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PSC 1-2-09 - FSP

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denen Ländern und Kulturen heutzutage sind. Meine<br />

Supervisionsfälle in Brasilien, Israel und der Schweiz<br />

können leicht ausgetauscht werden.<br />

In vielen modernen Industrieländern gilt Erziehungsarbeit<br />

als Privatsache: Verträgt sich dies mit Ihrem auf<br />

Solidarität basierenden Konzept?<br />

Ich glaube tatsächlich, dass unser Individualismus und<br />

unser «Kleinfamilienglashaus» zu einer Fragmentierung<br />

geführt hat, die die Art von Problemen, über die wir hier<br />

sprechen, verschärft. Der «Privatheitsreflex» führt oft<br />

dazu, dass wir sehr hilflos vor extremen Verhaltensweisen<br />

stehen. Meine ganze Arbeit zielt deshalb darauf ab,<br />

die Gemeinde als einen lebendigen Organismus wiederherzustellen.<br />

Ihr Menschenbild erscheint desillusioniert: In Ihren Stellungnahmen<br />

zu Erziehungsmythen schreiben Sie unter<br />

anderem, dass Kinder Lust an der Machtausübung empfinden<br />

können ...<br />

Ich würde meine Lebensphilosophie als konstruktiven<br />

Pessimismus bezeichnen: Ich bin der Sohn von zwei<br />

Überlebenden des Holocaust, die ihre ganzen Familien<br />

verloren haben. Das allein schliesst schon aus, dass ich<br />

ein reiner Optimist sein kann. Innerhalb meiner pessimistischen<br />

Haltung gibt es aber auch viel Hoffnung, da<br />

ich glaube, dass Veränderung ohne Gewaltanwendung<br />

möglich ist.<br />

Angesichts von Irakkrieg, Nahostkonflikt und Terrorismus<br />

scheint Gewaltverzicht derzeit generell nicht so en vogue,<br />

glauben Sie dennoch, dass Ihr gewaltfreies Erziehungsmodell<br />

sich durchsetzen wird?<br />

Meine Devise ist: «Stärke statt Macht». In der Erziehung<br />

sprechen wir heute auch von «wachsamer Fürsorge».<br />

Gewiss wünsche ich, dass Gewaltlosigkeit auch<br />

zum Allgemeingut werden kann. Im Buch «Feindbilder:<br />

Psychologie der Dämonisierung» haben wir eine vielleicht<br />

realistischere Alternative zu gewaltlosem Widerstand<br />

angeboten für solche Situationen, wo Gewalt nicht<br />

ohne Gewalt angegangen werden kann. Wir sprachen da<br />

von «konstruktiven» und «destruktiven Kämpfen». Unsere<br />

Arbeit mit dem Militär und der Polizei bei der Räumung<br />

des Gazastreifens basierte auf dem Konzept des<br />

konstruktiven Kampfes. Auch unser Erziehungsmodell<br />

kann als konstruktiver Kampf für die Entwicklung eines<br />

Menschen beschrieben werden, der solange gewaltfrei<br />

zu führen ist, solange nicht Gefahr im Verzuge ist.<br />

Interview: Susanne Quistorp*<br />

Zur Person<br />

Haim Omer ist 1949 als Sohn jüdischer Holocaust-Überlebender<br />

in Brasilien zur Welt gekommen. Als 18-Jähriger<br />

wandert er nach Israel aus. Nachdem er als Offizier<br />

der israelischen Armee eine Behandlungsmethode für<br />

kriegstraumatisierte Soldaten entwickelt hat, widmet er<br />

sich später dem Coaching von Eltern. In seiner Arbeit mit<br />

Hunderten von Familien hat Haim Omer das Modell der<br />

«elterlichen Präsenz» (s. Kasten S. 6) entwickelt und seit<br />

einigen Jahren auch auf schulische Kontexte übersetzt.<br />

Die Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten auf Gesellschaft<br />

und Politik führte dazu, dass Haim Omer in den<br />

letzten Jahren Armeeangehörige und Polizei auf die Räumung<br />

von jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten<br />

vorbereitete. Sein Ansatz gewinnt mittlerweile in vielen<br />

Ländern an Bedeutung, so auch seit sechs Jahren in<br />

der Schweiz, wo Haim Omer mit dem Institut für systemische<br />

Impulse, Entwicklung und Führung ISI zusammenarbeitet<br />

und Beratungen, Veranstaltungen und Schulungen<br />

für Eltern, Fachleute und Organisationen anbietet.<br />

Informationen: www.systemische-impulse.ch<br />

*Dipl. psych., dipl. päd. Susanne Quistorp arbeitet als<br />

Coach, Organisationsberaterin, Supervisorin und Dozentin.<br />

Sie ist Mitinhaberin und Partnerin am Institut für systemische<br />

Impulse, Entwicklung und Führung ISI. Dieses<br />

Interview entstand im November 2008 anlässlich einer<br />

Sonderveranstaltung des ISI mit Haim Omer in Zürich.<br />

Anschrift<br />

Susanne Quistorp,<br />

Institut für systemische Impulse,<br />

Entwicklung und Führung ISI,<br />

Hornbachstrasse 50, 8008 Zürich.<br />

s.quistorp@systemische-impulse.ch<br />

Veranstaltungshinweis:<br />

Unter dem Titel «Neue Autorität und multisystemische<br />

Kooperation» findet vom 5. bis 7. November 20<strong>09</strong> am<br />

ISI in Zürich eine Sonderveranstaltung mit Haim Omer<br />

und Eia Asen statt.<br />

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