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Boberhaus und Boberhauskreis - Adolf-Reichwein-Verein

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gestellt hat, dass die Deutschen wohl wissen, �wer<br />

den Krieg angefangen hat <strong>und</strong> wer seine ersten Opfer<br />

waren�, dass es keine Restitutions- <strong>und</strong> Entschädigungsansprüche<br />

aus Deutschland mehr geben könne.<br />

Wir Deutschen sehen offensichtlich zu wenig die<br />

Ängste <strong>und</strong> Vorbehalte der Polen auf Gr<strong>und</strong> ihrer<br />

Erfahrungen mit uns als Nachbarn: Polen ist nach der<br />

dritten polnischen Teilung 1795 (Aufteilung unter<br />

Preußen, Russland <strong>und</strong> Österreich) 123 Jahre lang<br />

ohne einen eigenen Staat gewesen, war nach dem<br />

Ersten Weltkrieg für 20 Jahre lang wieder ein eigener<br />

Staat <strong>und</strong> wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage des geheimen Zusatzprotokolls<br />

zum Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 wieder<br />

aufgeteilt. Wohl haben die Polen nach der deutschen<br />

Niederlage 1945 <strong>und</strong> dem Kriegsende auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der Beschlüsse der Konferenzen von Teheran<br />

1943 <strong>und</strong> Jalta 1945 wieder einen eigenen Staat<br />

erhalten, aber dieser umfasst durch die Abtrennung<br />

der polnischen Ostgebiete zugunsten der Sowjetunion<br />

<strong>und</strong> die Verschiebung der Westgrenze bis an Oder<br />

<strong>und</strong> Neiße ein verändertes Gebiet, wodurch sowohl<br />

polnische als auch deutsche Bevölkerungsteile zu<br />

Flüchtlingen oder Vertriebenen wurden. Der neue<br />

Staat stand dann jedoch wie die anderen Staaten des<br />

Ostblocks unter sowjetischem Machteinfluss <strong>und</strong><br />

hatte erheblich unter dem Stalinismus zu leiden. Es<br />

verstört die Polen daher, wenn Russland zum 60.<br />

Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges den<br />

Sieg über den Faschismus <strong>und</strong> die Befreierrolle der<br />

Roten Armee herausstellt, die Okkupation Mittelosteuropas<br />

durch die Sowjetunion aber verschweigt.<br />

Krzysztof Ruchniewicz hat so in seinem Vortrag über<br />

�Die Erinnerung an den 2. Weltkrieg in der polnischen<br />

Gesellschaft� auch festgestellt, dass antirussische<br />

Vorbehalte in Polen �noch gesteigert (werden) durch<br />

die Weigerung Russlands, auch nur eine symbolische<br />

Geste der Wiedergutmachung für die Leiden der im<br />

Stalinismus verfolgten Polen zu zeigen. Die Ängste<br />

vor dem `Imperialismus` Russlands sind lebendiger<br />

Bestandteil der polnischen Betrachtungsweise, wenn<br />

es um den mächtigen Nachbarn geht; ...�<br />

Es ist so auch verständlich, wenn man in Polen besorgt<br />

die Gestaltung der deutsch-russischen Verständigung<br />

wahrnimmt, soweit sie als exklusive Zweierbeziehung<br />

erscheint <strong>und</strong> eventuelle polnische Belange<br />

außer Betracht lässt, wenn sie gar ausschlaggebend<br />

für die deutsche Ostpolitik wird. Der polnische<br />

Wunsch nach einer �Zwischenlandung� des deutschen<br />

Kanzlers in Warschau auf dem Weg von Berlin<br />

nach Moskau ist daher ernst zu nehmen. Wir sollten<br />

die Bedeutung Polens für eine Neubestimmung der<br />

reichwein forum Nr. 7 / November 2005<br />

14<br />

europäischen Ostpolitik in der EU sehen, mit der auch<br />

die Beziehungen zu den Grenznachbarn wie der<br />

Ukraine <strong>und</strong> Weißrussland, ohne wirtschaftliche <strong>und</strong><br />

kulturelle Gräben zu ziehen, bestimmt werden können.<br />

Es ist für die Polen auch nicht akzeptabel, wenn<br />

in der EU Deutschland <strong>und</strong> Frankreich eine Führungsrolle<br />

beanspruchen <strong>und</strong> sie als Partner nicht<br />

ernst genommen werden. Die Polen haben das Bedürfnis,<br />

dass der deutsche Nachbar ihnen �echte<br />

Empathie <strong>und</strong> Wissen über ihre geschichtlichen Erfahrungen<br />

beweisen möge� (Ruchniewicz), <strong>und</strong> wollen<br />

als neues EU-Mitglied eine wichtige Rolle für<br />

Europa spielen.<br />

Gerhard Bauer, Ekkehard Geiger, Ansgar Kemmann,<br />

Ernst Klein, Verena Onken-v. Trott, Annelies Piening,<br />

Klaus Schittko<br />

�Mommy. But I´ve been good! It�s dark! It�s dark!�<br />

�Endlösung� als �Erlösung�<br />

Der 8. Mai 1945 <strong>und</strong> die Macht der anderen<br />

Erinnerung<br />

Hajo Funke<br />

Dem jüdischen Häftling Rudolf Reder verdanken wir<br />

einen von nur drei Überlebenden-Berichte aus dem<br />

Todeslager Belzec, in dem in weniger als 11 Monaten<br />

des Jahres 1942 über 500.000 Menschen vergast<br />

<strong>und</strong> danach verbrannt wurden. Er schrieb, was er vor<br />

der Gaskammer sah: �Jeder wartete, bis er an die<br />

Reihe kam. Jeder wusste, dass er sterben <strong>und</strong> unmenschlich<br />

leiden muß. Nur wenn ich Kinder schreien<br />

hörte: �Mamma! Mamma! Ich war doch lieb! Dunkel!<br />

Dunkel!�, dann blutete mein Herz. Und dann fühlten<br />

wir wieder nichts mehr.� Als Rudolf Reder die Hilfeschreie<br />

in der Gaskammer von Belzec hörte, war er<br />

verzweifelt. Danach hat er nur überleben können, in<br />

dem er �nichts mehr fühlen� durfte.<br />

Heute ist dort, wo die Rampe war, eine riesige verrostende<br />

Steinplatte gelegt, auf der Spuren auf die<br />

Bahngleise verweisen <strong>und</strong> die die Struktur eines<br />

Davidstern annehmen. Vor dem Besucher ein nach<br />

oben anschwellendes Feld mit Massen von Schlacke<br />

bedeckt. Es liegt über den Massengräbern, in denen<br />

1942 500.000 Menschen verscharrt worden sind.<br />

Zwischen den Massengräbern <strong>und</strong> der Schlacke ist in

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