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Industrieanzeiger 05.2020

Dank seinem großen wie

Dank seinem großen wie kreativen Recruiting-Engagement konnte Klaus Fürst Tamara Müller und Jasmin Pieper für eine Ausbildung im Bereich Metallbau gewinnen. Bild: Jens Gieseler Fachkräftemangel wird selten differenziert betrachtet Selbst gestalten statt klagen Recruiting | Insbesondere in der Industrie wird vielerorts der Fachkräftemangel beklagt. Ein genauer Blick verrät: Ein aktiver Perspektivwechsel wie auch ein effektives Employer Branding können Wunder wirken und Mitarbeiter anlocken. Unternehmer müssen den Kontakt zu jungen Menschen selbst suchen, findet Klaus Fürst. Zwar hält er von Schulkooperationen nicht viel, engagiert sich aber dennoch beim Girls-Day, auf Ausbildungsmessen und ähnlichen Veranstaltungen. Mitunter ist der Inhaber eines kleinen Metallbaubetriebes in solchen Fällen der einzige Handwerker unter Industrieunternehmen. Mit seinem Angebot an interessierte Jugendliche, vor Ort etwas selbst zu machen, sticht er aus der Masse der Unternehmen klar heraus. Seit 2014 entstehen unter seiner An - leitung Metall-Rosen, die in diesem Zusammenhang inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden sind. „Zunächst kann sich keiner der jungen Leute vorstellen, dass er so etwas kann“, berichtet der engagierte Unternehmer, „für viele ist es dann ein richtiger Aha-Moment, wenn sie schlussendlich die fertige Rose mit nach Hause nehmen können.“ Fernab von Klischees und Vorurteilen Dass Klaus Fürst bis vor Kurzem drei weibliche Azubis gleichzeitig hatte, war reiner Zufall. Eine der Metallbau-Azubinen bei Stahl- und Metallbau Fürst ist Tamara Müller. Sie sei froh, dass sie statt vier Tagen jetzt nur noch einmal in der Woche in die Berufsschule muss. „Mir liegt das Praktische mehr“, sagt die Aalenerin in ihrem derzeit zweiten Lehrjahr. Bereits in der Hauptschule lag ihr der Werkstattunterricht. Bohren und fräsen war ihr Ding. Über eine Freundin, die bereits bei Fürst ihre Ausbildung absolvierte, machte Tamara Müller zunächst ein Praktikum. Dann einen zweiwöchigen Ferienjob. „Natürlich musste ich fegen, aber der Chef hat sich auch um mich gekümmert und mich etwas machen lassen“, erzählt die 20-Jährige. Das schöne dabei sei vor allem abends sehen zu können, was man den Tag über getan hat. „Natürlich sind Frauen im Metallbau die Ausnahme“, sagt Fürst. Lediglich 2,4 % beträgt deren Anteil in seiner Branche. Körperlich anstrengend kann der Job schon sein, immerhin verarbeitet der Sechs-Mitarbeiter- Betrieb bis zu 250 Tonnen Stahl jährlich. Doch die Technik ist mittlerweile in vielfältiger Form in die Metallbaubranche eingezogen – Kräne in der Produktionshalle und bei der Montage sind selbstverständlich, genauso wie Bühnen, auf denen gearbeitet wird. Geschleppt, gehoben und getragen wird selten – und wenn, dann sowieso keine zwölf Meter langen Träger. „Im Zweifelsfall bitte ich um Unterstützung“, sagt auch Jasmin Pieper, eine zierliche 21-jährige Azubine, die allerdings ganz schön ehrgeizig und zäh wirkt. Während Klaus Fürst seinen Nachwuchs trotz aller Schwierigkeiten findet, klagen Industrieverbände über den Fachkräftemangel als Wachstumshemmnis. So rechnet das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor, dass aktuell mehr als 200.000 MINT-Facharbeiter 26 Industrieanzeiger 05.20

fehlen, davon 144.000 Gesellen und rund 60.000 Meister und Techniker. Auch bei studierten MINT-Experten existiert eine Lücke von 108.000 Arbeitskräften. Der VDA weiß laut einer Pressemeldung vom April vergangenen Jahres, dass sich in einigen Unternehmen deshalb Produktion und Auslieferung verzögern. Ein Fünftel lehne sogar Aufträge ab, weil ihnen die Fachkräfte fehlen. Dagegen stellte die aktuelle Hays-Studie „Fachkräftemangel in Deutschland“ heraus: Die Klage ist zu pauschal und spiegelt die Realität nicht wider. Gerade Un- Weltleitmesse für industrielle Lackiertechnik 21. – 24. April 2020 Messe Karlsruhe Bei einer Studie des Researchers Top Employer für Ingenieure kam der ostwestfälische Spezialist für Elektrotechnik und Automation − Phoenix Contact − zweimal auf Platz eins. Bild: Phoenix Contact ternehmen der Industrie verharrten in ihrer Opferhaltung, zeigen lieber auf die Versäumnisse der Politik, statt ihre Aufgaben im eigenen Haus zu erledigen. Eine Frage der Perspektive Unbestritten: Der Fachkräftemangel exi stiert. Allerdings wird er größer dargestellt, als er tatsächlich ist, so die Mannheimer Studie. Zwar konstatieren 58 % der 1000 befragten Führungskräfte für die gesamte Wirtschaft einen Mangel an geeigneten Mitarbeitern – wenn diese allerdings auf das eigene Unternehmen schauen, sehen lediglich 54 % die Lage kritisch. Von den Führungskräften die derzeit Personal für ihre eigene Abteilung suchen, finden sogar nur 52 % die Situation prekär. Der Realitätscheck zeigt: Je stärker sich die Befragten mit dem Problem beschäftigen, desto undramatischer scheinen diese die Lage zu bewerten. Nach den Führungskräften aus der Gesundheitsbranche sehen die Maschinen- und Anlagenbauer die Auswirkungen des Fachkräftemangels am kritischsten: 45 % bestätigen, dass Stellen länger unbesetzt bleiben. 37 % sagen, dass sie Positionen nicht optimal besetzen können. Und rund ein Drittel stellt fest, dass die Arbeitsbelastung ihrer Mitarbeiter steigt. „Überraschend ist, dass die IT-Branche, der man allgemein den größten www.paintexpo.com In Kooperation mit: Industrieanzeiger 05.20 27

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