1 Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist die ... - Adveniat
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„Archivs“ und Museums ihrer Stadt Rio Claro tätig - <strong>die</strong> Stadt-<br />
und Kulturgeschichte ihrer Region mit.<br />
Ihre Porträts malte sie am liebsten in unmittelbarer Anschauung<br />
des Menschen. Sie sagte uns dazu: „Bevor du <strong>die</strong> Natur<br />
malen kannst, musst du sie nah und tief verstehen. Danach<br />
erst kannst du sie interpretieren, transformieren und deformieren.“<br />
Sie schätzte den Blick auf <strong>die</strong> Hintergründe, auf Körper<br />
und Seele, auf Geschichten, auf Zeichen und Narben der Zeit,<br />
auf <strong>die</strong> Kräfte hinter der Zerbrechlichkeit und Endlichkeit des<br />
Menschen. Wichtig waren ihr dabei <strong>die</strong> Beziehungen und der<br />
Dialog mit den Menschen, <strong>die</strong> sie porträtierte.<br />
Ilara Machado wollte <strong>die</strong> Menschen immer nahe an deren<br />
Lebensrealität darstellen, obwohl der Zugang zu den von<br />
ihr gewählten Modellen nicht immer selbstverständlich und<br />
einfach war. Eines von ihren beachtenswerten Erlebnissen<br />
möchten wir gerne herausgreifen, weil es ihren Zugang zu<br />
den Menschen charakterisiert. Es ereignete sich in den 50er<br />
Jahren. Damals war es noch üblich, dass <strong>die</strong> Verkäufer mit<br />
ihren Waren zu Fuß in den Orten und Städten unterwegs waren<br />
und von Tür zu Tür gingen, um ihre Produkte feilzubieten.<br />
Eine solche Person oder besser solch ein „Unikum“, das sie<br />
so sehr faszinierte, hielt sie in ihrem Gemälde mit dem Titel<br />
„Vendedor de alhos“, auf Deutsch „<strong>Der</strong> Knoblauchverkäufer “,<br />
für <strong>die</strong> Nachwelt fest. Für Ilara Machado sahen <strong>die</strong> von harter<br />
Arbeit und durch <strong>die</strong> Witterung gezeichneten Männer aus,<br />
als ob <strong>die</strong> Anstrengungen und Mühen ihres Lebens in ihren<br />
Körpern eingemeißelt wären. Die Männer legten <strong>die</strong> geflochtenen<br />
Knoblauchbänder um ihre Oberkörper, ähnlich wie <strong>die</strong><br />
P<strong>ist</strong>oleiros ihre Patronengurte tragen. Eines Tages, während<br />
sie in ihrem Atelier arbeitete, klopfte an ihre Tür ein solcher<br />
Knoblauchverkäufer. Sie erkannte sofort <strong>die</strong> günstige Gelegen-<br />
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Kultur<br />
heit, ihn als Modell zu engagieren. Sie bot ihm an, den ganzen<br />
Knoblauch abzukaufen und ihn auch zusätzlich zu bezahlen,<br />
wenn er für sie Modell stünde. <strong>Der</strong> Mann blickte sie entsetzt<br />
an und antwortete ihr: „Entschuldigen Sie, gnädige Frau! Aber<br />
meine Frau erlaubt mir nur, dass ich mich mit ihr zu Hause<br />
hinlegen darf.“ Nachdem das Missverständnis jedoch geklärt<br />
war, akzeptierte der Mann das gute finanzielle Angebot. Doch<br />
schon nach vier Tagen Arbeit als Modell stand er plötzlich auf<br />
und sagte zur Malerin: „ Ich gehe fort. Wenn man einen Mann<br />
fertig machen will, muss man nur befehlen, dass er still sitzen<br />
bleiben muss.“ Damit verließ er das Atelier, doch sein Abbild<br />
in Öl und auf Leinwand blieb der Welt erhalten.<br />
Ilara Machado bezeichnete sich als Autodidaktin. Sie entwickelte<br />
ihren malerischen Stil allein durch <strong>die</strong> Beobachtung der<br />
Werke berühmter Künstler. Sie malte ihre Porträts überwiegend<br />
real<strong>ist</strong>isch, wie das <strong>die</strong> Auftraggeber in der Regel auch<br />
erwarteten, doch wir sahen auch freiere Interpretationen, wie<br />
das landesweit bekannte Porträt eines indianischen Kindes als<br />
offizieller Beitrag zu den 500-Jahr-Feiern Brasiliens. Bekannt<br />
<strong>ist</strong> auch ihr Porträt von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva<br />
für den Palast in Brasília, das von seinen Parteifreunden in<br />
Auftrag gegeben wurde.<br />
Bis zu ihrem Tode am 14. August 2007 lebte Ilara Machado in<br />
der Stadtvilla, <strong>die</strong> ihr Vater vor über 80 Jahren gekauft hatte.<br />
Die 85jährige Künstlerin malte noch, wenn auch nicht mehr<br />
täglich. Sie empfing Freunde und war offen für Gäste wie für<br />
uns, wenn es ihr Gesundheitszustand erlaubte. Ilara Machado<br />
<strong>ist</strong> menschlich und künstlerisch ein starkes Vorbild für viele<br />
Malerinnen und Maler der Region und wird es auch künftig<br />
bleiben. Wir waren tief berührt von ihrer Persönlichkeit und<br />
sind dankbar für <strong>die</strong>se Begegnung. ■<br />
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