Boberhaus und Boberhauskreis - Adolf-Reichwein-Verein
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einwandfrei zu ermitteln waren, zumal Gablentz <strong>und</strong><br />
Poelchau bereits verstorben waren. Der Umstand,<br />
dass der Text von Gablentz an Poelchau gelangt war,<br />
ließ allerdings darauf schließen, dass von der<br />
Gablentz einer der möglichen Autoren gewesen sein<br />
könnte, <strong>und</strong> der Umstand dass Poelchau den Text vor<br />
seinem Tod kommentarlos an mich geschickt hatte,<br />
ließ darauf schließen, dass <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> ein anderer,<br />
zweiter Autor gewesen sein könnte. Eine inhaltliche<br />
<strong>und</strong> linguistische Analyse des Textes zeigte außerdem,<br />
dass die Einleitung � Ausgangslage� wahrscheinlich<br />
von einem anderen Autor stammt als die<br />
übrigen Teile, die sehr mit <strong>Reichwein</strong>s Auffassungen<br />
<strong>und</strong> Sprachstil übereinstimmen.<br />
Ich habe seinerzeit, ich glaube Ende der 70er Jahre<br />
versucht, die Frage der Autorschaft zu klären, in dem<br />
ich Freya von Moltke <strong>und</strong> Hans Bohnenkamp um<br />
Stellungnahmen dazu bat, vielleicht auch noch andere,<br />
an die ich mich nicht mehr erinnere. Die beiden<br />
enannten konnten mir keine eindeutigen, zweifelsfreien<br />
Antworten geben. Sie stimmten lediglich darin<br />
überein, dass des Text mindestens zwei Autoren<br />
gehabt haben müsse <strong>und</strong> dass der eine von der<br />
Gablentz <strong>und</strong> der andere <strong>Reichwein</strong> gewesen sein<br />
könnte.<br />
Für die Autorschaft <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s spricht vor allem<br />
ein Brief Helmuth James von Moltkes an Freya<br />
vom 15.10.1941, in dem er mitteilt, er habe <strong>Reichwein</strong><br />
gebeten, � sich über die Frage der religiösen Erziehung<br />
Gedanken zu machen <strong>und</strong> uns zu sagen, was<br />
wir tun müssen� . Dass schon wenige Tage später,<br />
nämlich am 18.10. das Manuskript � Gedanken über<br />
Erziehung� fertig war, ist erstaunlich, besonders<br />
wenn man davon ausgeht, dass mindestens zwei<br />
Autoren beteiligt waren. Ebenso erstaunlich ist, dass<br />
Moltke schon am nächsten Tag, dem 19.10. , eine �<br />
Bitte um Ergänzung� anfügte, in der er eine Stellungnahme<br />
zu Hochschulfragen anmahnte <strong>und</strong> seine<br />
eigenen Vorstellungen hierzu skizzierte.<br />
Für die Autorschaft <strong>Reichwein</strong>s spricht auch, dass er<br />
auf der ersten Kreisauer Tagung zu Pfingsten 1942,<br />
auf der Erziehung <strong>und</strong> Bildung im Mittelpunkt standen<br />
<strong>und</strong> auf der auch Poelchau, aber nicht von der<br />
Gablentz anwesend war, verbürgtermaßen anhand<br />
eines Manuskripts zu diesem Thema vorgetragen<br />
hat. Bei diesem Manuskript kann es sich aber nicht<br />
um das erste, � Gedanken über Erziehung� , gehandelt<br />
haben, gegen das Moltke wegen Unvollständigkeit<br />
Einspruch erhoben hatte. Es muß sich vielmehr<br />
um eine überarbeitete, erweiterte zweite Fassung<br />
gehandelt haben.<br />
Diese zweite Fassung hat Roman Bleistein anscheinend<br />
im Nachlass des Jesuitenpaters Lothar König<br />
gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> in seinem Buch � Dossier: Kreisauer<br />
Kreis� 1987 veröffentlicht (S. 102 ff.). Sie trägt den<br />
