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Boberhaus und Boberhauskreis - Adolf-Reichwein-Verein

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des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts das öffentliche Bewusstsein<br />

von der Notwendigkeit politischer Aufklärung<br />

in der Lehrerbildung wachsen ließ. Von der<br />

Systematik <strong>und</strong> Intensität, mit der <strong>Reichwein</strong> diese<br />

Aufgabe durch die Kombination von theoretischer<br />

Einführung, soziologisch orientierter Felderk<strong>und</strong>ung,<br />

Problemreflexion in Kolloquien <strong>und</strong> praktischen Erprobungen<br />

anging, sind wir inzwischen aber wieder<br />

weit entfernt.<br />

- Aufgabe des Lehrerstudiums: Vermittlung<br />

gr<strong>und</strong>legender Erfahrungen professionellen<br />

Lehrerhandelns in den Bereichen Unterricht,<br />

Schulleben <strong>und</strong> Schulgemeinde. Förderung<br />

des beruflichen Selbstbewusstseins künftiger<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer<br />

Die zweite Hauptaufgabe der Lehrerbildung sah<br />

<strong>Reichwein</strong> in der Vermittlung professioneller Handlungskompetenzen<br />

in den Kernbereichen Unterricht,<br />

Schulleben <strong>und</strong> Schulgemeinde. Versteht man professionelles<br />

Handeln in akademischen Berufen nicht<br />

oberflächlich als wissenschaftlich reflektiertes Können,<br />

sondern als situationsangemessene, theoretisch<br />

begründete Problembearbeitung dann wird klar, dass<br />

wir in der gegenwärtigen Form der Lehrerbildung an<br />

Universitäten, wie erwähnt, mit strukturellen Widersprüchen<br />

in der Theorie-Praxis- Beziehung konfrontiert<br />

sind.<br />

Diesen Problemkomplex hatte die Konzeption der<br />

�Pädagogischen Akademie� durch zwei Entscheidungen<br />

erheblich reduziert:<br />

Die erste rückt die Schulpraxis <strong>und</strong> deren theoretische<br />

F<strong>und</strong>ierung ins Zentrum des Lehrerstudiums,<br />

die zweite war die inhaltlich konzeptionelle Entscheidung<br />

für die moderne Reformpädagogik gegen die<br />

noch vorherrschende Tradition der sogenannten<br />

�Lernschule�. Gemeint war: die Förderung von Selbsttätigkeit<br />

<strong>und</strong> Eigenverantwortung der Kinder gegen<br />

herrschende Tendenzen ihrer Fremdbestimmung<br />

durch methodisch kunstvolle Vermittlungen vorgefertigter<br />

Wissensbestände. Moderner ausgedrückt: die<br />

Entscheidung für die Förderung aufgabenbezogener<br />

Kompetenzen gegen die unreflektierte Weiterführung<br />

der Wissenskultur ohne Bezug zu den praktischen<br />

Aufgaben in der Lebenswelt der heranwachsenden<br />

Generation.<br />

Entsprechend wurden an der Pädagogischen Akademie<br />

Halle unterrichtliche Ersterfahrungen der Studierenden<br />

in gr<strong>und</strong>wissenschaftlichen Veranstaltungen<br />

der Pädagogik theoretisch geklärt <strong>und</strong> weiter<br />

gefördert. So ging es etwa in Veranstaltungen von<br />

Georg Geißler �Zum Problem der Unterrichtsmetho-<br />

reichwein forum Nr. 7 / November 2005<br />

38<br />

de� keineswegs darum, übertragbare Handlungsmuster<br />

zu vermitteln. Die Erörterung der unterschiedlichen<br />

Ansätze in der modernen Arbeitschule, des<br />

Projektunterrichts, der Montessori-Pädagogik oder<br />

des Gesamtunterrichts Berthold Ottos mit ihren jeweiligen<br />

Vorzügen <strong>und</strong> Grenzen war vielmehr darauf<br />

angelegt, bei den Lehrerstudenten ein Problembewusstsein<br />

zu entwickeln, das sie in die Lage versetzte,<br />

in konkreten Unterrichtssituationen professionell<br />

begründete eigenverantwortliche Entscheidungen zu<br />

treffen. (Vgl. Geißler 1965) Mit Prämissen solcher,<br />

direkt auf Praxis bezogener Studien konnten sich die<br />

Studierenden in Veranstaltungen der Allgemeinen<br />

Pädagogik auseinandersetzen, in den Lehrangeboten<br />

Elisabeth Blochmanns etwa. Hier diskutierten sie die<br />

besondere Struktur der pädagogischen Sozialbeziehung<br />

am zeitgenössischen Begriff des �Pädagogischen<br />

Bezuges�, aber auch an klassischen Denkfiguren,<br />

z.B. an Pestalozzis Begriffen der �Anschauung�<br />

<strong>und</strong> der �Selbstkraft� des Kindes, an Herbarts Auffassungen<br />

des �Erziehenden Unterrichts� <strong>und</strong> des �Pädagogischen<br />

Taktes� <strong>und</strong> der in alledem sich abzeichnenden<br />

engen Beziehungen zwischen Schulpädagogik<br />

<strong>und</strong> Sozialpädagogik. (Vgl. Werth 1985)<br />

Nach der fachlichen Seite hin wird das derart angebahnte<br />

professionelle Selbstbewusstsein im Hinblick<br />

auf die besonderen Erfordernisse der Schulfächer in<br />

fachdidaktischen Einführungen ausdifferenziert.<br />

<strong>Reichwein</strong> hat in diesem Studienbereich nach Ausweis<br />

der Vorlesungsverzeichnisse regelmäßig didaktische<br />

Gr<strong>und</strong>legungen des Faches Geschichte <strong>und</strong><br />

Staatsbürgerk<strong>und</strong>e angeboten.<br />

Unter Anleitung von Vertrauenslehrern der Akademie<br />

wurde das in den theoretischen Bildungsgängen<br />

erworbene Netzwerk professioneller Kategorien <strong>und</strong><br />

Fragestellungen in den Schulpraktika ständig evaluiert.<br />

Die Unterrichtsprojekte förderten die Wissensform<br />

der Kompetenz. <strong>Reichwein</strong> hat wenige Jahre<br />

später im Werkunterricht von Tiefensee verschiedene<br />

Formen des Anwendungswissens im Zielbegriff des<br />

�Könnens� gebündelt: �Das Werk als die angestrebte<br />

Form unseres Schaffens, als die wertvolle Bestätigung<br />

unseres Könnens, als die endgültig ausgereifte<br />

Lösung einer Aufgabe <strong>und</strong> als das schließlich gewonnene<br />

Ding, die Antwort auf unseren Bedarf gilt auch<br />

dem Kind schon als die Höchstform der Leistung. Ein<br />

ganzer Kanon, eine Summe von einfachen Formen<br />

des Tuns müssen vorgebildet, jede von 8 ihnen durch<br />

Übungsfolgen gefestigt <strong>und</strong> gesichert sein, damit sich<br />

im Wesen des Kindes die Fähigkeit verdichtet, erfolgreich<br />

`ans Werk` gehen zu können. Es wirklich zu<br />

können ist die Voraussetzung dafür, dass es mit Lust<br />

geschehen kann.� (<strong>Reichwein</strong> (1937) 1993, 39 f.)

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