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ocean7 3-2024

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Ankern natürlich. Mittelmeerexperte Markus Silbergasser und seine Buchtentipps abseits des Mainstreams. Unbekannter Kvarner. Wer Krk, Cres, Mali Lošinj und Rab schon kennt, darf auch einmal zu den Inseln im südlichen Kvarner schielen. Bénéteau Oceanis 37.1. Erstaunlich, wie groß inzwischen auch schon die Kleinen geworden sind. Sea Ray SLX 260. Die Perfektionierung der Weekender-Oberklasse zum 65-Jahre-Markenjubiläum. e-DNA. Keine neue Walart, sondern eine neue wissenschaftliche Methode zur Erforschung der Meeressäuger …

Dampf und Segel März

Dampf und Segel März bis Mai 1890: Von Peru nach Tahiti Aus den Reisebriefen von Onkel Alfred. Der Seekadett berichtet jeweils über die vergangenen Tage und Wochen auf der SMS Fasana (von September 1889 bis Dezember 1890). Die Originalschreibweise ist beibehalten, der Text beschränkt sich auf Ausschnitte. DIE FALSCHE LEICHE IM SARG VON PIZARRO Während die SMS Fasana seit 17. März 1890 auf der Reede von Callao ankert, erkundet Seekadett Alfred Winkler die nahe Hauptstadt von Peru, Lima. Diese ist mit Callao durch eine kurze Bahnlinie verbunden und hat im Jahr 1890 rund 175.000 Einwohner. Die kurze Fahrt mit der Bahn beschreibt Alfred ebenso wie die Stadtbesichtigung: Gelegentlich meines Landganges fuhr ich mit einem Kameraden schon in der Früh um 9 Uhr nach Lima. Auf dem Bahnhof in Callao trafen wir unseren Kommandanten, der uns einlud, ihn zu begleiten. Wir nahmen das Anerbieten an und so besichtigten wir mit ihm in einem Tag ganz Lima auf höchst praktische Weise. Auf dem Perron wartete schon eine Menge von Passagieren, welche auf ein Glockensignal in den bereitstehenden Zug einstieg. Dieser bestand aus der Lokomotive und drei langen Wagons, welche sehr elegant salonwagenmäßig konstruiert waren. Es gibt nur zwei Fahrklassen. Der Zug fuhr ohne Signal oder Pfiff weg. Wir fuhren zuerst durch einige Nachbarbadeorte Callaos und gelangten dann auf eine Ebene, welche die reinste Wüstenei war. An der Küste waren die Grabmäler der Eingeborenen massenweise zu sehen. Diese, die Gräber, bestehen aus großen, prismatischen Blöcken von Lehm und Sand zusammengebaut, in und unter welchen die Leichen geborgen wurden. Nach einer halbstündigen Fahrt tauchte Lima vor uns auf und bald darauf fuhr der Zug läutend langsam durch die Straßen der Hauptstadt Perus. Eine Gruppe Jugendlicher, die Alfred als „Buben“ bezeichnet, macht sich erbötig, die Fremden zu führen und ihnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Zu diesen gehört das Grab des grausamen spanischen Eroberers Pizarro, der das Reich des Inkas Atahualpa erobert und zerstört hatte. Es befindet sich in den Katakomben der Kathedrale. Wir wurden in ein unterirdisches Gewölbe geführt, dort lag in einer Ecke eine schwarze Kiste, bei der eine Kerze brannte. Die Buben öffneten die Leichentruhe, eine Hand fehlte. Die Buben erzählten uns, dass dieser Pizarro eigentlich nicht Pizarro sei, da im Vorjahr die Leiche gestohlen worden sei und man einen anderen Toten hineingelegt hatte. Ich bin sehr geneigt der Sache zu glauben, da sich kein Mensch um uns kümmerte, als wir in den Raum hinabgingen. Wir bedauerten den armen Pseudo-Pizarro, der nicht einmal nach dem Tod Ruhe hat und gingen weg. Danach besuchten wir noch drei Kirchen. Eine davon, Iglesia de San Franscisco, ist an ihrer Front mit Löchern buchstäblich überbesät, sie rühren von chilenischen Kugeln her*. Wir waren sehr befremdet, als wir in die Kirche traten und hörten, dass zum Segen die Orgel den Lagunenwalzer spielte. FRÖHLICHER TOTENTANZ Die Episode mit der falschen Leiche Pizarros ist nicht das einzige makabre Erlebnis, über das Alfred aus Peru Peruanische Frauen. Zentrum von Lima. berichtet. Im gleichen Brief geht es weiter: So ging ich einmal um 11 Uhr abends durch Callao und hörte in einer Parterre-Wohnung laute Stimmen, Musik und den Takt der Quecca. Das Haustor stand offen und führte direkt in ein Wohnzimmer. Dort bot sich mir ein merkwürdiger, ekelhafter Anblick. An den Wänden standen Bänke, nur an einer Wand stand ein Tisch, auf welchem ein totes Mädchen aufgebahrt war. Das Zimmer war von einer sehr gemischten halbbetrunkenen Gesellschaft gefüllt, welche johlend tanzte, rauchte und trank. Ich stand mit einem Begleiter unter der offenen Haustüre. Da trat ein Mann, scheinbar der Vater der Toten auf mich zu und lud uns ein, an der Feier teilzunehmen. 52 3/2024

