08/09 - Evangelische Kirchen in Erfurt

21 THEMA: BLICK ÜBER DEN TELLERRAND
„der angesehenste �irmenleiter Amerikas“,
hatte nämlich seinerzeit den vorurteilslosen
Jungreporter (Pentak) auserkoren, ihm die
„sieben wichtigsten Grundsätze des Managments“
zu enthüllen. McBride wiederum
hatte sie ebenfalls in jungem Alter empfangen,
und zwar „vom größten Mann“, den er
„je kennen gelernt“ hatte.
Denn solche Prinzipien wirken „bei jedem,
der sie kennt und anwendet. Ganz gleich,
ob Sie Verkaufsmanager für einen Giganten
der Pharmaindustrie sind, Manager einen
kleinen �ast-�ood-Kette oder Leiter einer
Sonntagsschule.“
Natürlich sollte man nie ausschließen, doch
noch auf den Stein der Weisen zu stoßen.
Aber mich schreckt der Gedanke, unsere
Kindergottesdiensttante könnte dieselben
indifferenten Techniken genutzt haben, wie
sie bei �ast-�ood und den Pharmagiganten
üblich sein sollen.
Ist es dem Erfolg egal, worum es geht? Im
Verlagsinterview erzählt Pfarrer Pentak, er
habe ein betriebswirtschaftliches Zusatzstudium
an der Universität von Texas absolviert
und sei mit dem Seminar für Personalführung
ziemlich unzufrieden gewesen. Da
wurde ihm plötzlich „klar, dass sich die Geschäftswelt
eines sehr gewichtigen Bildes
nicht bewusst ist, nämlich der Metapher vom
Schafhirten oder der eines Servant Leader’.“
Leitung als Dienst an der Gruppe – ob im
betrieblichen Teamwork oder in gruppenorientierter
Gemeindearbeit – ist seit langem
geläufig. Pastor heißt bekanntlich Hirte, nicht
Priester und nicht Produktmanager. Kirchliche
�ührungsrollen protestantisch zu gestalten,
bedeutet nichts anderes, als sie selbstbewusst
und demütig als Dienst an Menschen
und Evangelium anzunehmen und zu
begrenzen.
Das mag in der Wirtschaft durchaus anders
sein. Pentak blickt auf 22 Jahre „als erfolgreicher
Berater und Sanierer wenig ertragreicher
�irmen“ zurück. Auch der Weltkonzern
Enron hatte ihn „als ersten Geistlichen“
engagiert, aber der Konkurs kam trotzdem.
Pentak glaubt zudem, „dass Gott mir die Idee
für das Buch eingegeben hat, denn
schließlich kam sie völlig unerwartet.“
Schließlich hat er noch einen Co-Autoren zu
Seite: Dr. Kevin Leman, „ein international
bekannter Psychologe, Wirtschaftsberater,
preisgekrönter Autor und Referent“.
Wie dem auch alles sei, die Vorschusslorbeeren
der Selbstvermarktung machen skeptisch.
Was ist Sache? Die flockigen Siegertyp-Stories,
in denen die Botschaft der Erfolgsmenschen
verpackt ist und die sämtliche
Schäferei-Metaphern von Herdentrieb
bis Mutterschaf, Stecken, Stab und frischen
Weiden ausreizen, sind penetrant. Seitenblicke
auf Volkswagen-Affäre und andere Skandale
aus der Wirtschaftswelt sind gewollt.
Auf den letzten drei Seiten (141-143) sind
die sieben „Grundsätze der Kunst des Hirten“
fasslich zusammen gestellt. Wer zu leiten
hat, wird sie zwar besser nicht im Büro
aufhängen aber vielleicht in den Kalender
kleben – zum Schmunzeln oder Kopfschütteln.
Als Kostprobe Punkt „2. Entdecke das
�ormat deiner Schafe: Entscheidend ist, welche
Art von Schafen du dir aussuchst. Das
erleichtert oder erschwert das Management
deiner Herde. �ang mit gesunden Schafen
an, sonst erbst du die Probleme anderer Leute.
Sieh dir bei jedem Schaf �olgendes genau
an: Stärken, Herz, Einstellung, Charakter,
Erfahrungen. Das hilft zu gewährleisten,
dass du die findest, die bei dir in der richtigen
Hürde sind.“ Und so fort.
Ach jein, wer’s mag. Ist wieder die Zeit direktiver
Rezepte gekommen? Die nassforsche
Erfolgsorientierung, die mir schon bei Autoverkäufern
wenig sachdienlich erscheint, ist
mehr als problematisch. Vor den Nebenwirkungen
einer betriebsförmigen Übertragung
auf kirchliche Handlungsfelder muss gewarnt
werden. Die letzten Sätze sind nur ein
schwacher Trost: „Du musst jeden Tag entscheiden,
wer den Preis für deine �ührung
zahlt: du oder deine Leute. Vor allem anderen
habe ein Herz für deine Schafe.“ Ach
mäh.