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Heft 2 - Sauerländer Heimatbund e.V.

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SAUERLAND NR. 2/2010 93<br />

Eichengallen im Sauerland<br />

Was ist das, eine Pflanzengalle?<br />

Pflanzengallen sind abnorme Gebilde,<br />

die von einer Wirtspflanze unter dem<br />

Einfluss eines Gall-Erregers erzeugt werden.<br />

Dessen Larve wächst im Inneren<br />

der pflanzlichen Wucherung heran und<br />

ernährt sich von ihrer Substanz. Die ausschlüpfenden,<br />

in der Regel winzigen Tiere<br />

sind frei beweglich und sorgen für die<br />

Verbreitung und Vermehrung. Gallen<br />

können von Vertretern recht unterschiedlicher<br />

Tiergruppen angeregt werden.<br />

Überwiegend handelt es sich um<br />

Gallwespen, Gallmücken, Gallfliegen<br />

und Gallmilben, aber auch bestimmte<br />

Käfer-, Schmetterlings- und Wanzen -<br />

arten sind am Entstehen von Gall -<br />

bildungen beteiligt. Diese haben eine<br />

charakteristische und in der Regel unverwechselbare<br />

Form, wie ein Blick auf die<br />

fünf Beispiele von Eichengallen zeigt, die<br />

hier näher behandelt werden sollen.<br />

Jede Galle hat ihren spezifischen Erreger,<br />

der ausschließlich auf eine bestimmte<br />

Wirtsart oder doch zumindest<br />

auf eine Wirtsgattung mit mehreren<br />

ähnlichen Arten ausgerichtet ist. Den<br />

Nut zen hat dabei ausschließlich das Tier.<br />

Die Pflanze nimmt im Normalfall keinen<br />

erkennbaren Schaden. Insofern sind die<br />

Gall-Insekten auch nicht als Parasiten im<br />

strengen Sinne anzusprechen. Die<br />

kaum vorstellbare Menge an Gallen, wie<br />

sie eine gesunde Eiche in einem „guten“<br />

Gallenjahr (etwa 2009) tragen kann (gewiss<br />

Zehntausende von Kleingallen!),<br />

geht, soweit erkennbar, nicht zu Lasten<br />

des Holz- und Substanzzuwachses. Das<br />

bewältigt die Eiche aus ihrer schier unerschöpflichen<br />

vegetativen Kraftreserve<br />

Abb. 1: Linsengallen, Blattunterseite einer Stieleiche<br />

(mit 2 Krempengallen), Ruhrtal 2009<br />

heraus. Es verbleibt zwischen den von<br />

Gallen besetzten Anteilen der Blatt -<br />

spreite hinreichend Fläche für die normale<br />

Photosynthese und damit für die<br />

eigentliche pflanzliche Produk -<br />

tionsleistung – und im Übrigen ist für<br />

den Baum der ganze Gallenspuk mit<br />

dem herbstlichen Blätterfall ohnehin für<br />

ein Jahr wieder überstanden.<br />

In mehrfacher Hinsicht ist das Mitein -<br />

ander von Wirtspflanze und Gallinsekt<br />

von besonderem biologischen Interesse.<br />

Schon die Entstehung der Galle ist ein<br />

geheimnisvoller Vorgang. Welches Sig -<br />

nal veranlasst die Wirtspflanze, ihr genetisches<br />

Programm, das zuständig ist für<br />

die Herstellung des arteigenen Gewebes,<br />

punktuell umzustellen auf die Produktion<br />

der Galle? Ist es bereits der Stich<br />

der Gallwespe bei der Eiablage, vielleicht<br />

zusätzlich die Injektion eines bestimmten<br />

Stoffes, oder sind es die Ausscheidungen<br />

der heranwachsenden Larve,<br />

die die lokale Physiologie der Wirtpflanze<br />

umstimmt auf die Bedürfnisse<br />

des Gastes? In einer neueren Veröffentlichung<br />

zu diesem Problem äußert sich<br />

der englische Gallenspezialist Simon<br />

RANDOLPH (2005) wie folgt: „Die Natur<br />

und Be schaffenheit der Signale …,<br />

die zu den vielfältigen, komplexen und<br />

manchmal spektakulären Strukturen<br />

führen, die die äußere Gestalt der Gallen<br />

auszeichnen, sind noch nicht bekannt“<br />

(S. 40, übersetzt v. Verf.).<br />

Eine weitere Besonderheit vieler Gallwespen,<br />

auch der hier ausgewählten<br />

Beispiele, ist der Generationswechsel.<br />

Er besteht darin, dass sich eine geschlechtlich<br />

sich fortpflanzende, also<br />

von Prof. Dr. Reiner Feldmann<br />

zweigeschlechtliche Generation im Verlauf<br />

eines Jahres ablöst mit einer eingeschlechtlichen<br />

Generation, die aus -<br />

schließlich aus Weibchen besteht. Diese<br />

legen unbefruchtete Eier, aus denen die<br />

Männchen und Weibchen der zweigeschlechtlichen<br />

Folgegeneration hervorgehen.<br />

Die Tiere der beiden Gruppen<br />

weichen in Gestalt und Größe so stark<br />

voneinander ab, dass man sie früher als<br />

zwei getrennte Arten angesehen hat, zumal<br />

sie auch noch unterschiedlich aussehende<br />

Gallen produzieren. Das wird am<br />

Beispiel des Eichengallapfels und seiner<br />

Gallwespe erläutert werden.<br />

Noch komplizierter wird es, wenn der<br />

Generationswechsel zusätzlich mit einem<br />

Wirtswechsel verbunden ist. Das<br />

ist, wie wir sehen werden, bei der Knop -<br />

perngallwespe der Fall.<br />

Und schließlich hat sich herausgestellt,<br />

dass der Gall-Erreger nicht der einzige<br />

Bewohner der von ihm induzierten<br />

Pflanzengalle ist. Vielmehr gibt es eine<br />

ganze Anzahl von Tieren unterschiedlicher<br />

Art, die als Mitbewohner den Raum<br />

und die Ressourcen des pflanzlichen Gebildes<br />

mitnutzen – und das auf sehr unterschiedliche<br />

Weise und mit ausgeprägten<br />

Eigeninteressen der einzelnen Partner.<br />

Es handelt sich um eine Lebensgemeinschaft<br />

der besonderen Art, von der<br />

im Schlussabschnitt die Rede sein soll.<br />

Häufige Eichengallen<br />

Unsere heimischen Stiel- und Trau -<br />

beneichen sind die Wirtsbäume mit der<br />

artenreichsten und buntesten Gallen -<br />

fauna. Das Standardwerk von Herbert<br />

BUHR (1965) widmet den Eichengallen<br />

Abb. 2: Münzengallen, Ruhrtal 2009

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