28.01.2013 Aufrufe

1 Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist die ... - Adveniat

1 Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist die ... - Adveniat

1 Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe ist die ... - Adveniat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Der</strong> Bau der Umleitung des Rio São Franscisco,<br />

der Transposição, eines der umstrittensten<br />

Großprojekte der Regierung Lula, <strong>ist</strong><br />

ungeachtet der Proteste in vollem Gange.<br />

In <strong>die</strong>sem Mega-Projekt, das überwiegend<br />

der exportorientierten Bewässerungslandwirtschaft<br />

zu Gute kommt, wird in zwei<br />

insgesamt 700 km langen Kanälen Wasser<br />

des Rio São Francisco abgeleitet und in<br />

<strong>die</strong> nördlichen Trockengebiete des Nordostens<br />

geleitet. (Die Brasilien Nachrichten<br />

berichteten bereits in den letzten <strong>Ausgabe</strong>n<br />

über das Mammutprojekt.)<br />

Seit Jahren versuchen Organisationen der<br />

Zivilgesellschaft vergeblich, einen demokratischen,<br />

transparenten und partizipativen<br />

Dialog über das Projekt zu erreichen. Die<br />

Landlosenbewegung MST, <strong>die</strong> Bewegung<br />

der Staudammbetroffenen, <strong>die</strong> Bewegung<br />

der Kleinbauern, <strong>die</strong> Landpastoral<br />

CPT und <strong>die</strong> Pastoral für Kleinfischerinnen<br />

und Kleinfischer sowie viele andere<br />

soziale Bewegungen haben sich in einem<br />

einzigartigen Bündnis mit den Fischergemeinden<br />

und der indigenen Bevölkerung<br />

der Region zusammengeschlossen, um<br />

den Bau des Mega-Projektes zu stoppen.<br />

Allein im letzten Jahr fanden zwei große<br />

Protest-Camps (eines in Brasília und<br />

eine Besetzung des Baustellengeländes<br />

in Cabrobó in Pernambuco) sowie zahllose<br />

lokale Protest-Aktionen im gesamten<br />

Flussgebiet statt.<br />

Doch <strong>die</strong> Regierung stellt sich taub gegenüber den Anliegen<br />

und Argumenten der Protestbewegung. Seit Juni 2007 hat<br />

das Ingenieur-Bataillon des brasilianischen Militärs mit den<br />

Bauarbeiten für <strong>die</strong> Kanalbauten begonnen, trotz der noch<br />

laufenden rechtlichen Einspruchsverfahren gegen das Projekt.<br />

Durch den Einsatz des Heeres können rechtliche Einwände<br />

gegen das Genehmigungsverfahren umgangen werden, mit<br />

der Begründung, es handle sich um ein Projekt zum „Wohle<br />

der Nation“. Vom Militär durchgeführte Bauarbeiten wecken<br />

Reminiszenzen an <strong>die</strong> Militärdiktatur und <strong>die</strong> gigantomanischen<br />

Vorhaben der 1970er Jahre, wie den Sobradinho-Stausee oder<br />

das berüchtigte, nie vollendete Straßenbau- und Besiedlungsvorhaben<br />

Transamazônica im Amazonas-Gebiet. Die Bevölkerung<br />

der Projektregion <strong>ist</strong> durch <strong>die</strong> massive Militärpräsenz stark<br />

eingeschüchtert. Fischer berichten von Hausdurchsuchungen<br />

in ihren Dörfern, bei denen <strong>die</strong> Soldaten nach Waffen suchen,<br />

um vermeintlichen Aufständen der betroffenen Bevölkerung<br />

gegen das Projekt zuvorzukommen.<br />

Geste der Verzweiflung<br />

Angesichts der autoritären Vorgehensweise der Regierung Lula<br />

bei der Realisierung des Projektes entschloss sich Bischof Cappio<br />

von der Diözese Barra am Mittellauf des Rio São Francisco Ende<br />

letzten Jahres erneut zum radikalen Schritt des Hungerstreiks<br />

als Zeichen des friedlichen Widerstands gegen <strong>die</strong> Zerstörung<br />

