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Materialien zur Vorlesung "Öffentliche und private Sphäre"

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PD Dr. Wolfgang Fuhrmann, Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien<br />

<strong>Vorlesung</strong> „<strong>Öffentliche</strong> <strong>und</strong> <strong>private</strong> Sphäre in der Musik des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts“, SoSe 2011<br />

(die sogar schon seit 1781 existieren) <strong>und</strong> die Gesellschaft der Musikfre<strong>und</strong>e in<br />

Wien. Anhand letzterer lässt sich erörtern, was eine Musikgesellschaft im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert ist <strong>und</strong> wie sie sich unterscheidet von unserem heutigen Verständnis.<br />

Wien ist allerdings in vieler Hinsicht ein Sonderfall – als Residenzstadt verfügte es<br />

über ein reiches Musikleben, zugleich war aber das öffentliche Konzertwesen<br />

extrem schwach ausgeprägt. Von den Tagen Mozarts bis ins frühe 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

gab es immer wieder Anläufe, feste Reihen von Subskriptionskonzerten zu<br />

installieren, darunter die Konzerte im Augarten <strong>und</strong> in der Mehlgrube, an denen<br />

Mozart mitwirkte, aber Stabilität erlangte keines von ihnen. Kurz vor der<br />

Gründung der Gesellschaft der Musikfre<strong>und</strong>e gab es die vergleichsweise kurzlebige<br />

Institution der „Adeligen Liebhaberkonzerte“ (1807–1808), bei denen der Bankier<br />

von Herring mit dem Fürsten Trauttmannsdorff <strong>und</strong> dem Musikgrafen Moritz<br />

Dietrichstein zusammenwirkte. Auf der einen Seite also ein Vertreter des neuen<br />

Geldadels, auf der anderen Seite der übrigens einflussreiche Bekleider eines uralten<br />

<strong>und</strong> längst überholten Amts der österreichischen Monarchie. Das sollte auch<br />

typisch werden für die Gesellschaft der Musikfre<strong>und</strong>e.<br />

Sie ging hervor aus der Tätigkeit einer 1810 gegründeten „Gesellschaft adeliger<br />

Frauen <strong>zur</strong> Beförderung des Guten <strong>und</strong> Nützlichen“, in der sich zwölf Frauen aus<br />

dem Geburts- <strong>und</strong> nobilitierten Adel zusammenfanden, unter der Leitung der<br />

Fürstin Karoline von Lobkowitz. Gegründet worden war sie durch Joseph von<br />

Sonnleithner, ihren „perpetuirlichen Secretär“ <strong>und</strong> eine zentrale Figur des<br />

Musiklebens in Wien (u. a. Musikhistoriker <strong>und</strong> Librettist von Beethovens Leonore,<br />

der Erstfassung des Fidelio). Für die Kriegsopfer vor allem der Schlachten von<br />

Aspern <strong>und</strong> Wagram, auch wohl für die Opfer des Brands von Baden, wurde 1812<br />

ein Wohltätigkeitskonzert veranstaltet, auf Initiative von Fanny Freiin von<br />

Arnstein, mit Händels „Timotheus oder Die Macht der Musik“ (also Alexander’s<br />

Feast). Sonnleithner machte nun einen Vorschlag <strong>zur</strong> Gründung einer Gesellschaft<br />

der Musikfre<strong>und</strong>e, der im Dezember 1812 umlief, aber erst Anfang 1813 vorgelegt<br />

wurde. Zum Ausschuss, der mit der Organisation beauftragt wurde, gehörten<br />

alteingessessene Adelige wie Apponyi, Moriz Graf zu Dietrichstein, Lobkowitz,<br />

aber auch Verdienstadel wie Moritz Graf von Fries, der Bankier v. Häring oder der<br />

Großhändler Johann v. Tost, Bürger wie z. B. der Beamte Vincenz Hauschka <strong>und</strong><br />

der Hofrichter des Schottenstifts Dr. Franz Theser, <strong>und</strong> schließlich als prof.<br />

Musiker Antonio Salieri). Die endgültigen Statuten sind erst 1814 vom Kaiser<br />

approbiert worden, als Protector wurde Erzherzog Rudolph gewählt, Sekretär war<br />

Sonnleithner <strong>und</strong> blieb es bis zu seinem Tode.<br />

In die Statuten schrieb sich die Gesellschaft neben der Abhaltung von Konzerten<br />

„die Emporbringung der Musik in allen ihren Zweigen“. Also:<br />

– Aufbau eines Konservatoriums.<br />

– Herausgabe einer musikalischen Zeitschrift.<br />

– Aufbau einer musikalischen Bibliothek, eines Archivs, einer Gemälde- <strong>und</strong> einer<br />

Musikinstrumentensammlung.<br />

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wandelte sich der Musikverein<br />

von einer Dilettantenvereinigung zu einem Konzertveranstalter <strong>und</strong> die<br />

Musikfre<strong>und</strong>e zu einem passiven Publikum. 1851 revidiert die Gesellschaft ihre<br />

© 2011 by Wolfgang Fuhrmann 16

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