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1 Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist die ... - Adveniat

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ange kein Idol mehr<br />

s protestieren gegen verschleppte Reformen<br />

<strong>die</strong> harten und oft bewaffneten Landkonflikte mit den Fazendeiros.<br />

Sie sind in Mato Grosso do Sul, einer Kernregion<br />

des Sojaanbaus, besonders blutig. Die dort lebenden Guarani<br />

und Kaiowá vegetieren auf viel zu kleinen Landparzellen dahin,<br />

sofern sie überhaupt über eigenen Boden verfügen. Da<br />

das nicht ausreicht, um sich einigermaßen ernähren zu können,<br />

sind viele von ihnen gezwungen, auf den Fazendas der<br />

Großgrundbesitzer zu arbeiten. Dementsprechend niedrig sind<br />

auch <strong>die</strong> Löhne, <strong>die</strong> an sie ausgezahlt werden. Alkoholismus,<br />

körperliche Gewalt und ein erschreckender Kulturverlust sind<br />

<strong>die</strong> fast unausweichlichen Folgen <strong>die</strong>ses langsamen Genozids,<br />

der durch <strong>die</strong> hohe Zahl der Selbstmorde, gerade unter<br />

Kindern und Jugendlichen, noch eine besonders dramatische<br />

Komponente erhält. Die Guarani und Kaiowá wehren sich erbitterter<br />

und organisierter als vor wenigen Jahren gegen <strong>die</strong>se<br />

fast aussichtslose Lage, indem sie Land besetzen, das ihnen<br />

früher einmal gehörte. Die Fazendeiros schlagen zurück, oft<br />

mit brutaler Gewalt. So wurden z.B. im vergangenen Jahr zwei<br />

Führer der gleichen Gruppe der Guarani getötet, während sie<br />

für <strong>die</strong> Rückgewinnung der Region Kurussu Ambá kämpften:<br />

Die 70jährige Xurete Lopes starb während einer Landbesetzung<br />

durch <strong>die</strong> Kugeln von privatem Wachpersonal. Ortiz<br />

Lopes, ein anderer Guarani aus demselben Dorf, wurde nach<br />

Zeugenaussagen im Auftrag eines Fazendeiros vor seiner Hütte<br />

niedergestreckt. Trotz aller Zusagen der FUNAI demarkierte<br />

<strong>die</strong> Behörde 2007 in Mato Grosso do Sul kein einziges der von<br />

den Indigenen zurückgeforderten Territorien. Deshalb bleibt<br />

<strong>die</strong>ses im Südwesten gelegene Bundesland nach wie vor ein<br />

sozialer Brennpunkt, ein wahrer Hexenkessel.<br />

Demarkationen im Schneckentempo<br />

Aber auch in anderen Regionen kommt <strong>die</strong> Demarkation des<br />

indianischen Landes nur schleppend oder überhaupt nicht<br />

voran. Davon sind zum Beispiel <strong>die</strong> Truká in Pernambuco in<br />

Nordostbrasilien betroffen. Ihre Dörfer liegen in unmittelbarer<br />

Nähe des Ableitungsprojektes, durch das dem Rio São Francisco<br />

Wasser entzogen und in <strong>die</strong> Trockenregion der Caatinga<br />

umgeleitet werden soll. Bis heute wurde es nicht offiziell als<br />

indianischer Besitz vom brasilianischen Staat anerkannt. Ähnlich<br />

sieht es auch im benachbarten Bahia aus, wo <strong>die</strong> Pataxó<br />

Hã Hã Hãe seit nunmehr 1926 um <strong>die</strong> Rückgabe ihres Landes<br />

mit den ortsansässigen Großgrundbesitzern streiten: <strong>Der</strong> damalige<br />

Indianerschutz<strong>die</strong>nst SPI demarkierte ihnen ein Areal<br />

von 300 km², das 1937 nach Konflikten mit den Fazendeiros<br />

widerrechtlich verkleinert und homologiert, also offiziell von<br />

Staatspräsidenten als Reservat anerkannt wurde. In den<br />

40er Jahren verpachtete der Staat entgegen den Vorschriften<br />

der Verfassung das indianische Land an daran interessierte<br />

Großgrundbesitzer. Viele Pataxó Hã Hã Hãe wurden von ihnen<br />

ermordet oder flohen. Die wenigen, <strong>die</strong> blieben, mussten sich<br />

auf den Fazendas gegen einen Hungerlohn verdingen. Von<br />

1976-80 erfolgte dann der heftigste Schlag gegen <strong>die</strong> Urein-<br />

