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Industrieanzeiger 05.2020

technik & wissen

technik & wissen Thermoplastische Composites werden günstiger und virtuoser Prepreg direkt aus der Weberei Composite-Fertigung | Mit einem neuartigen, thermoplastisch infiltrierten Verstärkungsgewebe will Delcotex den Markt der Faserverbundtechnik auf - mischen. Die Prepregs für Automotive und andere Branchen gibt es günstig und in sehr frei gestaltbaren Geometrien, auch als Gitter. ❧ Olaf Stauß Ganz unterschiedliche Geometrien und Webstrukturen sind möglich. Beispiele für laminierte und umgeformte Prepregs des Typs „DeliComp“. Bilder: Delcotex „Wir sind technische Weber“, sagt Thomas Stark, seit rund fünf Jahren Geschäftsführer bei Delcotex, genauer der Delius Techtex GmbH & Co. KG. Die Wurzeln gehen bis auf 1722 zurück, als Johann Caspar Delius eine Leinenhandlung gründete, die im 19. Jahrhundert zur Maschinenweberei wurde – und sich noch heute im Familien - besitz befindet. Das textile Know-how ist schon immer da, mit Kunststoff hatte das Unternehmen nichts zu tun. Bis Stark die Idee hatte, Prepregs für Composites herzustellen, aber anders als bisher üblich: Das Verstärkungsgewebe sollte im eigenen Hause gewoben und mit Thermoplasten infiltriert werden. „Wir wollten die Prepregs in einem einzigen Prozess produzieren.“ In einem inzwischen patentierten Infusionsverfahren gelingt es Delcotex, die gewobenen Gewebe so zu tränken, „dass jedes einzelne Filament im Roving von der thermoplastischen Matrix durchdrungen und ummantelt wird“. Das entstehende Gewebe hat bereits seine endgültigen mechanischen Eigenschaften. Dies schafft sehr gute Voraussetzungen für die weitere Verarbeitung der „DeliComp“-Prepregs, beispielsweise als Einleger im Spritzguss, als Laminate oder generell in der Composite-Fertigung. Maßgeschneiderte Verstärkungsgewebe Ein mindestens ebenso großer Vorteil ist, dass die Technologie den Webern alle Freiheiten belässt, die zum Weben gehören. Die Bielefelder sind in der Lage, maßgeschneiderte Prepregs herzustellen, die in Material, variierender Rovingstärke und geometrischer Auslegung auf die Anwendung und ihre Lastfälle zugeschnitten sind – auf Maß konfektioniert per Laser. Sogar Gitterstrukturen lassen sich realisieren. Gitter als Prepregs eignen sich besonders gut, um Spritzgussteile zu verstärken, weil die Schmelze sie leicht umfließt und anbindet. Das Einlegen der ausreichend steifen Gewebe in die Form übernimmt der Roboter. Hochfeste Garne wie Textilglas, Aramid oder Basalt lassen sich einsetzen. Auch Hybridgewebe aus verschiedenen Garnen sind möglich. Die DeliComp-Gewebe lassen sich entweder kalt ins Werkzeug einlegen oder über den Schmelzpunkt hinaus erhitzen und schnell umformen. Der Energie - eintrag und die Aufwärmzeit seien deutlich geringer als bei bekannten Composites, heißt es bei Delcotex. Als wichtigste Vorteile der DeliComp- Prepregs hebt Thomas Stark die Form - gebung hervor, die erhöhte Belastbarkeit bei reduziertem Materialeinsatz und nicht zuletzt die niedrigeren Kosten. Die bisher sehr teure Verarbeitung herkömmlicher Endlosfaser-verstärkter Composites sei eine große Hürde für Großserien gewesen. Nun gebe es die Option, textile Webstrukturen partiell oder vollflächig ins Bauteil einzulegen. Auf der K 2019 im Oktober hatten die Bielefelder ihre Innovation erstmals breiter vorgestellt als Material, das sich für alle Branchen eignet, die Faserverbunde ver - arbeiten. Im Automobilbau soll bereits ein Bauteil mit DeliComp in Serie gehen. Eine Vorserie ist schon ausgeliefert. • 64 Industrieanzeiger 05.20

