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Burschenschaftliche Blätter 2015 - 1

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<strong>Burschenschaftliche</strong><br />

<strong>Blätter</strong><br />

Sonderweg Osteuropa<br />

Schwerpunkt<br />

Es hat sich in den vergangen Jahren nicht<br />

nur im Westen und der Mitte unseres<br />

Kontinents viel getan. So gab es auch in<br />

Osteuropa – und hier sei nicht nur die aktuell<br />

oft erwähnte Ukraine gemeint – interessante<br />

und vielseitige Entwicklungen.<br />

Gibt es einen Sonderweg Osteuropas?<br />

Besonders in Ungarn gab es seit 2009 weitreichende<br />

politische Veränderungen. Die<br />

konservativ-bürgerliche Partei Fidesz wurde<br />

zweimal in Folge bei den Parlamentswahlen<br />

mit Abstand stärkste Kraft und dominiert<br />

seither die ungarische Politik. Der Parteivorsitzende<br />

Viktor Orbán minimierte durch<br />

den anhaltenden Siegeszug seiner Partei<br />

den Einfluß sozialdemokratischer und postkommunistischer<br />

Parteien auf die ungarische<br />

Politik. Neben einer Stärkung des heimischen<br />

Patriotismus wurden durch Orbán<br />

viele Reformen angestoßen, die vor allem<br />

in Brüssel Kritik auslösten. So gab es neben<br />

einer überarbeiteten und sehr patriotischen<br />

neuen Version der Verfassung immer wieder<br />

Streit wegen Gesetzesänderungen, die<br />

gegen das EU-Recht verstoßen würden.<br />

Dies nahm die linke Opposition in den letzten<br />

Monaten immer wieder zum Anlaß, Orbán<br />

zu kritisieren und so im Windschatten<br />

der EU gegen eine Regierung auf die<br />

Straße zu gehen, die nach wie vor sehr<br />

großen Zuspruch innerhalb des Volkes genießt.<br />

Politisch aktive Leute vor Ort berichten,<br />

daß dieses Oppositions- und Demonstrationsbündnis<br />

eigentlich nur durch die<br />

gemeinsame Ablehnung der Person Orbáns<br />

zusammengehalten wird.<br />

Neben Fidesz hat sich in Ungarn außerdem<br />

die deutlich radikalere rechte Jobbik-Partei<br />

etabliert, die vom dem erst 36 Jahre alten<br />

Gábor Vona mitgegründet und geleitet<br />

wird. Jobbik ist seit ihrer Gründung im Jahr<br />

2003 zu einer Partei aufgestiegen, die sich<br />

jenseits der 20-Prozent-Marke etablieren<br />

und hinter Fidesz sowie einem politischen<br />

Linksblock als ernstzunehmende Kraft festsetzen<br />

konnte. Interessant ist auch ihre bis<br />

heute enge Verbundenheit zu den Universitäten<br />

des Landes. Einst als national-patriotische<br />

Hochschulgruppe entstanden, ist<br />

Jobbik laut einer Umfrage aus dem Jahr<br />

2014 die beliebteste Partei unter der Studentenschaft<br />

des Landes und dominierend<br />

in deren Vertretungen. Jobbik selbst versteht<br />

sich als eine „werteorientierte, konservative,<br />

aber radikal agierende, christliche<br />

und patriotische“ Partei. Die mittlerweile<br />

drittstärkste ungarische Partei erfährt<br />

aus dem Ausland immer wieder Kritik, weil<br />

ihre Ziele und Symbolik stark an die faschistischen<br />

ungarischen Pfeilkreuzler erinnere.<br />

Im Gegensatz zu anderen etablierten rechten<br />

Parteien überrascht Jobbik immer wieder<br />

durch sehr spezielle Aussagen. So bezeichnete<br />

etwa der Jobbik-Abgeordnete<br />

Márton Gyöngyösi den französischen Front<br />

National, den niederländischen Politiker<br />