des Rio São Francisco. Am 27. November 2007 begann er in<br />

der São Francisco-Kapelle in der Gemeinde Sobradinho im<br />

Bundesland Bahia am Ufer des Sobradinho-Stausees sein<br />

Fasten als eine „Geste der Verzweiflung“, wie er selbst sagte.<br />

<strong>Der</strong> Franziskaner Dom Luiz Cappio <strong>ist</strong><br />

schon seit langem eine Symbolfigur und<br />

Vorreiter der sozialen Bewegung für den<br />

Schutz des Rio São Francisco. Seit seiner<br />

einjährigen Pilgerreise entlang des 2.800<br />

km langen Flusses 1992/1993 we<strong>ist</strong> er auf<br />

<strong>die</strong> dramatische Situation des Flusses hin.<br />

Luiz Flavio Cappio <strong>ist</strong> am 04. Oktober 1946<br />

in Guaratinguetá (São Paulo), am Tag des<br />

Heiligen Franziskus, geboren. Von seinen<br />

61 Jahren hat er mindestens 40 am Ufer<br />

des Rio São Francisco verbracht.<br />

Noch in jungen Jahren nach Abschluss seines<br />

Theologie- und Wirtschafts-Studiums<br />

verließ er seine wohlhabende Familie und<br />

wurde Franziskaner-Pater. Bis 1974 wirkte<br />

er in der Arbeiter-Pastorale in São Paulo,<br />

bis er in <strong>die</strong> arme semiaride Region des<br />

Bundeslandes Bahia aufbrach. Damals<br />

re<strong>ist</strong>e er lediglich mit der Kleidung, <strong>die</strong><br />

er am Leib trug, in <strong>die</strong> Armenregion des<br />

Nordostens ab. Im Jahr 1997 wurde er in<br />

Barra (Bahia) zum Bischof ernannt.<br />

Umwelt<br />

Dieses Mal wählte er Sobradinho als symbolischen Ort des<br />

Widerstandes gegen <strong>die</strong> Großprojekte am Rio São Francisco<br />

als Ort seines Protestes.<br />

Bereits vor gut zwei Jahren, im Oktober 2005, hatte Dom Luiz<br />

Cappio mit einem Hungerstreik gegen das Umleitungsprojekt<br />

großes Aufsehen erregt und einen Aufschub der Bauarbeiten<br />

erreicht. Damals beendete er nach elf Tagen sein Fasten aufgrund<br />

des Versprechens des Präsidenten Lula, einen umfassenden<br />

Dialogprozess mit der Bevölkerung über das Projekt<br />

der Transposição durchzuführen. Doch <strong>die</strong>ses Abkommen<br />

wurde vom Präsidenten nicht eingehalten. Nachdem <strong><strong>die</strong>ser</strong> im<br />

Oktober 2006 wiedergewählt worden war, wurden das Projekt<br />

ohne jegliche öffentliche Diskussion vorangetrieben.<br />

Diese Missachtung des getroffenen Übereinkommens bewegte<br />

Dom Luiz erneut dazu, in einen Hungerstreik zu treten. Auch<br />

<strong>die</strong>smal löste der mutige und selbstlose Protest des Bischofs<br />

eine breite Mobilisierung der Bevölkerung aus und brachte<br />

<strong>die</strong> Regierung in eine missliche Lage. Tausende Menschen<br />

kamen nach Sobradinho, um sich mit Dom Cappio solidarisch<br />

zu zeigen. Aus der ganzen Welt schickten Menschen<br />

Protestbriefe und Solidaritätserklärungen und unterstützten<br />

den Widerstand.<br />

Durch den massiven Druck der Bevölkerung sah sich <strong>die</strong> Justiz<br />

zu einer Reaktion gezwungen. Am 14. Dezember, nach mehr<br />

als zwei Wochen Hungerstreik, verhängte ein Regionalgericht<br />

einen Baustopp und gab den Einsprüchen von Umweltorganisationen<br />

gegen das Genehmigungsverfahren statt. Doch<br />

bereits wenige Tage später ging <strong>die</strong> Regierung in Revision.<br />

<strong>Der</strong> Oberste Gerichtshof musste nun über <strong>die</strong> Rechtmäßig-<br />

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!