Burschenschaftliche Blätter 2015 - 1
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Schwerpunkt<br />
Jean-Marie Le Pen und seine Tochter Marine Le Pen dominieren den Front National (FN) seit seiner<br />
Gründung im Jahr 1972.<br />
Blandine Le Cain/flickr/CC<br />
nungslos mit Konservativen religiöser und<br />
nationaler Prägung ins Gericht gingen. Damit<br />
stand man auch in Frankreich zwischen<br />
den Fronten: auf der einen Seite waren die<br />
etablierten Ideologien und auf der anderen<br />
die alten Rechten, die hofften, in eine vermeintlich<br />
„heile Welt“ der Vergangenheit<br />
zurückflüchten zu können. „Man war für Europa<br />
und gegen den französischen Etatismus,<br />
für Griechenland und die alten Götter<br />
und gegen die abendländische und die katholische<br />
Tradition“, bringt es der deutsche<br />
Historiker Karlheinz Weißmann auf den<br />
Punkt. Dies beschreibt auch sehr schön die<br />
Ausrichtung der Nouvelle Droite, wie sie von<br />
Alain de Benoist mit der Zeitschrift Nouvelle<br />
École forciert wurde.<br />
Benoist selbst, der unumstrittene Kopf dieser<br />
Bewegung, hatte eine radikale, aktivistische<br />
Jugend hinter sich. Ebenso radikal<br />
und impulsiv wollte er nun mit einem neuen<br />
Denken und einem neuen Ansatz die Geistesgeschichte<br />
prägen. Guillaume Faye<br />
nennt sie rückblickend einen „Verband diverser<br />
Anti-Liberaler, die hofften, die gescheiterten<br />
Ideen des Petainismus, Neo-Faschismus,<br />
Katholischen Traditionalismus,<br />
Regionalismus, Kolonialismus und Poujadismus<br />
(eine in den 60er Jahren aus<br />
kleinbürgerlichen Kreisen erwachsene<br />
Strömung, die für die Besatzung Algeriens,<br />
gegen Steuern und allgemein recht<br />
populistisch für den „kleinen Mann“ eintrat.<br />
Jean-Marie le Pen erlebte in dieser Bewegung<br />
seine politische Premiere) abzu -<br />
lösen.“ In der von Studenten dominierten<br />
Organisation GRECE (Groupement de<br />
recherche et d’études pour la civilisation<br />
européenne) fand diese Strömung eine<br />
Zentrale und in der von Benoist gegründeten<br />
Zeitschrift éléments ein offizielles<br />
Organ.<br />
Das linksintellektuell dominierte Frankreich<br />
reagierte mit Faszination und Entsetzen auf<br />
diese junge, radikale, selbstbewußte Strömung,<br />
die gerade in ihrer Kritik an der jüdisch-christlichen<br />
Denktradition des Universalismus<br />
wesentliche Elemente der Postmoderne<br />
aufgriff. Hunderte Fernseh-, Radio-<br />
und Zeitungsbeiträge erschienen und<br />
rasch wurde diese Nouvelle École als Nouvelle<br />
Droite bezeichnet. Es handelt sich dabei<br />
also um einen Feindbegriff, der sich bis<br />
heute erhalten hat.<br />
Die Nouvelle Droite und der<br />
Front National<br />
Die Beziehung zwischen der Denkschule<br />
von Benoist und dem Front National (FN)<br />
Guillaume Faye (1949) war zusammen mit Alain de<br />
Benoist einer der führenden Köpfe der Nouvelle<br />
Droite. Claude Truong-Ngoc/wikimedia/CC<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
ist ein eigenes Kapitel für sich, das hier nur<br />
in groben Zügen beschrieben werden kann.<br />
Der radikale Rundumschlag der Nouvelle<br />
Droite richtete sich auch gegen den „Poujadismus“,<br />
den an wirtschaftlichen Themen<br />
orientierten, nationalen Populismus. Wenig<br />
reflektiert, plädierte die Partei in ihren Anfangsjahren<br />
gegen den „Sozialismus“ und<br />
die steuerlichen Belastungen des Mittelstandes,<br />
um im Zuge der Globalisierung vor<br />
allem für einen starken Staat und Protektionismus<br />
einzutreten. Ihre „Frankreich zuerst“-Politik<br />
bezieht sich grundsätzlich positiv<br />
auf die französische Nation, ohne allerdings<br />
genau zu klären, was das überhaupt<br />
sein soll. Zwar gegen Masseneinwanderung<br />
eingestellt, vertritt die Partei bis heute im<br />
Wesentlichen eine „law and order“-Position.<br />
Die Interessen Frankreichs und des<br />
„französischen Volkes“ sollen also mit einem<br />
starken Staat verteidigt werden. Der<br />
Front National ist damit klassisch, eurokritisch,<br />
populistisch, unreflektiert und paßt<br />
sich im typischen Pragmatismus ideologiebefreiter<br />
Tagespolitik den sich ändernden<br />
Umständen immer neu an.<br />
Die Nouvelle Droite mit ihrem selbstbewußten,<br />
ideologiekritischen Verständnis<br />
konnte das in keinster Weise ernst nehmen.<br />
Man sah die Partei, wie Guillaume Faye<br />
schreibt, als eine „Splittergruppe von Versagern“<br />
an. „Spießer, Papisten, Reaktionäre,<br />
Amerika-Unterstützer und Hurra-<br />
Patrioten“ würden darin eine Heimat finden.<br />
Tatsächlich war der Front National zur<br />
Hochzeit der Nouvelle Droite keinesfalls<br />
die dominierende und bedeutende Kraft,<br />
die sie heute darstellt.<br />
Im Wesentlichen kann man die neurechte<br />
Kritik an ihr, die auch heute nichts an Gültigkeit<br />
verloren hat, folgendermaßen zusammenfassen:<br />
Indem die Partei es versäumt,<br />
eine metapolitische Lageanalyse<br />
und eine dahingehende Strategie im<br />
Kampf der Ideen anzustrengen, verliert sie<br />
sich in kurzfristigen populistischen Wellen,<br />
die keine konstante und konsequente Linie<br />
verfolgen. Da sie die Frage nach der eigenen<br />
Identität nicht klar stellt, kämpft sie für<br />
eine diffuse „französische Bevölkerung“<br />
und ihre größtenteils wirtschaftlichen „Interessen“,<br />
ohne die Gefahr des großen ethnokulturellen<br />
Bevölkerungsaustauschs wirklich<br />
zu erkennen oder bekämpfen zu können.<br />
Auch der engstirnige eurokritische<br />
Kurs, der mit der EU die Idee Europas über<br />
Bord wirft, wurde von der Nouvelle Droite,<br />
die sich immer schon als „europäisch“ verstand,<br />
scharf kritisiert.<br />
Das Scheitern der Nouvelle<br />
Droite<br />
Trotz der beeindruckenden intellektuellen<br />
Schärfe und Weitsichtigkeit ist es um die<br />
Nouvelle Droite heute recht still geworden.<br />
GRECE oder die éléments sind nur noch<br />
Heft 1 - <strong>2015</strong> 5