hat in einem Urteil<br />
vom 13. Oktober 2008 die Beschwerde<br />
des Kantons Zürich gegen<br />
einen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts<br />
abgelehnt. Damit muss<br />
der Kanton Zürich einer Psychotherapeutin<br />
aus dem Kanton Graubünden<br />
die Praxisbewilligung erteilen, welche<br />
die Zürcher Kriterien zur selbständigen<br />
Berufsausübung klar nicht<br />
erfüllt.<br />
Als Grundlage für den Entscheid<br />
des Bundesgerichts dient das per Juli<br />
2006 verschärfte Binnenmarktgesetz<br />
BMG. Das BGM besagt, dass<br />
Personen, die über eine Praxisbewilligung<br />
in einem Kanton verfügen,<br />
ebenfalls in allen anderen Kantonen<br />
zugelassen werden müssen, selbst<br />
wenn dort strengere Zulassungsbestimmungen<br />
in Kraft sind.<br />
Keine inhaltliche Überprüfung<br />
Das BMG lässt keine inhaltliche<br />
Überprüfung von Praxisbewilligungen<br />
mehr zu, wenn vergleichbare<br />
formale Kriterien bereits im Herkunftskanton<br />
geprüft wurden. Die<br />
«Gleichwertigkeit» muss dann «per<br />
Binnenmarktgesetz vermutet werden».<br />
Damit werden nicht nur Äpfel<br />
mit Birnen verglichen, sondern man<br />
erteilt einen Steilpass an ungenügend<br />
qualifizierte TherapeutInnen, die so<br />
die angemessenen Kriterien der Kantone<br />
zum Schutz der Gesundheit unterlaufen<br />
können. Dahinter stehen<br />
nicht selten Organisationen und Institutionen,<br />
welche die verlangte und<br />
im PsyG geplante Psychologieausbildung<br />
für PsychotherapeutInnen ablehnen<br />
und gleichzeitig vermeintliche<br />
«Psychologie-Nachqualifikationen»<br />
anbieten sowie auch noch die daran<br />
anknüpfenden Weiterbildungen in<br />
Psychotherapie (s. S. 26).<br />
Ein früherer Entscheid<br />
Als das Bundesgericht im Jahre<br />
2001 die Regelung des Kantons Zürich<br />
auch einer inhaltlichen Überprüfung<br />
unterziehen musste, kam es<br />
zum Schluss, dass die Zürcher Regelung<br />
vollumfänglich zulässig sei und<br />
dass für «qualifizierte Psychotherapie»<br />
das Psychologiestudium «besser<br />
auf die Therapietätigkeit vorbereitet<br />
als irgendein anderes Hochschulstudium».<br />
Dies, weil die Regelung des<br />
Kantons Zürich die breite Grundausbildung<br />
«sicherstellt, die notwendig<br />
ist, um bei bestimmten Krankheitsbildern<br />
die wirksamste Therapiemethode<br />
zu wählen».<br />
Der eingangs erwähnte Entscheid des<br />
Bundesgerichts bezüglich Praxisbewilligung<br />
einer Bündner Psychotherapeutin<br />
hat immerhin nur begrenzte<br />
Wirkung und stellt keinerlei Präju-<br />
diz für das PsyG dar: Das Bundesgericht<br />
ist kein Bundesverfassungsgericht<br />
und prüft keine eidgenössischen<br />
Gesetze. Damit ist das eidgenössische<br />
Parlament in keiner Weise an Entscheide<br />
gebunden, die das Bundesgericht<br />
in kantonalen oder interkantonalen<br />
Angelegenheiten trifft.<br />
Botschaft ans Parlament<br />
Momentan befindet sich das PsyG in<br />
der internen Bearbeitung bei der Bundesverwaltung:<br />
Die beim BAG für das<br />
PsyG zuständige Arbeitsgruppe erarbeitet<br />
die Botschaft des Bundesrats<br />
ans Parlament. Weder die <strong>FSP</strong> noch<br />
parlamentarische Interventionen haben<br />
Einfluss auf den Terminkalender<br />
der Verwaltung. Die Botschaft<br />
ans Parlament wird für den Sommer<br />
20<strong>09</strong> erwartet, wie Pascal Couchepin<br />
kürzlich vor beiden Räten betont hat.<br />
– Fragt sich nur noch, ob in der kommenden<br />
parlamentarischen Phase die<br />
Gegner eines Psychologiestudiums<br />
das Psychologieberufegesetz in diesem<br />
Punkt aktiv bekämpfen werden.<br />
Daniel Habegger, Kommission PsyG<br />
Positive Auswirkungen des BMG im Tessin<br />
Das verschärfte Binnenmarktgesetz BMG, das seit dem 1. Juli 2006 in Kraft<br />
ist, hat nicht nur negative Seiten (s. Haupttext): Die Chancen stehen gut, dass<br />
die Kantone qualifizierten Fachpersonen für selbständige Psychotherapie aus<br />
anderen Kantonen eine Praxisbewilligung erteilen müssen.<br />
So passiert jüngst im Kanton Tessin: Die dortigen Behörden hatten einem<br />
Fachpsychologen für Psychotherapie <strong>FSP</strong> mit einer Praxisbewilligung im<br />
Kanton Bern, der neben langjähriger Berufserfahrung auch noch die Fachtitel<br />
für Klinische Psychologie und für Kinder- und Jugendpsychologie <strong>FSP</strong> sowie<br />
die <strong>FSP</strong>-Zusatzqualifikation in Notfallpsychologie nachweisen kann, die kantonale<br />
Praxisbewilligung verweigert. Dies nicht mit dem Hinweis auf die mögliche<br />
«Überqualifikation» des Gesuchstellers, sondern mit Berufung auf die<br />
einigermassen eigenwilligen Tessiner Kriterien, die nach der Weiterbildung in<br />
Psychotherapie zusätzlich noch eine mindestens halbjährige klinische Praxis<br />
in einer Institution verlangen. Ausserdem hatten die lokalen Behörden argumentiert,<br />
dass eine Praxiserteilung nach dem Binnenmarktgesetz nicht möglich<br />
sei, da der Gesuchsteller seinen Wohnsitz im Tessin habe.<br />
Das Tessiner Verwaltungsgericht hat im Urteil vom 18.08.2008 die Beschwerde<br />
von Dario Tollis gegen die Nichterteilung der Praxisbewilligung im Kanton<br />
Tessin von A bis Z gutgeheissen und als unannehmbare Verhinderung des<br />
Marktzugangs bezeichnet. Ausserdem ist gemäss Binnenmarktgesetz und<br />
«Herkunftsprinzip» der Arbeitsort massgebend und nicht der Wohn- oder Heimatort.<br />
Ein Problem löst dieser Entscheid nicht: Wer sein Dossier direkt im<br />
Kanton Tessin einreicht, muss das klinische «Post-post-Praktikum» weiterhin<br />
nachweisen. Auch hier schafft nur das Bundesgesetz PsyG Abhilfe.<br />
dh<br />
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<strong>FSP</strong> AKTUELL<br />
PSYCHOSCOPE 1-2/20<strong>09</strong>