Télécharger le livret - Outhere
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folgte. (Deshalb bietet eine stilistisch »richtige«<br />
Rekonstruktion den feh<strong>le</strong>nden Reprise keine<br />
schwerwiegenden Prob<strong>le</strong>me). Viel<strong>le</strong>icht gab es<br />
aber gerade in dieser Sonate doch einen besonderen<br />
Grund dafür, warum Schubert sie nicht<br />
druckfertig machte: »Angst vor der eigenen<br />
Courage«. Es wäre denkbar, daß die vie<strong>le</strong>n kühnen,<br />
ja extravaganten Neuerungen in Schubert einen<br />
Zweifel aufkommen hätten lassen, ob man derg<strong>le</strong>ichen<br />
einem Publikum von 1818, mitten in der<br />
Restauration, zumuten könnte.<br />
∆<br />
Sonate Nr. 11, f-Moll, D 625/505<br />
(1818)<br />
ein »futuristisches« Werk<br />
im Scherzo dieser Sonate kommt zweimal<br />
das hohe viergestrichene gis vor, eine Note, die<br />
es damals noch auf keinem Klavier gab, Schubert<br />
schrieb sie auch im kurz danach komponierten<br />
Forel<strong>le</strong>n-Quintett D 667 vor, wo sie aber im<br />
(posthumen) Ersdruck weggelassen wurde. Selbst<br />
Chopin, der Schubert um 21 Jahre über<strong>le</strong>bte, hat<br />
diese Note kein einziges Mal notiert. Schubert, der<br />
bekanntlich am Schreibtisch komponierte, war sich<br />
viel<strong>le</strong>icht dieser »Grenzüberschreitung« nicht einmal<br />
bewußt (oder hoffte er, daß die Klavierbauer<br />
den Tonumfang ihrer instrumente bald erweitern<br />
würden?). in seinen späteren Klavierwerken hat er<br />
aber das hohe »f« als höchstmögliche Note auf den<br />
Wiener Klavieren respektiert.<br />
Diese Überschreitung des möglichen<br />
Tonumfanges ist symptomatisch für einen geradezu<br />
revolutionären stilistischen Aufbruch.<br />
136<br />
Kennzeichnend sind ein virtuoser, weitgriffiger<br />
Klaviersatz und eine »unbegrenzte Modulation«<br />
in entfernteste Tonarten unter stärkerer<br />
Einbeziehung von Chromatik und Enharmonik.<br />
G<strong>le</strong>ichzeitig wird die Form straffer, konziser<br />
und arbeitet mit <strong>le</strong>itmotivischen Beziehungen<br />
zwischen den Satztei<strong>le</strong>n. So etwa wird das<br />
Seitenthema des 1.Satzes aus dem Tril<strong>le</strong>rmotiv<br />
des Hauptthemas entwickelt, und im Scherzo<br />
dient das abschließende Motiv als melodischer<br />
Keim des Trios. Vor al<strong>le</strong>m aber ist der emotionel<strong>le</strong><br />
Gehalt so romantisch, daß man sich manchmal in<br />
die Klangwelt Chopins versetzt meint.<br />
Das »wilde« Scherzo und noch mehr der<br />
Unisono-Anfang des Fina<strong>le</strong>s wirken wie eine<br />
Vorahnung von Chopins B-Moll Sonate opus<br />
35, deren <strong>le</strong>tzter Satz übrigens mit derselben Note<br />
f beginnt. Fast möchte man glauden, daß Chopin<br />
diese Sonate Schuberts gekannt hätte. Dies ist aber<br />
kaum möglich, weil sie erst 1897, 48 Jahre nach<br />
Chopins Tod, erstmalig gedruckt wurde. Schubert<br />
dürfte einfach Entwicklungen vorausgeahnt haben,<br />
die sich früher oder später vollziehen mußten. Seine<br />
Zeit war aber noch nicht reif dafür. Wohl aus diesem<br />
Grund hat Schubert diesen Weg zunächst nicht<br />
weiter beschritten und fand kurz danach zu seinem<br />
bekannten persönlichen episch-dramatischen<br />
Sonaten-Stil. Erst im Todesjahr 1828 bahnte sich<br />
mit dem unheimlichen, erst vor kurzem aufgefundenen<br />
Symphonie-Fragment in D-Dur ein<br />
neuerlicher Aufbruch an, der wohl die Früchte von<br />
1818 geerntet hätte…<br />
Doch zurück zur F-Moll Sonate. Noch<br />
in einer anderen Hinsicht nimmt sie Chopins