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12 sektor, Bürosektor, Geschäftssektor und den Wohnsektor, wo die Bewohner aller sozialen Schichten zusammen wohnen sollten. Der Stadtplan hat die Form eines Flugzeuges: Sein Zentrum ist die Achse der Stadt, an deren östlichem Ende die Regierungsgebäude liegen. Auf den gebogenen Tragfl ächen des Flugzeuges befi nden sich die Wohnviertel, und auf der Kreuzung liegen Geschäfte, Hotels, kulturelle Einrichtungen, die Kathedrale. Es war ein Gegenentwurf zu den Küstenstädten mit den engen Straßen und alten und gedrängt gebauten Häusern. Brasília entwickelte sich in Vielem anders als geplant. Bereits vier Jahre nach seiner Einweihung putschten sich die Militärs an die Macht. Niemeyer wurde wegen seiner Zugehörigkeit zur kommunistischen Partei verhört und sein Büro durchsucht. Er bekam in Brasilien keine Aufträge mehr. So ging er 1966 nach Paris ins Exil und kehrte erst nach der Generalamnestie 1979 dauerhaft nach Brasilien zurück. Brasília wuchs sehr schnell. Die ursprüngliche Vorstellung einer Stadt, in der alle Schichten zusammen lebten, wurde nicht verwirklicht. Die Mittel- und Oberschicht blieb in der ursprünglich geplanten Stadt selbst, dem sogenannten Plano Piloto, der Großteil der Bevölkerung wurde in Satellitenstädten im Umkreis von Brasília angesiedelt. Die Stadtplanung selbst kann als autohörig und wenig fußgängerfreundlich kritisiert werden. Kritiker bemängeln, das menschliche Element sei dabei auf der Strecke geblieben. Die Aufteilung in getrennte Sektoren und die Weitfl ächigkeit der Stadt machten sie unwohnlich. Die Existenz der Satellitenstädte zementierte die K l a s - senzugehörigkeit. Das modernistische Konzept der 50er Jahre war Ausdruck des Glaubens an einen alle Gesellschaftsschichten umfassenden Fortschritt, der so nicht verwirklicht wurde. Bei aller zutreffenden Kritik wurde die Stadt mit ihren Gebäuden 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Der Entwurf einer Stadt vom Reißbrett und die Realisierung von staatlichen Bauten mit einer großen und innovativen Leichtigkeit rechtfertigen diese Entscheidung. Auch später prägte Niemeyer das Bild der Stadt: Von ihm stammen die Entwürfe für die Gedenkstätte von Juscelino Kubitschek (1981), das Panteon des Vaterlandes (1986), das die Form einer Taube hat, und schließlich das Kulturzentrum (Complexo Cultural da República), das zu seinem 99. Geburtstag im Dezember 2006 eingeweiht wurde. Exil und Rückkehr nach Brasilien In der Zeit seines Exils schuf Niemeyer zahlreiche spektakuläre Bauten im Ausland. Dazu gehören das Gebäude der kommunistischen Partei in Paris mit seinem eindrucksvollen Versammlungssaal (1967-72), der Sitz des Mondadori Verlags in Segrate bei Mailand (1968) und die Universität von Constantine in Algerien (1971-77). Auch nach seiner Rückkehr nach Brasilien kreierte er neben den bereits erwähnten Bauten in Brasília zahlreiche weitere Werke, von denen einige genannt seien: die beiden Sambodrome in Rio (1984) und São Paulo (1991), den Gebäudekomplex des Memorial da América Latina in São Paulo (1987), in dem auch eine Skulptur des Architekten steht, Mão – eine Hand mit gespreizten Fingern, auf deren Fläche die Karte Lateinamerikas wie ein Wundmal zu sehen ist, eine Anspielung auf die blutige und leidensvolle Vergangenheit des Kontinents, ferner das Busterminal in Londrina (1988). 