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Heft 2 - Sauerländer Heimatbund e.V.

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SAUERLAND NR. 2/2010 91<br />

Akt der Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen<br />

Auf den Spuren der Vorfahren –<br />

Vom STALAG Hemer über Niedereimer in den Steinbruch Müschede und weiter zur Möhnetalsperre<br />

von Detlev Becker<br />

Was macht eine französische Familie<br />

in Deutschland – insbesondere in Nieder<br />

eimer? Um diese Frage zu klären, bedarf<br />

es einer längeren und mitfühlenden<br />

Ausführung, welche gleichzeitig zur Aufarbeitung<br />

und zum besseren Ver ständnis<br />

der Geschehnisse im Dritten Reich zwischen<br />

1939 und 1945 dienen soll.<br />

Der junge Franzose Eugène Robert<br />

Lécuyer geriet am 22. Juni 1940 als<br />

Soldat des Zweiten Weltkrieges in Gefan<br />

genschaft und wurde nach Deutschland<br />

deportiert. Hier leistete er, wie viele<br />

andere Gefangene auch, in den noch<br />

verbleibenden fünf Kriegsjahren Arbeiten,<br />

die von wehrtüchtigen deutschen<br />

Män nern nicht mehr ausgeführt werden<br />

konnten, da diese bereits zum Kriegs -<br />

dienst eingezogen waren. E. R. Lècuyers<br />

ungewollte Reise nach Deutschland<br />

endete vorerst im STALAG VI A<br />

(Stamm lager für Kriegsgefangene) in<br />

Hemer, auf dem heutigen Landesgartenschau<br />

gelände. Hier wurden die Männer<br />

in Kolonnen eingeteilt und den entsprechenden<br />

Arbeitsstätten zugeteilt. So<br />

kam E. R. Lècuyer zuerst in das Lager<br />

nach Hü s ten-Ost und dann weiter nach<br />

Müsche de wo er im Ruhr-Lippe-Stein -<br />

bruch ar beiten musste. Später verrichtete<br />

er seine Arbeit beim Wiederaufbau<br />

der durch die Zerstörung der Möhnetal -<br />

sperre zertrümmerten Gleisanlage bei<br />

Niederense. Am 13. April 1945 endete<br />

sein Martyrium in Deutschland durch<br />

den Einmarsch amerikanischer Truppen.<br />

Er kehrte als freier aber dennoch<br />

von den Kriegseinwir<br />

kun gen gezeichneter<br />

Mann in<br />

sein Heimatland<br />

Frank reich zurück.<br />

Sein Kriegskamerad<br />

Jean Maurice<br />

De lorme schaffte<br />

dies leider nicht. Er<br />

verlor bei dem<br />

schweren Bom -<br />

bardement am 9.<br />

März 1945 in Niedereimer<br />

sein Leben.<br />

Am Ehrenmal in Niedereimer<br />

Nicolas Lècuyer, Nicole Lècuyer, Ortsheimatpfleger Detlev Becker<br />

(Niedereimer),Tania Lècuyer, Jean-Claude Lècuyer,<br />

Dieter Lanz (Übersetzer)<br />

Die Stationen<br />

beider Männer<br />

wollte nun Familie<br />

Lè cuyer nach fast<br />

70 Jahren noch einmal nachvollziehen.<br />

So machte sich die Familie am 12. April<br />

diesen Jahres aus der Nähe von Paris<br />

auf den 700 km langen Weg nach<br />

Deutschland. Genauer gesagt zum ehemaligen<br />

STALAG VI A nach Hemer.<br />

Am 13. April besichtigte Familie Lècuyer,<br />

mit weiteren 31 Franzosen, welche<br />

dasselbe Schicksal teilen und Angehörige<br />

in Hemer hatten, vorab das Gelände<br />

des ehemaligen STALAG VI D in Dortmund,<br />

auf dem die West falenhallen stehen.<br />

Zum 65. Jahres tag der Befreiung<br />

des Lagers STALAG VI A HEMER am<br />

14. 4. 1945 durch amerikanische Trup -<br />

pen fand am 14. April 2010 eine Ge -<br />

denk veran staltung am Mahn mal vor der<br />

einstigen Blücher kaserne und dem heutigen<br />

Gelände der<br />

L a n d e s g a r t e n -<br />

schau 2010, unter<br />

dem passenden<br />

Motto „Zau ber der<br />

Ve r w a n d l u n g “<br />

statt. Zuvor hatte<br />

die Reisegruppe,<br />

die aus allen Regionen<br />

Frankreichs<br />

kam, Gelegenheit<br />

sich die Ausstellung<br />

zum Thema<br />

„Kriegs gefangene<br />

im STALAG Hemer“<br />

in den neu<br />

gestalteten Räu-<br />

Gedenkstätte am ehemaligen STALAG VI A in Hemer<br />

Jean-Claude Lècuyer, Tania Lècuyer, Nicolas Lècuyer, Nicole Lècuyer<br />

men anzusehen.<br />

An der Veranstaltung<br />

vor dem Kasernentor<br />

nahmen<br />

neben den Franzosen, Vertreter der<br />

Stadt Hemer, Mitglieder verschiedener<br />

Gruppen und ebenfalls viele Bürger teil.<br />

Am Abend saßen die Teilnehmer der<br />

Fahrt dann noch zum Erfahrungsaus -<br />

tausch und besseren Kennenlernen beisammen.<br />

Großen Anteil an der Orga -<br />

nisation, dem Aufenthalt in Deutschland<br />

sowie den Führungen und der Ge -<br />

denkfeier hatten die Eheleute Règine<br />

und Karl-Heinz Hessling aus Hemer.<br />

Als dann die meisten der französischen<br />

Reisegruppe die Rückreise antraten,<br />

fuhr Familie Lècuyer noch ins<br />

Sauerland um hier nach den Orten zu<br />

suchen, wo die beiden Männer Eugène<br />

Robert Lècuyer und Jean Maurice<br />

De lorme eine enge Freundschaft<br />

verband.<br />

Mit dem Ortsheimatpfleger Detlev<br />

Becker und der Historikerin Simone<br />

Toch aus Niedereimer sowie dem Übersetzer<br />

Dieter Lanz traf sich Familie Lècuyer<br />

zuerst am einstigen Standort der<br />

Gastwirtschaft Schefferei in Nieder -<br />

eimer. Hier soll der Franzose J. M.<br />

Delorme nach dem Bombenangriff zuerst<br />

versorgt worden sein. Danach ging<br />

es weiter auf das ehemalige Ziegelei -<br />

gelände und dem Haus Kaiser, wo am<br />

9. März 1945 im Bombenhagel 21<br />

Menschen ihr Leben lassen mussten. Im<br />

Ort Niedereimer selbst zeigte der Orts -<br />

hei matpfleger den Gästen verschiedene<br />

Anwesen und Betriebe, wo Zwangs -<br />

arbeiter und unter anderem auch Franzosen<br />

während des Krieges arbeiten<br />

mussten. Am Ehrenmal in Niedereimer

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