Télécharger le livret - Outhere
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Grande Sonate bezeichnet wurde.<br />
Offensichtlich ging es Schubert darum, dem<br />
vielfältigen Komp<strong>le</strong>x »Sonate« neue Aspekte abzugewinnen.<br />
Dies ist ihm vollauf gelungen: Schon<br />
beim ersten kraftvol<strong>le</strong>n Unisonoeinsatz befinden<br />
wir uns in Neuland. Zeigt etwa der Anfang der<br />
Es-DurSonate melodische Ähnlichkeiten mit<br />
Mozarts Sonate in B-Dur KV 570 oder mit dem<br />
Beginn von Beethovens Eroica-Symphonie<br />
auf, so strebt das HDur-Thema jugendlich<br />
ungestüm nach oben, vom Grundton H bis zur<br />
Duodezim fis, um dann tief hinunterzustürzen:<br />
Da wird Bruckner vorausgeahnt, dessen Themen<br />
oft auch einen ungewöhnlich großen Ambitus<br />
aufweisen. Nach der heiteren, besänftigenden, die<br />
Tonart bekräftigenden Antwort kommt der nächste<br />
energische Einsatz des Kopfmotivs g<strong>le</strong>ichsam<br />
ungeduldig einen halben Takt »zu früh« und<br />
schwingt sich im Unisono bis zur k<strong>le</strong>inen None c<br />
auf: Die nacheinander klingenden Noten H-dis-c<br />
ergeben eindeutig einen Dominantakkord von<br />
e-moll oder E-Dur. Jeder musikalisch gebildete<br />
Mensch würde daher als Folge eine dieser beiden<br />
Harmonien erwarten. Doch es kommt anders.<br />
Da die Kühnheit der Harmoniefolgen in dieser<br />
Sonate die wichtigste Neuerung Schuberts bedeutet,<br />
darf sie hier nicht unerwähnt b<strong>le</strong>iben. Dazu ist<br />
aber <strong>le</strong>ider Fachsimpe<strong>le</strong>i nicht zu umgehen. Der<br />
musikalisch nicht vorgebildete Leser möge dies<br />
entschuldigen und ruhig den nun folgenden Absatz<br />
überspringen, es wird noch genug zu sagen sein,<br />
was auch für den Laien verständlich sein dürfte.<br />
Die None H-c ist eine »harte« Dissonanz.<br />
Jahrhundertelang war man der Meinung gewe-<br />
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sen, daß der Baß, die Basis, so wichtig sei, daß sich<br />
die Sopranstimme c in die Konsonanz h auflösen<br />
müsste. Denn Dissonanzen dürfen nicht ungelöst<br />
im Raum schweben. Schubert aber dachte anders:<br />
»Warum soll nicht einmal der Baß »nachgeben«<br />
und nicht seinerseits den nötigen Halbtonschritt<br />
zur Auflösung der Dissonanz machen, also vom H<br />
zum C gehen? in der Musik ist diese Umkehrung<br />
al<strong>le</strong>r Werte eine kopernikanische Revolution.<br />
Metaphorisch ließe sich sagen, Schubert habe<br />
als erster das absolute Privi<strong>le</strong>g des Mannes, des<br />
Basses, in Frage gestellt. Und so geht es nicht in<br />
E, sondern in C-Dur weiter. Dieses C-Dur ist aber<br />
nicht Ziel, sondern bloß Übergang nach G-Dur,<br />
der Tonart des sogenannten Über<strong>le</strong>itungstei<strong>le</strong>s,<br />
ein G-Dur, das durch die Mollsexte »es« einen<br />
schwebenden, melancholischen Charakter erhält.<br />
Schließlich mündet die Über<strong>le</strong>itung über<br />
e-moll nach E-Dur, der Tonart des Seitenthemas.<br />
Dies ist eine der grossen Neuerungen Schuberts:<br />
Von den beiden Gegenpo<strong>le</strong>n zur Tonika,<br />
Dominante und Subdominante war bisher in der<br />
gesamten Musikentwicklung vor Schubert die<br />
Unterdominante sträflich vernachlässigt worden.<br />
Sie galt bloß als eine Art »Stütze« der übrigen<br />
Harmonien und durfte nur als »Gast« ge<strong>le</strong>gentlich<br />
in der Durchführung oder Coda eines Satzes<br />
zu Wort kommen. Schubert hat ihr als sanften<br />
Gegenpol zur meist aktiven Dominante eine<br />
neue Bedeutung zugewiesen. Nachdem sich die<br />
Subdominante E-Dur im Seitenthema fröhlich etabliert<br />
hat, mündet sie aber doch in die traditionel<strong>le</strong><br />
Dominanttonart Fis-Dur, der Schlußgruppe, ein.<br />
Die Anhäufung ungewöhnlicher Harmoniefolgen