Télécharger le livret - Outhere
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immer wieder Chopin-Klänge lange vor dem<br />
großen Po<strong>le</strong>n. – Schuberts Klaviersatz ist von<br />
einer verblüffenden Vielfältigkeit. Grundlage ist<br />
in den meisten Fäl<strong>le</strong>n ein »stimmiger« Satz, der<br />
aus einem imaginären Streichquartett stammen<br />
könnte. Bei dem »Arrangement« eines<br />
solchen Satzes muß es notwendigerweise zu<br />
Kompromissen mit den Greifmöglichkeiten zweier<br />
Klavierhände kommen. Das ist bei Beethoven<br />
nicht anders als bei Schubert und betrifft<br />
meistens die Gestaltung der Beg<strong>le</strong>itstimmen.<br />
Während man nun bei Beethoven diese k<strong>le</strong>inen<br />
Ungeschicklichkeiten gnädig übersah, wurden<br />
sie bei Schubert meist mit der Begründung angeprangert,<br />
er sei eben kein so guter Pianist wie<br />
Beethoven gewesen – was auch stimmte. Nur<br />
hat das mit dem Komponieren herzlich wenig<br />
zu tun! Einer der sch<strong>le</strong>chtesten Klavierspie<strong>le</strong>r<br />
unter den großen Komponisten war erwiesenermaßen<br />
Maurice Ravel! ihm hat noch niemand<br />
sch<strong>le</strong>chten Klaviersatz vorgeworfen. Aber noch<br />
knapp vor seinem Tod (1975) schrieb der sonst<br />
um Schubert so verdienstvol<strong>le</strong> Maurice E. Brown,<br />
daß es in Schuberts Klaviersonaten ge<strong>le</strong>gentlich<br />
zu »failures«, Versagern, gekommen sei. (Musical<br />
Times, London, Oktober 1975). Es ist zwar richtig,<br />
daß jeder Pianist mit einem einigermaßen guten<br />
Klangsinn sich bei einigen solcher Beg<strong>le</strong>itfiguren<br />
schwer tut, etwa bei den Albertifiguren und den<br />
engen Dreiklangzer<strong>le</strong>gungen in den Ecksätzen der<br />
<strong>le</strong>tzten B-Dur-Sonate. Aber jeder Versuch, sie<br />
etwa im Sinne Chopins zu »verbessern«, klangschöner<br />
zu gestalten, würde einem unzulässigen<br />
Eingriff in die Gesamtstruktur g<strong>le</strong>ichkommen.<br />
114<br />
Nein, da gibt es nichts zu verbessern und auch<br />
nicht zu bemängeln. Schubert, der schon längst<br />
mit »weiten Lagen« experimentiert hatte (z.B. in<br />
D571 und D 625) kehrt hier anscheinend bewußt<br />
zur <strong>le</strong>tzten Einfachheit zurück wie etwa Beethoven<br />
in seinen späten Bagatel<strong>le</strong>n. »Mozartisch«<br />
könnte man dieses Prinzip nennen. Und auf den<br />
zeitgenössischen Hammerflügeln klingen einige<br />
dieser »Versager« oft unsagbar schön.<br />
Heute würde ein Verg<strong>le</strong>ich mit Beethovens<br />
Klaviersonaten sicher anders ausfal<strong>le</strong>n als vor 100<br />
Jahren, als etwa die Hälfte von Schuberts Sonaten<br />
unbekannt war und niemand imstande war, sie<br />
gut zu spie<strong>le</strong>n. Ein Beweis für die Unfähigkeit der<br />
damaligen Pianisten, mit Schubert etwas anzufangen,<br />
liegt in der Tatsache, daß in den erhaltenen<br />
Konzertprogrammen um die Jahrhundertwende<br />
Schuberts Klaviersonaten praktisch abwesend sind,<br />
ebenso in den Lehrplänen der Konservatorien (bis<br />
heute so in italien und Spanien). Schubert galt als<br />
uninteressant.<br />
Schubert starb mit 31 Jahren. Ein vernünftiger<br />
Verg<strong>le</strong>ich mit Beethoven sollte zunächst von der<br />
Frage ausgehen: Was hat Beethoven bis zu seinem<br />
31. Lebensjahr an Klaviersonaten geschaffen? Nicht<br />
wenig, und zweifellos einige Meisterwerke. Stellt<br />
man nun das gesamte Sonatenschaffen Schuberts<br />
dagegen, so erscheint dieses gewichtiger, ja bedeutender<br />
als Beethovens Sonaten bis zum Alter von 31<br />
Jahren. Einen guten Verg<strong>le</strong>ichsmaßstab geben die<br />
Finalsätze der Beethoven-Sonate G-Dur opus<br />
31/i und der Schubert-Sonate A-Dur, D 959 ab.<br />
Beethoven komponierte die G-Dur-Sonate opus<br />
31/i für den Ver<strong>le</strong>ger Nägeli im Jahr 1801/2, war also