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Materialien zur Vorlesung "Öffentliche und private Sphäre"

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PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien<br />

<strong>Vorlesung</strong> „<strong>Öffentliche</strong> <strong>und</strong> <strong>private</strong> Sphäre in der Musik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts“, SoSe 2011<br />

Rede des Fabrikarbeiters Hoffmann<br />

beim Heidelberger Turnerfest am 17. Juni 1847<br />

„Bürger, Mitstreiter, Kampfgenossen! Das Proletariat spricht durch mich; ich habe<br />

nicht viele Worte, ich habe nur zwei Hände, um die Tyrannen, um die Aristokraten<br />

zu würgen; ich habe siedendes Blut <strong>und</strong>vbei Gott, Muth <strong>und</strong> That, wenn auch nicht<br />

die Überredung der Sprache, ich sehe da hier viele Stände vereinigt. Bürger! Stände!<br />

Was sind Stände? Gleichheit, Freiheit! Das ist die Losung der Zeit, <strong>und</strong> jene reichen<br />

Stolzen, jene räuberischen Wucherer […] sitzen auf weichen Stühlen, während wir<br />

vor Hunger verschmachten. Drum weg mit den Ständen, es giebt nur ein [sic]<br />

Stand: das Volk; es giebt nur ein Recht, nur ein Gesetz, das ist wieder das Volk, es<br />

giebt nur etwas, was vom Urbeginn da war, das ist […] das Volk <strong>und</strong> das ist stark<br />

<strong>und</strong> fürchtet sich nicht.“ Und er schloss: „Ich sehe da viele studirte Herren, aber<br />

reicht nur dem simpeln Arbeitsmann die Hand, ihr Herrn, <strong>und</strong> ihr werdet sehen,<br />

was er vermag. Das Volk hat in Frankreich die Aristokraten geköpft <strong>und</strong> es ist mit<br />

allen Soldaten fertig geworden; wir können das auch! Drum ein Losungswort für<br />

uns alle! Tod der Tyranney <strong>und</strong> Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit!“<br />

Literatur: Düding<br />

4. Intimität <strong>und</strong> Massenöffentlichkeit (3): Privates Musizieren<br />

Ideal <strong>und</strong> Wirklichkeit in der Hausmusik<br />

1855 plädierte Wilhelm Heinrich Riehl in seiner Liederpublikation Hausmusik<br />

gegen die schalen Freuden der „blasirten musikalischen grossen Welt“ für eine<br />

„einfache <strong>und</strong> ehrliche Musik“ <strong>zur</strong> „Freude <strong>und</strong> Erbauung“ in den „heiligen<br />

Räumen des Hauses, um wieder rein <strong>und</strong> züchtig zu werden“. Riehls einflussreicher<br />

Begriff von Hausmusik ist aber ein ideologisches Konstrukt, eine Fiktion <strong>zur</strong><br />

Beförderung einer patriarchalischen Vorstellung von häuslicher Ordnung.<br />

Was also ist Hausmusik? Sie ist zugleich Gattung <strong>und</strong> Musizierform – vereint<br />

musikalische <strong>und</strong> soziale Ansprüche. Sie ist verknüpft mit der Entwicklung des<br />

bürgerlichen Wohnwesens, das immer stärker einen Salon zum Empfang von<br />

Gästen ausbildete, in dessen Mittelpunkt das unentbehrliche Möbel des Klaviers<br />

stand. 1797 heißt es bei Joseph Rohrer, Neuestes Gemählde von Wien: „Bey jeder<br />

gebildeten Familie findet sich ein Fortepiano. Ob aber die Unterweisung der<br />

weiblichen Jugend in der Musik nicht einen beinahe zu grossen Raum in der<br />

gewöhnlichen Erziehung einnimmt, ist eine andere Frage […].“ Die Betonung liegt<br />

auf der „gebildeten Familie“, also der Schicht bildungsbürgerlicher Berufe<br />

(Akademiker, Beamten, Ärzte, Juristen, Lehrer etc.), <strong>und</strong> der „weiblichen Jugend“:<br />

Klavierspiel war Frauensache, die Männer spielten eher Streichinstrumente. Das<br />

Klavier als unbewegliches Möbel passt hervorragend zu der ans Haus geb<strong>und</strong>enen<br />

Rolle der Frau bzw. höheren Tochter.<br />

© 2011 by Wolfgang Fuhrmann 11

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