Materialien zur Vorlesung "Öffentliche und private Sphäre"

PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien
Vorlesung „Öffentliche und private Sphäre in der Musik des 19. Jahrhunderts“, SoSe 2011
Literatur: Weber, Schwab, Stiftung Berliner Philharmoniker, Handlos, Knepler,
Scott, Linke
7. Exkurs: Klavierbau und Klavierhandel
(von Ludwig Kollenz)
Das Klavier war im 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Instrumente – geradezu
ein Symbol für das Bürgertum.
Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, soll hier Pierre Bourdieus Modell
der Kapitale aufgeriffen werden. Er spricht von ökonomischen, kulturellem und
sozialem Kapital. Ersteres muß wohl nicht weiter ausgeführt werden, es handelt
sich schlicht um finanzielles Kapital. Kulturelles Kapital hingegen teilt sich wieder
in drei Ausprägungen:
Verinnerlichtes kulturelles Kapital ist an den eigenen Körper gebunden; Bildung
setzt Lernzeit voraus die man persönlich investieren muß! Es ist ein fester Bestandteil
einer Person – also ein Habitus. Ein sehr hohes solches Kapital kann
Seltenheitswert haben, z. B. ein Starpianist kann besonders gut Klavier spielen und
sich so sein Geld verdienen, da ihn viele Leute (die vielleicht auch Klavier spielen)
hören wollen.
Objektiviertes Kulturkapital ist an Objekte gebunden. Man kann sich ein Klavier
kaufen und so ein Stück Kultur besitzen, jedoch kann man es dann noch nicht
spielen. Daraus folgt, das dieses Kapital zwar übertragbar ist,aber nur im Sinn des
juristischen Eigentums.
Institutionalisiertes Kulturkapital folgt aus einem Problem: verinnerlichtes
Kulturkapital ist an eine Person gebunden und damit den biologischen
Möglichkeiten derselben unterworfen. Mit einem z. B. schulischen Titel kann dem
Abhilfe geschaffen werden, da so eine Nivellierung stattfindet und eine Art
„Qualitätssicherung“ eingeführt werden kann. Ein Autodidakt steht unter
ständigem Beweiszwang, während ein Akademiker sich auf seinen Titel und das
damit verbundene Bildungsniveau berufen kann. Das führt natürlich auch zur
Möglichkeit der Wertmessung, siehe Arbeitsmarkt.
Soziales Kapital ist im Prinzip das, was man heute „Networking“ nennt. Eine
Person hat ein bestimmtes ökonomisches und kulturelles Kapital. Dieselbe Person
kennt andere Personen, die ebenso über eine bestimmte Kapitalkapazität verfügen.
Das soziale Kapital des einzelnen hängt von seinen anderen Kapitalen und der
Größe seines Beziehungsnetzwerks ab, sowie der Höhe der Kapitale der anderen
Personen im Netzwerk. Es wirkt wie ein Multiplikator auf die eigenen Kapitale. Ein
Beispiel: Adelige kennen untereinander und haben meist auch Geld. Ein
Klavierbauer hätte Interesse daran einem Adeligen ein Klavier zu verkaufen, da er
vielleicht an andere weiter empfohlen wird. Er kann bei seine anderen Kunden
auch vorweisen wer aller bei ihm einkauft. Der Adelige wäre hier ein Träger hohen
sozialen Kapitals. Mit dem Kauf eines Klavieres schließt man sich einerseits einer
Gruppe an, andererseits hebt man sich von anderen ab.
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