Burschenschaftliche Blätter 2015 - 1
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Essay<br />
Der Krieg und das Volk<br />
<strong>Burschenschaftliche</strong><br />
<strong>Blätter</strong><br />
Der Krieg hat eigene Regeln. In einem Konfliktfall<br />
gelten zwischen beiden beteiligten<br />
Parteien bilaterale Abkommen mittels<br />
Selbstverpflichtungen, wobei heutzutage<br />
von dem Grundsatz ausgegangen wird,<br />
daß nur Staaten als offizielle Vertragspartner<br />
gelten. Dies begünstigt den Status quo<br />
und benachteiligt neue Bewegungen, die<br />
dann als „Terroristen“ oder „radikale, gewaltbereite<br />
Extremisten“ von bisher bestehenden<br />
Organisationsformen tituliert werden.<br />
Aber was macht einen Staat nun zu einem<br />
Staat und was ist demgegenüber Terrorismus?<br />
Nach der Drei-Elemente-Theorie verfügt<br />
ein Staat über ein Staatsgebiet, ein<br />
Staatsvolk und eine Staatsgewalt. Der akademischen<br />
Ansicht nach strebt ein Terrorist<br />
nicht danach, einen Staat zu errichten. Hiervon<br />
unterscheidet er sich vom Freischärlertum,<br />
welches das Ziel hat, einen Staat zu<br />
begründen. Historisch für Deutschland sind<br />
beispielsweise für ein solches Freischärlertum<br />
die Freiwilligenverbände im Kampf gegen<br />
Napoleon 1813, die Kämpfer der Märzrevolution<br />
1848/49 und die Freikorps nach<br />
dem Ersten Weltkrieg, also historisch jene<br />
Gruppen, auf die sich Burschenschaften berufen.<br />
So das Selbstbild und die juristische<br />
Betrachtung. Anders das Bild von Politik<br />
und Medien. Hier gibt es keine idealisierten<br />
Freischärler, nur Terroristen – außer man ist<br />
gerade selbst Unterstützer dieser Freischärler.<br />
Daher sind im Konflikt in Syrien die Kurden<br />
Freischärler und der Islamische Staat<br />
(IS) Terroristen, also die Kurden die Guten<br />
und der IS die Bösen. Aber was macht eine<br />
Gruppe gut oder böse? Sind es Gewalt -<br />
Während der Besetzung des Iraks wurden Insassen<br />
des Abu-Ghuraib- Gefängnisses vom US-amerikanischen<br />
Wachpersonal mißhandelt, vergewaltigt und<br />
gefoltert – oft bis zum Tod.<br />
akte, die Ansichten über die Behandlung<br />
der „Anderen“, der Standpunkt zur Demokratie?<br />
Ein Atombombenabwurf verursacht<br />
mehr Tote als das Niederbrennen einer<br />
Kleinstadt. Berichte über die Behandlung<br />
von Gefangenen in Guantanamo oder Abu<br />
Ghuraib dokumentieren genauso Folter,<br />
wie die Behandlung der amerikanischen<br />
Gefangenen durch die Nordvietnamesen.<br />
Trotzdem sind die Amerikaner die Guten.<br />
Bleibt also die Demokratie. Wie wir alle wissen,<br />
ist die republikanische, parlamentarische<br />
Demokratie die beste Staatsform die<br />
es je gab und die es je geben wird. Menschen,<br />
die nicht in einer solchen Demokratie<br />
leben oder sie erstreben sind dumm.<br />
Daher waren die Deutschen vor 1945<br />
dumm, ungebildet und menschenverachtend.<br />
Erst die Amerikaner haben uns die<br />
Weißheit und Erleuchtung gebracht. Endlich<br />
durften wir diese Weißheit mit Löffeln<br />
fressen. So jedenfalls erzählen es Schule<br />
und Medien, und da heute die Generation,<br />
die die Zeit vor 1945 erlebt hat, rar wird,<br />
glaubt man diese Geschichten nur zu gern,<br />
ja man schmückt sie sogar mit neuen „Erkenntnissen“<br />
aus.<br />
Krieg für die Freiheit?<br />
Daher auch das deutsche Verständnis über<br />
Krieg: Nie wieder Krieg! Friede-Freude-Eierkuchen.<br />
Nur leider sind nicht alle Menschen<br />
auf der Welt zu dieser glorreichen Erkenntnis<br />
der Beliebigkeit und grenzenlosen<br />
Toleranz gekommen, sondern haben noch<br />
Ideale. Ideale, für die sie bereit sind zu<br />
kämpfen und sogar zu sterben. Das versteht<br />
der „Neue Mensch“ in der westlichen<br />
Welt natürlich nicht, für ihn gilt nur sein Verständnis<br />
von Menschenrechten und Staatsauffassung.<br />
Er tituliert es dann „Toleranz“<br />