Zugleich bot er uns Pisco (ein peruanischer Branntwein) an. Wir entschuldigten uns, dass wir keine Zeit hätten und gingen fort. Diese Totenfeierlichkeiten sind in Peru Sitte und haben den Zweck, die Trauer durch Belustigung zu vertreiben und in der Tat herrschte bei der ganzen Gesellschaft große Heiterkeit. Jeder Fremde hat Zutritt. Die Beerdigungen finden in Peru sowohl als auch in Chile erst am Abend statt. IN DIE WEITEN DER SÜDSEE ODER EIN SCHWEINCHEN NAMENS TONI Am 3. April 1890 ist der Aufenthalt in Callao beendet und die Fasana läuft mit Kurs auf die fast 4.000 Seemeilen entfernten Marquesas-Inseln aus. Mit 24. April ist ein Brief datiert, in dem Alfred die Reise ab dem Zeitpunkt der Abfahrt von Callao beschreibt: Wir trafen gleich nach dem Verlassen Callaos einen guten Südostpassat. Seine Stärke war derartig, dass wir täglich 100 bis 120 Meilen machten … Die vergangenen Tage hatte die Fasana große Geschwindigkeit, sodass uns (nurmehr) 550 Meilen fehlen. Die Geschwindigkeit hatten wir den vielen Regenböen zu verdanken, welche, eine die andere jagend, der Fasana die Fahrt von 7 bis 8 ½ Knoten gaben. Unangenehm ist so ein Regen nicht, denn er dauert höchstens eine Viertelstunde und der Himmel, der sich in noch kürzerer Zeit umwölkt hat, wird ebenso schnell wieder heiter. Was die Kost anbelangt, muss ich erwähnen, dass diese sich verschlechtert hat. Namentlich jetzt sind wir schlecht dran, denn von der Hitze wird alles so schimmelig, dass man es ganz deutlich schmeckt. Übrigens passt die Monotonie, welche unser Speisezettel aufweist, recht gut zur Einförmigkeit des Bordlebens. Ihr müsst bedenken, dass wir jetzt vier Wochen in See sind und kein Schiff, kein Land und außer Tropikvögeln, fiegenden Fischen und Haifischen kein lebendes Wesen gesehen haben. Allerdings hat die Fasana seit Callao zwei halbintelligente Bewohner mehr. Diese sind ein Papagei und ein Schwein! Der Papagei wurde vom Koch gekauft und lebt seitdem in der Kombüse. Es ist kein schöner Vogel, aber dafür hat er umso mehr Talent. Er hat im Laufe der Zeit eine Menge Schimpfworte erlernt, er lacht, pfeift und kann einige Hornsignale. Der Koch hat noch eine andere noble Passion. Unter unseren Vierfüßlern, welche das Vorderkastell bewohnen**, befindet sich auch ein dressiertes Schwein, das durch seine großen geistigen Fähigkeiten auffiel und das Erbarmen des Kochs erregte. Der „Toni“ hört auf diesen Namen, kann Reverenzen machen und lässt sich, ohne zu quieken, waschen. An Bord haben sich leider die Ratten in sehr bedenklicher Weise vermehrt und richten allen möglichen