1996 schuf er ein weiteres Meisterwerk, das Museum zeitgenössischer Kunst in Niterói. Ich persönlich schätze es besonders. Kritisch könnte man allenfalls dazu sagen, dass die Schönheit, die Perfektion und Einbindung in die Landschaft es quasi unmöglich machen, die darin ausgestellten Gegenstände angemessen zu würdigen – sie bleiben nur Dekor für dieses architektonische Kunstwerk selbst. Ein geschwungener Weg führt direkt in ein rundes kegelförmiges Gebäude aus Glas und Beton, das auf einem runden Pfeiler ruht und dessen Winkel von etwa 45 Grad zur Rechten sich im Winkel des auf der anderen Seite der Bucht von Guanabara liegenden Zuckerhutes wiederholt. Assoziationen wie Pilz oder Raumschiff ergeben sich. Es ist ein Höhepunkt zeitgenössischer Architektur, geschaffen von dem fast Neunzigjährigen. Ein weiteres von ihm entworfenes Museum wurde 2002 in Curitiba eröffnet. Es hat die Form eines Auges, das auf einem kräftigen runden Schaft ruht. Auch dieser Bau ist von überraschender Schönheit und Leichtigkeit. Kritik und Würdigung Niemeyer wurde zu seinem hundertsten Geburtstag mit Ehrungen überhäuft und ausgiebig gewürdigt. Dass sich hier auch neben hauptsächlich Positivem und Überschwänglichem Kritik äußerte, ist bei einem so überragenden und in seinen politischen Positionen durchaus kontroversen Künstler zu erwarten. So wird einmal an ihm herumgemäkelt, da er ja in der kommunistischen Partei war, dass er in seinen Bauten nicht versucht habe, das Los der armseligen Massen zu lindern. Er habe gerne für die Reichen gebaut und einen hedonistischen Lebensstil betrieben. Es wird bemängelt, dass seine Bauten schlecht und nicht für die Dauer gebaut seien und schnell im tropisch feuchten Klima verkämen. Niemeyers Bauten funktionierten nicht, die Raumverteilung sei schlecht, Belüftung und Beleuchtung unzureichend. Sie seien schön von außen anzusehen – aber unwohnlich, wenn man darin leben und arbeiten wolle. Ökologische Überlegungen fehlten bei der Planung. So etwas wie die ausgestreckte Hand im Memorial da América Latina sei nichts als Kitsch. Es wäre sicherlich schade, wenn nicht einige versuchten, etwas vom Lack der Legende Niemeyer abzukratzen. Dies ändert nichts daran, dass er uns mit seinem außergewöhnlichen Werk Momente der Überraschung und des Glücksgefühls vermitteln kann, das bei reinen Funktionalbauten ausbleibt. Auch heute scheinen Niemeyers Kreativität und Vitalität unerschöpfl ich. Er erklärte seine Bereitschaft, das Fußballstadion für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien zu entwerfen und legte bereits dieses Jahr den Entwurf für ein neues Kulturzentrum in Nova Friburgo vor. Daneben plant er Museen in Italien und Spanien. Zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Anita 2004 hat er seine langjährige Assistentin geheiratet. Sein Arbeitsplatz ist weiterhin in Rio in einem von ihm selbst entworfenen zehnstöckigen Gebäude an der Copacabana. Ich möchte ihm und uns wünschen, dass ihm noch viele weitere aktive und kreative Jahre beschert seien. ■ Abb.: Museum für zeitgenössische Kunst, Niterói . Kultur
Futebol :: Alex Bellos Fußball – die brasilianische Kunst des Lebens Frankfurt 2005. Fischer Taschenbuch Verlag. € 9.95 Das brasilianische Trauma von 1950 wirkt noch immer: Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land, das Endspiel in Rio de Janeiro im wunderbaren Maracana-Stadion – und Brasilien verliert gegen Uruguay 1:2! Unglaublich! Es gibt Brasilianer, die immer noch jede Minute des Spiels nacherzählen können. „Ich hoffe, dass meine Wahrheit Ihnen gefallen wird, denn es gibt sehr viele Wahrheiten. Sie müssen entscheiden, welches die wahre Wahrheit ist, und sie dann analysieren.