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Heft 2 - Sauerländer Heimatbund e.V.

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SAUERLAND NR. 2/2010 63<br />

schießen zu können, wurden auch auf<br />

dem Wulsenberg Kanonen in Stellung<br />

gebracht.<br />

Am 25. Mai 1646 wurde das Feuer<br />

eröffnet. Den ersten Angriff konnten<br />

Bürger und Besatzung noch abwehren,<br />

doch dann kapitulierten die Kaiserlichen.<br />

Der Kommandant und die Offiziere<br />

erhielten freien Abzug zugebilligt. Die<br />

Mannschaften wurden sofort in die Reihen<br />

der Schweden und Hessen eingruppiert.<br />

Sämtliche Geschütze, Gewehre<br />

und das Pulver fielen in die Hände der<br />

Eroberer.<br />

Schlimmer aber noch wüteten die<br />

Soldaten 10 Tage lang unter den Einwohnern.<br />

Sämtliches Getreide, die Nahrungsmittel<br />

und das Vieh wurden ihnen<br />

weggenommen. Den Bürgermeister<br />

führte man gefesselt aus der Stadt, um<br />

möglichst viel Geld für ihn von den Bürgern<br />

zu erpressen. Die Mauern wurden<br />

geschliffen.<br />

Als die Bürger sogleich nach dem Abzug<br />

der Soldaten daran gingen, die Mauern<br />

wieder aufzubauen, kehrten die<br />

Truppen zurück und zündeten die Stadt<br />

an allen vier Ecken an. Etwa 200 Häuser<br />

gingen in Flammen auf, auch das Stift,<br />

die Schule und das Rathaus mit dem<br />

wertvollen Archiv wurden in der Folge<br />

ein Raub der Flammen. Die Stiftskirche<br />

sprengte man mit Pulver in die Luft.<br />

Die Beispiele von Marsberg und anderen<br />

Städten belegen in unterschiedlicher<br />

Weise, dass die Städte im 17. Jahrhundert<br />

auch bei höchstem Einsatz ihrer<br />

kampfeswilligen Bürger nicht mehr in<br />

der Lage waren, einem hochgerüsteten<br />

und zahlenmäßig weit überlegenen Angreifer<br />

allein entgegenzutreten. 14)<br />

Folgen des 30-jährigen Krieges<br />

Fast vierhundert Jahre hatte die<br />

Oberstadt bis dahin die Geschicke Marsbergs<br />

bestimmt. Doch die schweren<br />

Kontributionen, die bis in die 1650-er<br />

Jahre gezahlt werden mussten, und die<br />

hohen Kosten, die aufgebracht werden<br />

mussten, um in den Folgejahren die Einquartierung<br />

durchziehender Heere zu<br />

verhindern sowie die völlige Zerstörung<br />

und die Schleifung der festen Werke, die<br />

der Oberstadt ihre Bedeutung gegeben<br />

hatten, der Rückgang der Bevölkerung<br />

schon zu Zeiten der Reformation, erst<br />

Hochaltar in der Stiftskirche – Eine prächtige Barockarbeit aus der Werkstatt Heinrich und<br />

Christophel Papen, fertig gestellt 1719<br />

recht durch die Verluste im 30-jährigen<br />

Krieg, und die allmähliche Abwanderung<br />

von Menschen in die Altenstadt<br />

(Niedermarsberg), die ihnen Möglichkeiten<br />

zur Arbeit bot, hatten die Stadt fundamental<br />

geschwächt.<br />

Die Altenstädter sahen nun immer<br />

wieder die Möglichkeit, die völlige Lösung<br />

von der Oberstadt durchzusetzen.<br />

Doch der Magistrat kämpfte verbissen<br />

um seine Rechte, pochte auf seine alten<br />

Privilegien, ließ sie sich trotz aller Widrigkeiten<br />

auch immer wieder vom Kurfürsten<br />

bestätigen und setzte auf diese<br />

Weise seinen politischen Machtanspruch<br />

durch.<br />

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde<br />

mit der Säkularisation das Benediktinerstift,<br />

das von Karl d. Großen gegründet<br />

wurde, aufgehoben, und das<br />

kurkölnische Herzogtum Westfalen fiel<br />

an Hessen-Darmstadt. 1807 verlor die<br />

Stadt für immer ihre alten Justizrechte,<br />

indem die Hessische Regierung in Obermarsberg<br />

ein Justizamt errichtete.<br />

1808 wurde die Schultheißenordnung<br />

eingeführt und damit erhielt die Altenstadt<br />

endlich nach fast 600 Jahren<br />

wieder ihre Selbständigkeit.<br />

1815 kam das Herzogtum Westfalen<br />

unter preußische Regierung und 1827<br />

wurde schließlich auch das Justizamt<br />

nach Niedermarsberg verlegt.<br />

Die Stadt Obermarsberg verlor das<br />

große Ansehen, das sie infolge der vielen<br />

Freiheiten und Privilegien, der selbständigen<br />

Stellung des Rates und der sicheren<br />

Befestigungen der Stadt vor dem<br />

30-jährigen Krieg besessen hatte, und<br />

sank zu einer kleinen Landstadt herab.<br />

15)<br />

1975 musste sie auch die Stadtrechte<br />

abgeben und wurde ein Ortsteil von<br />

Marsberg.<br />

Doch mit ihren historischen Kirchen,<br />

dem Rathaus mit dem Schandpfahl, den<br />

Stadtmauerresten und herrlichen Ausblicken<br />

vom Berg aus ist sie ein Juwel<br />

der Region.<br />

Literaturhinweise:<br />

1) Morlo, Hans, Nachträge und Ergänzungen zum<br />

Marsberger Höhlenbruch. In: Speläologisches<br />

Jahrbuch 2001 – 2004. Iserlohn-Letmathe<br />

2006, S. 101<br />

2) Lukanow, Sigrid, Ausgrabungen und Funde in<br />

Westfalen-Lippe, Beiheft 1: Fundchronik<br />

3)<br />

Hochsauerlandkreis 1948 – 1980, Münster<br />

1988, S. 33 - 35<br />

Stephan Hans-Georg, Die Siedlungsgeschichte<br />

von Marsberg-Horhusen im Mittelalter und in<br />

der frühen Neuzeit. In: Marsberg Horhusen,<br />

Stadtgeschichte aus 11 Jahrhunderten, Marsberg<br />

2000, S. 23

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