Schaden an.als Schutz gegen diese Plagegeister, welche uns schon angreifen, wendet man eine Katze und ein paar Dutzend Fallen an. Vergiften kann man sie nicht, weil man die Kadaver nicht finden könnte und dann das ganze Schiff verpestet wird. * Der chilenisch-peruanische Krieg („Salpeterkrieg“, siehe ocean7 2/2024) ist noch nicht lange her. ** Lebendvieh, zur Schlachtung und zum Verzehr auf See vorgesehen. FOTO: MARZOLINO/SHUTTERSTOCK.COM Mit 3. Mai ist der nächste Brief datiert, die Fasana hat inzwischen in der Bucht von Nukuhiva auf den Marquesas-Inseln den Anker gesetzt und Alfred wird zusammen mit einigen anderen Kadetten damit beauftragt, die kartographischen Daten der Bucht und der Ortschaft aufzunehmen. Letztere heißt in der Sprache der Einheimischen Tai-o- Hare, ist winzig und besteht aus gerade einmal 30 Hütten. Beherrscht wird die Inselgruppe von den Franzosen, die ihre Gesetze eingeführt und die Bevölkerung zur Annahme des katholischen Glaubens gezwungen haben. Gleichwohl haben sie erlaubt, dass die Einheimischen ihre Königs- oder Häuptlingsdynastie beibehalten dürfen, wodurch die Witwe des letzten Königs nun von Frankreichs Gnaden als Königin amtieren darf. Sieben Jahre vor dem Eintreffen der Fasana wurde auf der Insel das Opium eingeführt, die Franzosen konnten dies nicht verhindern, mit der Folge, dass kaum noch jemand arbeitet. Man wird sich übrigens nicht wundern, dass noch Überreste von Wildheit vorhanden sind, wenn man bedenkt, dass auf Nukuhiva vor 40 Jahren noch Menschen gefressen wurden, und der (einzige ansässige) Deutsche erzählte mir, dass er mit alten Kanaken darüber gesprochen hatte, welche selbst schon Menschenfeisch genossen hatten und behaupteten, dass die Finger und Sohlen zu den besten Leckerbissen gehören. Die benachbarte Adams-Insel diente als Gefängnis für jene Gefangenen, welche zum Tode verurteilt, dort gemästet wurden, um später verspeist zu werden. Nach kurzem Aufenthalt segelt die Fasana ab 4. Mai 1890 weiter, um eine gute Woche später das Traumziel Papeete auf Tahiti zu erreichen. In der nächsten Ausgabe: Liebesnächte mit einer geheimnisvollen Schönheit. CHRISTIAN WINKLER ist Fahrtensegler und Autor. Der Vortrag in seiner Reihe „1890: Mit Dampf und Segel um die Welt – aus den Reisebriefen von Onkel Alfred (Teil 1)“ dauert eineinhalb Stunden und enthält neben Original- Passagen auch historische Bilder, Hintergrundinfos, Grafiken, Anekdoten u. v. m. www.moresail.at Alte Sicht (19. Jh.) auf die Papeete-Bucht der Insel Tahiti. 3/2024 53

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