BOLD THE MAGAZINE No.68
EXKLUSIV IM INTERVIEW: JOHN MALKOVICH | "TRÜBSAL IST MEIN DING": JAMES BLUNT IM GESPRÄCH | PORSCHE 911: EINE IKONE WIRD 60 | BEST PLACES: BARCELONA | REALITÄT UND FIKTION: GOTTFRIED HELNWEIN EXHIBITION
EXKLUSIV IM INTERVIEW: JOHN MALKOVICH | "TRÜBSAL IST MEIN DING": JAMES BLUNT IM GESPRÄCH | PORSCHE 911: EINE IKONE WIRD 60 | BEST PLACES: BARCELONA | REALITÄT UND FIKTION: GOTTFRIED HELNWEIN EXHIBITION
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INTERVIEW / JOHN MALKOVICH<br />
<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 13<br />
Verwechslungskomödie „Monsieur Blake zu<br />
Diensten“, die am 21. Dezember in die Kinos<br />
kommt, stand er zusammen mit Fanny Ardant<br />
vor der Kamera. In dem Film von Gille Legardinier<br />
spielt er einen Londoner Geschäftsmann,<br />
der nicht ganz freiwillig als Butler einer<br />
französischen Gutsherrin anheuert.<br />
Wir baten um ein Gespräch und treffen John<br />
Malkovich zur Weltpremiere von „Seneca“ ...<br />
Mr. Malkovich, was war Ihre erste Reaktion,<br />
als der deutsche Regisseur Robert<br />
Schwentke bei Ihnen mit einem Drehbuch<br />
über den altrömischen Philosophen Seneca<br />
anklopfte?<br />
Ich war direkt neugierig, denn schon in der<br />
allerersten Drehbuchfassung steckte sehr viel<br />
Interessantes. Außerdem kannte ich Robert:<br />
Wir hatten ja bereits zusammengearbeitet,<br />
was mir viel Spaß gemacht hat. Man kann mit<br />
ihm wunderbar diskutieren, denn er ist enorm<br />
klug und belesen. Und sehr ernsthaft und<br />
klarsichtig in dem, was er will und was ihn<br />
interessiert.<br />
Ihr erster gemeinsamer Film, die Actionkomödie<br />
„R.E.D.“, könnte allerdings kaum<br />
weiter von dem entfernt sein, was Schwenkte<br />
nun mit „Seneca“ im Sinn hatte ...<br />
Beim Filmfestival in San Sebastián sah ich<br />
2017 seinen Film „Der Hauptmann“, der mich<br />
enorm beeindruckt hat, und ich war erfreut<br />
zu sehen, dass „Seneca“ nun in eine ähnliche,<br />
anachronistische Richtung geht. Ergänzt<br />
um den Aspekt des Theaters, was ich natürlich<br />
auch spannend fand. Ich war mir nicht<br />
sicher, ob er ein solches Projekt je finanziert<br />
bekommen würde, aber er schickte mir mit<br />
der Zeit immer neue Drehbuchversionen, ich<br />
blieb weiter interessiert, und vergangenes Jahr<br />
konnten wir dann tatsächlich drehen.<br />
Angesichts des anachronistischen Ansatzes<br />
und der Theatralik des Films mussten Sie<br />
sich vermutlich für Ihre Rolle mit dem<br />
realen Seneca gar nicht zwingend auseinandersetzen,<br />
oder?<br />
Ich war mit Seneca natürlich durchaus<br />
vertraut, hatte seine Stücke damals im Studium<br />
im einen oder anderen Theatergeschichte-Kurs<br />
gelesen und sicherlich auch mal die eine oder<br />
andere Szene daraus gespielt. Aber davon<br />
abgesehen davon habe ich vor allem mit der<br />
Vision von Seneca und seiner Zeit gearbeitet,<br />
die Robert und sein Ko-Autor Matthew Wilder<br />
im Skript entworfen hatten. Da habe ich hier<br />
und da meinen Senf dazugegeben, denn für<br />
mich geht es beim Filmemachen vor allem<br />
darum, in einem Drehbuch die Schwächen so<br />
gut wie möglich zu reduzieren und die Stärken<br />
auszubauen. Was manchmal besser und<br />
manchmal weniger gelingt. Um nun aber Ihre<br />
Frage zu beantworten: Wochenlang Biografien<br />
über den echten Seneca zu lesen empfand ich<br />
in diesem Fall nicht als nötig.<br />
„Seneca“ ist auch eine Geschichte über totalitäre<br />
Herrscher und die gierig-opportunistischen<br />
Eliten, die ihnen zusehen, ohne<br />
etwas gegen sie zu tun. Der perfekte Film<br />
also für unsere heutige Zeit?<br />
Wenn Sie so wollen … So wie Sie es gerade<br />
beschrieben haben, erzählt „Seneca“ ja nichts<br />
Neues. Eigentlich gibt es an den Mechanismen,<br />
die solche Herrscher begünstigen,<br />
nichts zu deuteln; wie das funktioniert, ist<br />
nun wirklich hinlänglich bekannt. Trotzdem<br />
scheinen es immer noch nicht alle verstanden<br />
zu haben, denn viele Leute scheinen immer<br />
noch in irgendwelchen Wolken zu leben.<br />
Wie auch immer, ich habe schon lange kein<br />
großes Vertrauen mehr in unsere sogenannten<br />
Eliten. Und das sicherlich aus<br />
gutem Grund.<br />
Und wie steht es mit der Kunst? Setzen Sie<br />
in diese noch die Hoffnung, dass sie uns vielleicht<br />
noch retten könnte?<br />
Die Kunst ist mit der Wahrheit verheiratet,<br />
um es mal so zu sagen. Das im Hinterkopf<br />
habend, glaube ich eigentlich nicht, dass wir<br />
überhaupt gerettet werden können. Wie sagte<br />
schon Beckett? Du befindest dich auf der Erde,<br />
dagegen gibt’s keine Heilung. Ich rechne also<br />
nicht mit Rettung. Aber wir können darauf<br />
hoffen, dass die Kunst uns die Binden von den<br />
Augen nimmt und wir zu sehen beginnen.<br />
Wobei das natürlich nur jene Kunst kann, die<br />
sich der Wahrheit verschrieben hat und nicht<br />
irgendwelchen Ideologien.<br />
Dass Sie Beckett zitieren, passt zu Ihrem<br />
Image des gebildeten Intellektuellen, der<br />
seine Theaterklassiker in- und auswendig<br />
kennt. Sind Sie schon umgeben von Kunst<br />
und Philosophie aufgewachsen?<br />
Nicht unbedingt. Wobei meine Eltern durchaus<br />
intellektuell waren, vor allem meine Mutter.<br />
Ihrer Familie gehörte die Regionalzeitung, die<br />
in unserer Ecke von Illinois erschien. Und