Jahre Wende - Humanistischer Verband Deutschlands
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Rebecca Aechtner<br />
2003: Vor dem Friedrichstadtpalast<br />
komme ich ins Gespräch mit einem<br />
kanadischen Professor, der durch<br />
Zufall bei einem Berlinbesuch die<br />
Jugendfeier kennenlernt. Eine kleine<br />
Notiz in diesseits berichtete darüber.<br />
2009: Im Friedrichstadtpalast sitzt<br />
eine junge Frau neben mir im Foyer<br />
und macht sich eifrig Notizen während<br />
der Jugendfeier. Wir kommen ins<br />
Gespräch. Rebecca Aechtner ist<br />
Studentin von Professor Irving<br />
Hexham, den das Thema<br />
offensichtlich nicht mehr losgelassen<br />
hat. Nun gibt es zwar noch keine<br />
Jugendfeiern in Kanada, aber bald<br />
eine Dissertation zum Thema. Und<br />
was nicht ist…<br />
Patricia Block<br />
30<br />
4/2009<br />
FORUM<br />
Jugendfeier goes Kanada<br />
Jugendweihe? Jugendfeier? Bis vor drei <strong>Jahre</strong>n hatte ich nie eines dieser Wörter gehört.<br />
Dann sprach mein Professor in Kanada darüber. Ich war ebenfalls ahnungslos, dass es in<br />
Kanada humanistische Rituale gibt, ganz zu schweigen von Deutschland. Und jetzt schreibe<br />
ich meine Doktorarbeit über Jugendweihe, den Humanistischen <strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong><br />
und seine Jugendfeier.<br />
n Ich studiere Religionswissenschaft an der<br />
Universität in Edinburgh, Schottland. Ich<br />
bin im dritten Studienjahr meiner Doktorarbeit.<br />
Ich bin in Vancouver, Kanada geboren<br />
und wuchs in vielen verschiedenen Städten<br />
Kanadas auf. Obwohl ich Kanadierin bin,<br />
habe ich auch einen deutschen Pass, weil<br />
meine Eltern deutsche Immigranten sind,<br />
die als junges Paar nach Kanada ausgewandert<br />
waren. Die meisten unserer Freunde<br />
sind auch Immigranten aus Deutschland.<br />
So wuchs ich in der ersten Generation deutscher<br />
Kanadier auf. Folglich war ich immer<br />
an der deutschen Kultur, an der Geschichte<br />
und an der Literatur sehr interessiert. Vier<br />
<strong>Jahre</strong> lang studierte ich englische Literatur<br />
und Germanistik an der Universität<br />
von Calgary in Alberta, Kanada. Danach<br />
studierte ich noch zwei weitere <strong>Jahre</strong>, um<br />
meinen Magister Artium in Religionswissenschaft<br />
zu erhalten. Meine These behandelte<br />
das Thema „Christen und andere<br />
Glaubensrichtungen in der Grünen Partei<br />
<strong>Deutschlands</strong>“. Im Jahr 2006 reiste ich nach<br />
Berlin, um einige Mitglieder der Grünen zu<br />
interviewen. Ich genoss meine Zeit in Berlin<br />
sehr. Als dann mein Professor vorschlug, Jugendweihe<br />
in Berlin zu erforschen, stimmte<br />
ich blitzschnell zu. Dies bedeutete, dass ich<br />
über Jugendweihe und Humanismus mehr<br />
lernen musste! Und so begann eine neue<br />
Phase in meinem Leben.<br />
Jugendfeier? Nie gehört!<br />
Als ich mit den Recherchen anfing, fand ich<br />
zwiespältige und undeutliche Informationen.<br />
Zu meiner Enttäuschung wussten die<br />
meisten sehr wenig über das Ritual. Meine<br />
Eltern stammen aus dem Westen <strong>Deutschlands</strong><br />
und erinnerten sich nur, dass Jugendweihe<br />
im Osten stattgefunden hatte.<br />
Wieder andere stellten Jugendweihe negativ<br />
vor, als anti-christlich und in direkter<br />
Opposition zur Kirche und ihren Ritualen.<br />
Ich hörte fortwährend die Wörter „Kommunisten“,<br />
„Atheisten“ und „ehemalige<br />
DDR“.<br />
Von der Frau meines akademischen Beraters<br />
erfuhr ich, dass das Ritual noch heute<br />
besteht. Das weckte meine Neugier. Ich war<br />
glücklich, eine Akademikerin in Edinburgh<br />
zu finden, die bereit war, meine Forschungen<br />
zu betreuen. Ich bekam ein Stipendium<br />
von der kanadischen Regierung und der<br />
Universität von Edinburgh, um den Humanistischen<br />
<strong>Verband</strong> <strong>Deutschlands</strong> aus<br />
nächster Nähe kennenzulernen. Ich muss<br />
eingestehen, dass ich zu Beginn meiner Forschung<br />
der Meinung war, dass Jugendweihe<br />
ein quasi-religiöses Ritual sei.<br />
Obwohl es andere Organisationen gibt,<br />
die Jugendweihe-Zeremonien durchführen,<br />
wählte ich aus vielen Gründen den<br />
HVD. Mein Hauptgrund dafür ist meine<br />
Überzeugung, dass Humanismus eine interessante<br />
und wichtige Weltanschauung<br />
ist. Außerdem sind Untersuchungen über<br />
Rituale häufig kompliziert und dynamisch,<br />
wenn sie mit einer bestimmten Philosophie<br />
oder einer Ideologie verbunden sind. Die<br />
Jugendfeier des HVD ist ein Teil eines größeren<br />
ideologischen, organisatorischen und<br />
praktischen Rahmens. Ich denke, dass dieses<br />
sehr wichtig ist.<br />
Fehleinschätzungen auch unter<br />
Akademikern<br />
Im Mai 2008 kam ich deshalb nach Berlin,<br />
um die humanistische Jugendfeier kennenzulernen.<br />
Ich nahm an zwei Jugendfeiern<br />
teil: einer kleineren in Adlershof und einer<br />
größeren im Friedrichstadtpalast. Ich fand