und Islamkritiker Geert Wilders, die österreichische<br />

FPÖ sowie den flämischen<br />

Vlaams Belang in einem Interview mit der<br />

Budapest Times als „Zionisten“ und warf ihnen<br />

vor, durch ihren Haß auf den Islam zu<br />

verkennen, wer der wahre Feind sei: Liberalismus<br />

und Zionismus. Besagte rechte Parteien<br />

meiden den Kontakt zu Jobbik.<br />

Auch in Ländern wie Rumänien oder der<br />

Slowakei kann man eine Stärkung von patriotischen<br />

und/oder nonkonformen Gruppen<br />

ausmachen. In Rumänien ist neben der<br />

„Großrumänischen Partei“ auch die junge<br />

aktivistische Partei „Neue Rechte“ (Noua<br />

Dreapta) mit ihren aktuellen und modernen<br />

Veranstaltungen auf einem Erfolgsweg. Erste<br />

kommunale Wahlergebnisse machen<br />

dies deutlich. Was jedoch auch bis heute<br />

ein Problem bei einer Kooperation der patriotischen<br />

Kräfte darstellt, sind die andauernden<br />

Grenzstreitigkeiten zwischen Ungarn<br />

und Rumänien. Hier kommen immer<br />

wieder – vor allem unter Rechten – Forderungen<br />

nach Gebietsrückgaben auf, was<br />

eine Zusammenarbeit aus internationaler<br />

Sicht erschwert.<br />

In der Slowakei kann man neben einer konservativ-katholisch<br />

geprägten Grundstimmung<br />

auch mit der „Slowakischen Nationalpartei“<br />

(SNS) eine Kraft ausmachen, die<br />

sich den Werten und Traditionen des Landes<br />

verbunden fühlt. Positiv ist hier zu nennen,<br />

daß die SNS in freundschaftlichem, kooperativen<br />

Kontakt mit den österreichischen<br />

Freiheitlichen steht. Zwar scheiterte<br />

bei der letzten Europa-Wahl der Einzug ins<br />

Europaparlament knapp, doch ist auch in<br />

der Slowakei aus patriotischer Sicht eine<br />

positive Grundstimmung zu erkennen. Die<br />

katholische Kirche des Landes unterstütze<br />

etwa die patriotischen Kräfte bei ihrem Referendum<br />

gegen die Einführung beziehungsweise<br />

Gleichstellung der Homo-Ehe<br />

und zeigte somit auf, daß Patriotismus und<br />

Kirche durchaus eine Einheit bilden können.<br />

Jedoch gibt es mit „Demo für alle“<br />

auch in Deutschland eine ähnliche Organisation,<br />

die für christliche Werte und die<br />

traditionelle Familie auf die Straße geht.<br />

Neben Stuttgart – die grün-rote Landes -<br />

regierung plante eine umfassende<br />

„Reformierung“ der Erziehung – waren<br />

diese auch in anderen Städten organisiert<br />

worden.<br />

Abschließend läßt sich sagen, daß die<br />

Skepsis gegenüber der EU, ihren Repräsentanten<br />

und der von ihnen ausgehenden<br />

Bürokratie, auch in Osteuropa wächst.<br />

Wenn man das Auftreten oder Engagement<br />

in jenen Ländern vergleicht, ist diese<br />

durchaus „handfester“ oder auch radikaler<br />

als jene Kritik, die von Parteien wie der<br />

Alternative für Deutschland (AfD) geübt<br />

wird. Osteuropa steht definitiv vor<br />

einer interessanten Entwicklung, die man<br />

aus deutscher Sicht zukünftig verfolgen<br />

sollte.<br />

Der „Friedensmarsch“ am 29. März 2014 versammelte zehntausende Unterstützer des Fidesz-Vorsitzenden<br />

Viktor Orbán.<br />

Derzsi Elekes Andor/wikimedia/CC<br />

Armin Allmedinger<br />

(Rheinfranken Marburg 2012)<br />

18 Heft 1 - <strong>2015</strong>

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