“ (Ronaldo) Juli 1998, wieder ein WM-Finale, diesmal in Paris, Frankreich gegen Brasilien. Es endet 0:3 für Frankreich. Es spielt ein offensichtlich angeschlagener Ronaldo. Gerüchte machen die Runde, von Verträgen mit Nike (dem Sponsor der brasilianischen Mannschaft) ist die Rede. Das brasilianische Abgeordnetenhaus setzt eine Untersuchungskommission ein, die klären soll, was der Inhalt dieser Verträge zwischen Nike und dem CBF, dem brasilianischen Fußballverband ist. Drei Jahre später im Abschlussbericht erscheint der CBF als „krimineller Ort, wo Desorganisation, Anarchie, Inkompetenz und Verlogenheit herrschen“. Penta-Champion: 1958, 1962, 1970, 1994, 2002. Penta – das ist die Zählung, hier sind gloriose Vergangenheit und Gegenwart des Fußballs in einem Wort vereint. Doch Bellos schreibt nicht nur über die großen Turniere, er reiste zwischen Amazonien und Rio Grande do Sul quer durch das Land, die Spieler auf dem Land, die Fans, die großen und kleinen Clubs, die teilweise mafi ösen Strukturen: seine Geschichten dahinter sind es, die das Buch ausmachen. Ob nun Pelé, Garrincha oder Marcelo auf den Färöer-Inseln, Vasco da Gama, die Corinthians oder Breijinho, eine Stadt mit 3000 Einwohnern und einem Stadion für 10.000 Besucher – in liebevoller Leidenschaft über eine Obsession zu schreiben, das ist Bellos gelungen. Der eingefl eischte Fan kommt bis in die letzten Seiten auf seine Kosten: alle WM-Spiele mit brasilianischer Beteiligung: Siege, Niederlagen, Tore, sämtliche Spieler, Schiedsrichter und noch dazu viele Literaturhinweise. Economic Hit Man :: J. Perkins Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia München 2007, Goldmann Taschenbuch. € 9.95 Kultur John Perkins war ein EHM – Economic Hit Man, ein Wirtschaftskiller. Direkt nach seinem Universitätsabschluss erhielt er vom NSA (National Security Agency) und der Beratungsfi rma MAIN eine Ausbildung, um die Wirtschaftsinteressen der USA zu vertreten. Zwischen 1970 und 1982 beriet er im Auftrag von MAIN zahlreiche Entwicklungsländer und veranlasste sie durch übertrieben optimistische Prognosen zu überdimensionalen Technik- und Großprojekten, die sie in die Abhängigkeit von den USA brachten. Die absehbare und gewollte Verschuldung der betreffenden Länder diente der US-amerikanischen Regierung dann als Druckmittel, um politisch-ökonomische Eigeninteressen durchzusetzen. Die Spezies des EHM ist ein Produkt unserer Zeit, in der Kriege gegen andere Länder mehr oder weniger ersetzt werden durch den Wirtschaftimperialismus der Großkonzerne. Sie sind hochintelligente und hochbezahlte Profi s, die weltweit Länder um Milliarden € betrügen. Sie schleusen Weltbank- und Regierungsgelder sowie Entwicklungskredite in die Taschen weniger Großkonzerne und reicher Familien. Zu ihrem Instrumentarium gehören gezinkte Wirtschafts- und Finanzprognosen, Wahlmanipulationen, Schmiergelder, Erpressung, Sex und auch Mord. Sie treiben ein Spiel, welches so alt ist wie Herrschaft und Macht: Im Zeitalter der Globalisierung hat es jedoch eine neue bedrohlichere Dimension angenommen. Indonesien, Persien, Kolumbien, Ecuador – in vielen Ländern war Perkins ‚tätig’. Er half bei der Umsetzung eines Planes mit, der Milliarden von Petrodollars zurück in die USA schleuste und die intime Beziehung zwischen dem islamisch-fundamentalistischen Haus Saud und den amerikanischen Regierungen festigte. Er beschreibt die wahren Gründe für die US-Invasionen von Panama (1989) und des Irak. Perkins verließ 1981 MAIN und gründete seine eigene Firma IPS (Independent Power Systems), die sich auf die Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme spezialisierte. 1992 verkaufte er die Firma. Heute leitet er die Organisation „Dream Change Coalition“, die zusammen mit den indigenen Völkern Lateinamerikas deren Umwelt und Kulturen schützt. Buchbesprechungen von Anne Reyers 13
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