von Bernd Lobgesang<br />

wohner im südlichen Bahia: Die<br />

Gouverneure Roberto Santos und<br />

Antônio Carlos Magalhães verteilten<br />

ihr Land an <strong>die</strong> Fazendeiros,<br />

<strong>die</strong> bereits vorher <strong>die</strong>se Gebiete<br />

gepachtet hatten. 1982 begann<br />

dann <strong>die</strong> Rückeroberung des Bodens<br />

durch <strong>die</strong> Pataxó Hã Hã Hãe.<br />

Im gleichen Jahr schon reichten sie<br />

eine Klage beim Obersten Staatsgerichtshof<br />

ein, der bis heute kein<br />

endgültiges Urteil gefällt hat.<br />

Aber auch dort, wo eigentlich <strong>die</strong> Ureinwohner gesiegt haben,<br />

sieht es oft ähnlich trostlos aus: Nachdem Luiz Inácio Lula da<br />

Silva im nördlichsten Bundesland Roraima das von mehreren<br />

Indianervölkern besiedelte Gebiet Raposa Serra do Sol durch<br />

seine Unterschrift zum Reservat erklärt hatte, hofften dort<br />

viele auf eine baldige Umsiedlung der Nichtindianer und auf<br />

weitere staatliche Maßnahmen zu ihrem Schutze. Aber nichts<br />

<strong>ist</strong> bisher geschehen. Ganz im Gegenteil: Die Reisbauern, <strong>die</strong><br />

einen Teil von Raposa Serra do Sol widerrechtlich in Besitz<br />

genommen haben, leben auch heute noch dort. Selbst <strong>die</strong><br />

Drohungen, denen sich <strong>die</strong> Ureinwohner früher immer wieder<br />

ausgesetzt sahen, halten weiter an und entladen sich in<br />

Übergriffen, <strong>die</strong> zum Teil auch, wie im Januar 2008 geschehen,<br />

von der Polizei ausgehen. Einige Mitglieder des Senats<br />

in Brasília versuchen währenddessen alles Mögliche, um <strong>die</strong><br />

praktische Umsetzung der präsidialen Entscheidung auch<br />

weiterhin zu unterlaufen, wobei natürlich immer wieder das<br />

Argument der Einschränkung der brasilianischen Souveränität<br />

durch <strong>die</strong> Errichtung von Indianerreservaten in Grenznähe<br />

herhalten muss. <strong>Der</strong> Kampf um Raposa Serra do Sol <strong>ist</strong> also<br />

noch immer nicht beendet.<br />

Sieg in Espírito Santo<br />

Indigene<br />

Wesentlich erfreulicher entwickelte sich in den letzten Monaten<br />

<strong>die</strong> Lage im Bundesland Espírito Santo. Ein Dekret des<br />

Justizmin<strong>ist</strong>eriums erklärte am 28. August 2007 ein über 180<br />

km² großes Gebiet der Tupinikim und Guarani zum Reservat.<br />

Das <strong>ist</strong> das vorläufige Ende eines langen Kampfes, der 1967<br />

mit der Besetzung des traditionellen Landes der beiden Völker<br />

durch den Konzern „Aracruz Celulose“ begann. Die Ureinwohner<br />

wurden damals vertrieben und der Wald, der ihre<br />

Lebensbasis gewesen war, wurde fast vollständig gerodet. An<br />

seiner Stelle entstanden große Eukalyptus-Monokulturen für<br />

<strong>die</strong> Zellstoffproduktion, in denen durch intensiv eingesetzte<br />

Agrargifte jedes tierische und pflanzliche Leben verschwand.<br />

Diesem Prozess der Zerstörung mussten <strong>die</strong> Indigenen zunächst<br />

noch tatenlos zusehen, da sie politisch zu machtlos<br />

waren: Das Militärregime unterband damals fast jede Form<br />

des Widerstandes. Als aber 1978 der brasilianische Staat <strong>die</strong><br />

Landrechte indigener Gemeinschaften auf traditionell genutztes<br />

Land anerkannte, erhielt der Widerstand der Tupinikim<br />

und Guarani einen großen Schub nach vorne. Immer lauter<br />

forderten sie jetzt <strong>die</strong> Rückgabe ihrer Heimat. Von den sieben<br />

Dörfern aus, <strong>die</strong> sie in unmittelbarer Nähe der Zellstofffabrik<br />

angelegt hatten, drangen sie in mehreren Aktionen auf ihr<br />

angestammtes Territorium vor. Seit 2005 nahmen <strong>die</strong> Landbesetzungen<br />

sogar noch weiter zu. Um <strong>die</strong> Ernsthaftigkeit<br />

ihres Anliegens zu demonstrieren, demarkierten sie schließlich<br />

sogar eigenständig ihr Land. Im Januar 2006 ließ zwar<br />

noch einmal der Konzern „Aracruz Celulose“ das umstrittene<br />

Gebiet durch einen brutalen Polizeieinsatz räumen, wobei <strong>die</strong><br />

Hütten der Indianer zerstört und sie mit Gummigeschossen<br />

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