Insitu-Polymerisation für thermoplastische Composites Dünnflüssig wird hoch belastbar Composite-Fertigung | Die Insitu-Polymerisation bietet große Chancen für leichte Composites: Das dünnflüssige Vorprodukt umspült die trockenen Fasertextilien im Spritzgießwerkzeug und polymerisiert dann in der Form zur Thermoplast-Matrix. Engel hat jetzt ein zweites Reaktivaggregat auf den Markt gebracht. Das neue Reaktivaggregat von Engel Austria deckt ein Matrixvolumen von 10 bis 600 cm³ ab und eignet sich besonders für Technikumsanlagen. Es ergänzt das größere Aggregat mit Matrixvolumina bis 1500 cm³. Beide Aggregate integrieren die komplette Medienversorgung, bauen kompakt und lassen sich mit Engel-Spritzgieß - maschinen aller Baureihen kombinieren. Bei der Insitu-Polymerisation, einem thermoplastischen RTM-Verfahren, werden vorgeformte, trockene Faserpreforms in der Werkzeugkavität mit der reaktiven Matrix infiltriert. Durch die niedrige Viskosität des aufgeschmolzenen ε-Caprolactams werden die trockenen Fasern sehr gut benetzt. Beim Polymerisieren zu Polyamid 6 entsteht dann ein hoch belastbarer Verbund, der sich unmittelbar anschließend im selben Prozess durch Spritzgießen funktionalisieren lässt. Als Antrieb haben sich laut Engel servoelektrische Injektionskolben bewährt, die für ein „absolut synchrones Einspritzen“ der beiden Reaktivkomponenten sorgen und somit für präzise Dosierung und geringe Verweildauer. Eine thermische Schädigung des Materi- als werde so unterbunden. Neu sind magnetgekuppelte Förderschnecken. Sie führen die festen Reaktivkomponenten zu und schützen durch ihre berührungslose Arbeitsweise vor Verschleißpartikeln. Dazu trägt auch bei, dass der Feststoff kontinuierlich und weitestgehend unabhängig vom Einspritzvorgang zudosiert und auf - geschmolzen wird. Bis auf den Moment der Materialübergabe bleiben die Feststoffbevorratung und -förderung von der Aufschmelzzone thermisch und räumlich strikt getrennt, teilt Engel mit. Thermoplastische Composites sind recycelbar Das Einsatzspektrum der Insitu-Polymerisation reicht von kleinen Bauteilen mit dünnen Wanddicken bis zu großflächigen hochbelasteten Strukturbauteilen im automobilen Leichtbau, in der Automobilelektronik, im technischen Spritzguss und im Sportgerätebau. Beim Umspritzen von Metalleinlegern oder Kabeln in sehr kleinen Strukturen kann die Insitu-Polymerisation auch ohne Faserverstärkung vorteilhaft im Vergleich zu anderen Verfahren sein. Der Trend zu thermoplastischen Composites rückt die Technologie verstärkt in den Fokus der Leichtbau - entwickler. Die thermoplastische Materialbasis steigert die Effizienz der Verarbeitungsprozesse und bereitet einem Recycling von Composite-Bauteilen den Weg. Im eigenen Technikum arbeitet Engel mit der Johannes Kepler Universität in Linz und dem Werkzeugbauunternehmen Schöfer kontinuierlich an einer Weiterentwicklung der Technologie, so die Angaben. (os) • Auf die Anlagentechnik kommt es ebenso an wie auf die ausgefeilte Chemie: Engel hat für die Insitu- Polymerisation ein zweites, kompaktes Reaktivaggregat entwickelt. Bild: Engel Industrieanzeiger 05.20 65

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