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Materialien zur Vorlesung "Öffentliche und private Sphäre"

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PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien<br />

<strong>Vorlesung</strong> „<strong>Öffentliche</strong> <strong>und</strong> <strong>private</strong> Sphäre in der Musik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts“, SoSe 2011<br />

ganze Welt, bis sie um 1880 keine Käufer mehr fanden, weil die Entwicklung zu<br />

weit fortgeschritten war.<br />

In den 1880ern schwanden die Märkte für französische Klaviere, aber auch hier<br />

war der interne Markt, ähnlich wie in Österreich, geschützt. So gab es keine<br />

Notwendigkeit, neue Produktionsformen oder Technologien zu übernehmen.<br />

Interessant ist Herrburger-Schwander, eine Firma, die sich auf die Herstellung<br />

von kompletten Mechaniken spezialisierte. 1880 verkaufte sie 35 000 pro Jahr in die<br />

ganze Welt. Das Prinzip der geringen Produktionstiefe begann sich durchzusetzen.<br />

Nach dem Bürgerkrieg herrschten in den USA eine wachsende Nachfrage, ein<br />

geschützter Markt, sowie flexible Finanzierung vor. Import wurde unwichtig, da<br />

1861 hohe Schutzzölle eingeführt wurden. Außerdem widerstanden importierte<br />

Klaviere dem Klima nicht lang. Europäische Pianisten, die auf Tournee waren,<br />

brachten ihre eigenen Instrumente mit, jedoch mußten sie bald amerikanische<br />

verwenden, die dank Gussrahmen die Tourneen aushielten. Das führte zu<br />

Konzerttourneen, die von den Firmen organisiert wurden <strong>und</strong> so Werbung<br />

machten. Der Export war niedrig, da einerseits ein großer Binnenmarkt vorhanden<br />

war, andererseits der Transport nach Europa teuer war <strong>und</strong> vor Ort andere<br />

Klavierbauer billiger waren.<br />

Das war ein guter Boden für Steinway. Steinweg, wie die Familie ursprünglich<br />

hieß, war aus Braunschweig, der Vater ging mit seinen Söhnen (außer Grotrian <strong>und</strong><br />

Theodor) 1850 in die USA, wo sich die Firma Steinway bald zum einzigen<br />

Konkurrenten für, die den Markt dominierenden, Chickerings. Theodor 1865 nach<br />

New York in die Firma <strong>und</strong> übernahm die technische Leitung. Er galt als<br />

außergewöhnlicher Klavierbauer <strong>und</strong> pflegte Kontakte zu Wissenschaftlern wie<br />

Helmholz, mit er die Duplex- Skala entwickelte. Er führte auch den<br />

kreuzverspannten Gussrahmen ein <strong>und</strong> verbesserte Erards Mechanik.<br />

Das Marketing übernahm sein Bruder William. Er verkaufte an Adelige <strong>und</strong><br />

bekannte Musiker um für die Firma zu werben, außerdem visierte er große<br />

Ausstellungen an um die Klaviere einem großen Publikum zu zeigen.<br />

Das Steinway Modell wurde in Europa erstmals in London 1862 ausgestellt <strong>und</strong><br />

erregte Aufmerksamkeit. In Paris 1867 hatten viele Klavierbauer das Konzept<br />

bereits übernommen (mit Ausnahme der Franzosen). Auf der Wiener Ausstellung<br />

1873 hatte sich das System weitgehend durchgesetzt. Vor allem deutsche<br />

Klavierbauer hatten Steinways Innovationen schnell übernommen.<br />

Deutschland war in der ersten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts nicht wirklich vereint,<br />

es waren im Gr<strong>und</strong>e eigene Fürstentümer. Das wirkte sich auf den Markt aus, viele<br />

Klavierbauer gingen ins Ausland, siehe Erard (urspr. Erhard), Pape, Steinway. In<br />

dieser Zeit wurden von Instrumentenbauern wie Steibelt ausländische Klaviere<br />

importiert <strong>und</strong> nachgebaut, quasi „Reverse Engineering“.<br />

Nach 1860 begann der Markt zu wachsen, wurde durch Zölle geschützt <strong>und</strong><br />

Export nahm zu. Ein Gr<strong>und</strong> dürfte die Gründung des deutschen Reiches im<br />

Spiegelsaal von Versailles (1871) gewesen sein. Fortschritt war wichtig <strong>und</strong> so<br />

wurde maschinell gefertigt <strong>und</strong> Wissenschaft genutzt. Deutsche Musik genoß hohes<br />

Ansehen im Ausland, was man geschickt ausnutzte.<br />

© 2011 by Wolfgang Fuhrmann 23

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