Titel � Lehre <strong>und</strong> Erziehung in Schule <strong>und</strong> Hochschule�<br />
<strong>und</strong> enthält, wie der Titel sagt, Ausführungen nicht<br />
nur zu Schul- sondern auch zu Hochschulfragen. Sie<br />
stimmt im Sprachstil <strong>und</strong> in vielen die Schule betreffenden<br />
Fragen mit � Gedanken über Erziehung� überein,<br />
enthält aber nicht mehr die Einleitung dieser<br />
ersten Fassung mit dem Titel � Ausgangslage� .<br />
Stattdessen beginnt sie mit dem einfachen <strong>und</strong> klaren<br />
reichwein forum Nr. 7 / November 2005<br />
53<br />
Satz: � Das dringendste Anliegen an Lehre <strong>und</strong> Erziehung<br />
wird die Begründung eines gesitteten Lebens<br />
sein.� Folglich erscheint es plausibel, wenn auch nicht<br />
einwandfrei nachweisbar, dass der Text � Gedanken<br />
über Erziehung� von mindestens zwei Autoren<br />
stammt, von denen einer von der Gablentz (Abschnitt<br />
� Ausgangslage� )<strong>und</strong> der andere <strong>Reichwein</strong> (die<br />
übrigen Abschnitte zur Lehrerbildung <strong>und</strong> zum<br />
Schulwesen) gewesen ist. (Vielleicht hatte Moltke von<br />
der Gablentz schon früher um eine Stellungnahme zu<br />
Fragen der religiösen Erziehung gebeten, die vielleicht<br />
länger gewesen ist <strong>und</strong> bereits vorlag, so dass<br />
sie relativ schnell mit <strong>Reichwein</strong>s Ausführungen verb<strong>und</strong>en<br />
werden konnte.) Die zweite, von Roman<br />
Bleistein publizierte Fassung, die nach dem Monitum<br />
Moltkes auch die Hochschulfragen im Sinne Moltkes<br />
behandelt, könnte hingegen allein von <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />
stammen. Die Frage der religiösen bzw. christlichen<br />
Erziehung, die Moltke von Anfang an so sehr<br />
am Herzen lag, spielt zwar in beiden Texten eine<br />
gewisse Rolle , sie hat aber , wie man weiß, in den<br />
weiteren Beratungen des � Kreisauer Kreises� eine<br />
eigene Dynamik entfaltet <strong>und</strong> sogar zu Konflikten<br />
geführt, in denen <strong>Reichwein</strong> mit seiner Auffassung<br />
letztlich unterlag. Er stammte übrigens aus einer bikonfessionellen<br />
Familie, was bislang fast völlig übersehen<br />
worden ist. Auch das mag zu seiner Einstellung<br />
zur christlich-konfessionellen Erziehung innerhalb<br />
bzw. außerhalb der staatlichen Schulen beigetragen<br />
haben.<br />
Anmerkung der Redaktion:<br />
Roland <strong>Reichwein</strong><br />
Bei der Wiedergabe des Dokuments "Gedanken über<br />
Erziehung - Ausgangslage" wurde tatsächlich irrtümlicherweise<br />
<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> als Autor angegeben.<br />
Dies ist ein Übertragungsfehler. Sein Name stand auf<br />
dem Deckblatt der Schreibvorlage <strong>und</strong> wurde durch<br />
die Schreibkraft bei der Abschrift in eine Datei irrtümlich<br />
als Verfasserangabe der Einführung gedeutet.<br />
Das ursprüngliche Dokument enthält keinen Namen<br />
als Verfasser. Wir entschuldigen uns für das Versehen.<br />
Im kurzen Kommentar gehe ich nach wie vor<br />
nicht davon aus, dass <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> der Verfasser<br />
des Abschnitts "Ausgangslage" ist. Mir lag nur daran,<br />
den gesamten Text der "Gedanken über Erziehung"<br />
zu veröffentlichen. Es war m.E. eine bedauerliche<br />
Unterlassung, im Briefband 1999 gerade diesen Abschnitt<br />
zu kürzen.<br />
L.K