gebenüber Anderen, meint aber in Wirklichkeit<br />
nur Toleranz für die, die genauso<br />
denken, wie er. Dementsprechend fehlt jedes<br />
Verständnis dafür, wie Leute den Islamischen<br />
Staat, ein nationalsozialistisches<br />
Deutschland oder ein bolschewistisches<br />
Rußland stützen konnten. Es ist die Auffassung,<br />
daß Freiheit nur die Freiheit des Einzelnen<br />
ist und die Negierung der Freiheit<br />
der Masse. Leider ist eine solche Auffassung<br />
auch schon in den Köpfen mancher<br />
Burschenschafter verankert. Freiheit meint<br />
eben nicht nur die Freiheit eines einzelnen<br />
Individuums in Deutschland sich frei entfalten<br />
zu können, sondern auch die Freiheit<br />
des gesamten deutschen Volkes. Das waren<br />
auch die Gründe, wieso man historisch<br />
gesehen als Burschenschafter zur Waffe gegriffen<br />
hat und die Speerspitze der Freiheit<br />
gebildet hat, auch wenn man dafür in Kauf<br />
nehmen mußte, die Freiheit des Einzelnen<br />
zugunsten einer übergeordneten Freiheit<br />
zu beschränken. Und genau ein solches<br />
Denken macht das Soldatentum aus. Man<br />
schränkt die Freiheit des einzelnen Soldaten<br />
ein, zu entscheiden, ob und wo er<br />
kämpfen, siegen oder fallen wird, weil er einem<br />
übergeordneten Ziel, für die Freiheit<br />
des Volkes dient. Folgt er nicht diesem<br />
Ideal, kann stellt er sich außerhalb seines<br />
Volkes. Auch im zivilen Leben stellt sich<br />
eine solche Frage, handelt man nur aus<br />
egoistischen Motiven oder nützt das, was<br />
man tut, auch der Mehrheit?<br />
Eine solche Mehrheit zu repräsentien ist die<br />
Aufgabe des Staates. Hierbei ist nicht revalant<br />
die quantitaive Mehrheit, also aller<br />
Bewohner des Staatsgebietes, sondern die<br />
qualitative Mehrheit, also die Mehrheit derer,<br />
die für den Staat stehen. Die besten<br />
Beispiele hierfür sind Sparta und das ursprüngliche<br />
Rom, zwei Staaten, deren Bürger<br />
über eine Mehrheit von Nicht-Bürgern<br />
herrschten. Konsequenterweise zogen sie<br />
auch nur ihre eigenen Bürger zum vollwertigen<br />
Militärdienst heran, da nur diese ihre<br />
Idee eines Staates vertreten konnten. Unterworfene,<br />
aber akzeptierte Völker taten<br />
hierbei nur flankierende Kriegsdienste. Den<br />
Unterschied hierzu bilden Söldner, die keinen<br />
unmittelbaren Bezug zu dem Land haben<br />
müssen, für das sie kämpfe, sondern<br />
für die das Soldatensein ein Beruf ist. Fragt<br />
man heute einen deutschen Soldaten nach<br />
seiner Motivation, wird er oft zweites betonen,<br />
da ersteres als verwerflich gilt und er<br />
mit dienstlichen Konsequenzen zu rechnen<br />
hat. Daher steht erste Gruppe für das Volk<br />
und zweite Gruppe für die Regierung. Söldner<br />
können dementsprechend problemlos<br />
auch gegen das von dem Staat der Idee<br />
nach zu repräsentierende Volk und für im<br />
Volk unpopoläre Kriege eingesetzt werden.<br />
Jedoch bergen Söldner für die Regierung<br />
die Gefahr, daß sich die Söldner gegen sie<br />
wendet, wenn sie nicht entsprechend entlohnt<br />
werden. Für Rom und viele mittelalterliche<br />
Fürsten war dies der Untergang.<br />
Entscheidene Kriegsfaktoren<br />
Wie führt man einen Krieg aus? Hier ist zu<br />
unterscheiden, welches Ziel man verfolgt:<br />
Brutale Kriege mit vielen Opfern unter der<br />
Zivilbevölkerung ereignen sich zumeist,<br />
wenn man eine expansive Politik betreibt,<br />
weniger zivile Opfer ereignen sich, wenn<br />
die zivile Gruppe als Teil der Eigenen gesehen<br />
wird. Am Russischen Bürgerkrieg kann<br />
man ersteres gut ablesen. Er mußte entsprechend<br />
blutig und mit Terror geführt<br />
werden, weil beide Seiten keinen entsprechenden<br />
Rückhalt beim Volk hatten und<br />
sich erst „ihr Volk“ bilden mußten. Vergewaltigungen,<br />
Massenhinrichtungen und<br />
Verbannungen sind daher nicht als Neben-<br />
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