Heft 2 - Sauerländer Heimatbund e.V.
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SAUERLAND NR. 2/2010 85<br />
Nachdem er 1802 schon ein Ve s -<br />
perbuch in deutscher Sprache veröf -<br />
fentlicht, erscheint bereits ein Jahr darauf<br />
die erste Auflage seines Gesang -<br />
buches „Der Heilige Gesang oder vollständiges<br />
katholisches Gesangbuch bei<br />
dem öffentlichen Gottesdienst in der<br />
Pfarrkirche zu Hoinkhausen. Aus den<br />
besten approbierten Gesangbüchern<br />
des katholischen Deutschlands zusammengetragen“.<br />
Die 600 Exemplare sind<br />
schnell vergriffen und schon 1807<br />
kommt es zur zweiten Auflage. Das<br />
„Heroldsche Gesangbuch“, so die landläufige<br />
Bezeichnung, verbreitet sich<br />
schnell auch über die Grenzen Westfalen<br />
hinaus und wird so zu einem der wichtigsten<br />
Vorläufer des 1874 erstmalig erscheinenden<br />
„Sursum corda!“. Bis<br />
1865 zeugen mehr als 20 Auflagen vom<br />
großen Erfolg dieses Werks. Auch hier<br />
zeigt sich Herold als vielseitig Agie -<br />
render: Verlag, Herausgabe und Verbrei<br />
tung organisiert er selbst von Hoink -<br />
hausen aus. Die Erlöse fließen ausschließlich<br />
in seine Schul- und Armen -<br />
stiftung. Im Paderborner Anhang des<br />
Gotteslob finden sich noch heute dreizehn<br />
Lieder, die in Text oder Melodie auf<br />
Herolds Gesangbuch zurückgehen.<br />
Dies sind beispielhaft nur zwei Pro -<br />
jekte seines vielseitigen Wirkens. Doch<br />
wer war der Mensch Melchior Ludolf<br />
Herold und wie war er in seiner Zeit?<br />
Versuch einer<br />
Persönlichkeitsskizze<br />
Wenn Herold eingangs mit „und das<br />
ist für einen Mann Pferde Arbeit“ zitiert<br />
wird, so kann diese Aussage wohl als<br />
Ausgangspunkt seiner Lebensbeschrei -<br />
bung dienen. Herold mag fleißig gewesen<br />
sein, doch das genügt ihm nicht, er<br />
ist industriös. Das scheint aus heutiger<br />
Sicht ungewöhnlich, dennoch beschreibt<br />
der Begriff der Industrie in der<br />
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts keine<br />
Ar beitsform, sondern ist vielmehr<br />
pädagogisch determiniert. Auf Grundlage<br />
der allgemeinen Aufklärungsbewegung<br />
und so vor dem Hintergrund starker<br />
gesellschaftlicher Umbrüche, ist Industriosität<br />
für den vortechnisch Denkenden<br />
der Weg, Jahr hunderte währende<br />
Lethargie endlich zu überwinden und<br />
dadurch Wohlfahrt für breite Schichten<br />
der Be völkerung möglich zu machen. Industriös<br />
zu sein ist Lebenseinstellung!<br />
Hoinkhausen: Pfarrhof und Pfarrkirche St. Pankratius. Der Pfarrhof wird 1680 von Pfarrer<br />
Rabanus Berghoff als Niederdeutsches Hallenhaus errichtet und nach 1780 von Pfarrer<br />
Herold in mehreren Abschnitten renoviert und erweitert; außerdem lässt er um den Hof<br />
herum einen sog. Industriegarten für den Schulunterricht anlegen. Fotos: Peter Karl Becker<br />
Als Priester nimmt Herold hier eine<br />
Sonderstellung ein, denn Glaube und<br />
Vernunft werden unter dem Einfluss aufklärerischen<br />
Denkens neu interpretiert.<br />
Diesseitiges Jammertal lässt sich nun<br />
nicht mehr ausschließlich mit dem Hinweis<br />
auf jenseitige Glück seligkeit erträglicher<br />
machen, auch das Diesseits soll,<br />
wenn auch in bescheidenem Maße, lebenswert<br />
sein. Herold weiß, dass in dieser<br />
Zeit gesellschaftlichen Umbruchs<br />
nichts mehr über tradierte Formen und<br />
Inhalte versorgt werden kann und nicht<br />
zuletzt die zunehmende Vormachtstellung<br />
der Ratio ist es, die schließlich den<br />
Weg aller Rationalität zu gehen versucht:<br />
das Selbst ver ständ liche zu bezweifeln.<br />
Wenn auch in der Rezeption<br />
seiner Nachwelt gut und wohlwollend<br />
gemeint, so muss hier ernsthaft die Frage<br />
im Raum stehen, ob Herold der „uneigennützige<br />
Pfarrer“ oder „dieser mu-<br />
Hoinkhausen: Knabenschule von 1802, auf Initiative Pfarrer Herolds<br />
von den Gemeinden Hoinkhausen, Westereiden und Weikede<br />
im Schatten der Pfarrkirche auf dem alten Kirchhof errichtet.<br />
Im Vordergrund das Grab Melchior Ludolf Herolds<br />
mit Gedenkstein aus Rüthener Grünsandstein.