Burschenschaftliche Blätter 2015 - 1
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Schwerpunkt<br />
Chaos gemacht, und das 20. und auch noch<br />
das 21. Jahrhundert mit einer unsäglichen<br />
Korruption belastet hat.<br />
Der „moderne“ spanische Zentralstaat, wie<br />
ihn die Liberalen ab 1833 errichten wollten,<br />
war weder in der Lage, ein neues nationales<br />
Zusammenleben herzustellen, noch das<br />
Gros der Bevölkerung zu nationalisieren.<br />
Sein Mißkredit, sein Versagen und sein<br />
schlußendlicher Zerfall förderten das Aufkommen<br />
von alternativen Nationalismen,<br />
die bodenständiger oder zumindest zugkräftiger<br />
waren als die spanische Nationalidee.<br />
Aber auch diese Nationalismen sind<br />
genau so falsch und verdorben wie ihr<br />
Feindbild. Anschaulich wird das erst im Vergleich<br />
mit dem alten Österreich-Ungarn.<br />
Mit der Charakterisierung der dortigen Nationalismen,<br />
wie sie der Soziologe Gustav<br />
Ratzenhofer um 1900 angestellt hat, verfügen<br />
wir über allgemeine Einsichten, die<br />
auch heute ihre Vollgültigkeit bewahren:<br />
„Mit dem Verfalle der Sittlichkeit wendet<br />
sich das Sozialinteresse immer engeren Sozialverbänden<br />
zu; das Individualinteresse<br />
hebt gleichsam aus den Objekten menschlichen<br />
Interesses diejenigen heraus, mit<br />
welchen es persönliche Vorteile verfechten<br />
kann. Alle sozialen Angelegenheiten erhalten<br />
einen leidenschaftlichen Charakter, als<br />
wenn sich die Menschen für die Nation,<br />
den Stamm oder die Klasse aufopfern wollten;<br />
dies ist jedoch nur Schein; die Menschen<br />
ziehen nur den betreffenden Sozialverband<br />
für ihre Interessen in Mitleidenschaft.“<br />
[…] Je mehr den Menschen das Individualinteresse<br />
regiert, desto wahrscheinlicher<br />
ist, daß er 1. den zugehörigen Verband<br />
nur als Mittel für seine individuellen<br />
Zwecke mißbraucht; 2. seine Beziehungen<br />
auf immer engere Gemeinschaftskreise beschränkt,<br />
die größeren und weiteren, weil<br />
nicht direkt nützlich, aufgibt oder endlich 3.<br />
sich ganz und gewissenlos auf die eigenen<br />
Interessen zurückzieht.“ – Das alles paßt<br />
haargenau auf den Katalanismus und seine<br />
Wortführer.<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Genauso, wie die Liebe vieler Katalanen zu<br />
ihrer Sprache und Kultur oftmals eine neurotische<br />
– oder einfach nur fingiert – ist, so<br />
wirkt sich ihre sprichwörtliche echte Liebe<br />
zum Geld mal in Kleingeistigkeit, mal in<br />
Größenwahn aus. Dazu gehört auch das liederliche<br />
„ökonomische Argument“, also<br />
wenn es darum geht, „objektiv“ zu beweisen,<br />
daß Katalonien als der „bessere“ Teil<br />
von Spanien – und deshalb eben<br />
„Nichtspanien“ – ohne Spanien besser dastünde.<br />
Daß man das, und vieles mehr, den<br />
katalanischen Nationalisten durchgehen<br />
läßt, ist nur ein weiteres Zeugnis für die<br />
Fahnenflüchtigkeit, Inkompetenz und Korruption<br />
aller spanischen Regierungen seit<br />
Wiedereinführung der Demokratie.<br />
Unser Autor Carlos Dieter Wefers Verástegui, Jahrgang 1979,<br />
studierte bis 2010 Geschichte, Romanistik und Europäische Studien<br />
(Máster en Estudios de la Unión Europea) in Salamanca<br />
und Köln. Seit seinem Masterabschluß im September 2010 arbeitet<br />
er als Mitarbeiter im Außendienst (Sektion Telemarketing)<br />
beim spanischen Unternehmen Santa Lucía S.A. Companía de Seguros.<br />
Verástegui spricht vier Sprachen und ist seit einigen Jahren<br />
auch als freier Autor im konservativen Milieu tätig.<br />
Heft 1 - <strong>2015</strong> 13