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E<br />
ine Ausstellung über Drogen also.<br />
Doch wer dabei nur an Heroin, Kokain<br />
und Haschisch denkt, der irrt. Unter der<br />
Regie von Frankfurts Gesundheitsdezernentin<br />
Margarethe Nimsch (Grüne) zeigt<br />
das städtische Drogenreferat im Volksbildungheim<br />
(an der Eschenheimer Anlage),<br />
daß in Frankfurt seit 1200 Jahren getrunken,<br />
geraucht, geschnüffelt und geschluckt<br />
wird. Drogen, das sind auch Heilkräuter,<br />
Alkohol, Tabak und Kaffee. Die Ausstellung<br />
zum Stadtjubiläum zeigt, daß Drogen-Verbote<br />
noch nie etwas genutzt haben und<br />
stets nur eine vorübergehende Erscheinung<br />
waren – „langfristig gesehen, bestimmen<br />
die gesellschaftliche Akzeptanz und nicht<br />
von oben eingesetzte Verbote den<br />
Gebrauch einer Droge“, so Nimsch. Und die<br />
Drogen-Schau ist ein Appell, Drogenhilfe<br />
und Drogenabhängigkeit vom Joch des<br />
Strafrechts zu befreien.<br />
Doch so weit ist unsere bundesdeutsche<br />
Drogenpolitik noch nicht, bis jetzt gilt das<br />
Motto: „Keine Macht den Drogen“ (woraus<br />
Keine Nacht<br />
ohne Drogen<br />
„Im Rausch der Zeit – 1200 Jahre Drogen in Frankfurt“:<br />
eine Ausstellung im Volksbildungsheim<br />
Drogenfreunde den Slogan, „Keine Nacht<br />
ohne Drogen“, gemacht haben) und „Kein<br />
Recht auf Rausch“, so das Bundesverfassungsgericht<br />
in seinem jüngsten Urteil über<br />
Cannabis.<br />
Im ersten Stock des Volksbildungsheims<br />
erheischen als erstes acht großformatige,<br />
farbige Portraits das Augenmerk. Marek<br />
Vogel zeigt acht Frankfurter Drogenabhängige<br />
als ganz „normale“ Menschen – und<br />
nicht als verwahrloste Junkies, die sich in<br />
der Taunusanlage Spritzen setzen. Auch<br />
diese Fotos räumen, wie die ganze Ausstellung,<br />
mit gängigen Klischees auf.<br />
Auf den mit vielen Texten und Abbildungen<br />
gefüllten Schautafeln läßt sich etwa eine<br />
Apothekerrechnung Goethes finden, aus<br />
der hervorgeht, daß der große deutsche<br />
Dichter im März 1805, im April 1806 und<br />
auch noch am 7. April 1818 Opium bezog.<br />
Zu seiner Zeit war diese Droge legal, relativ<br />
teuer und in den Kreisen von Literaten und<br />
Künstlern als Rauschmittel bekannt.<br />
1803 entdeckte der deutsche Apotheker<br />
Friedrich Wilhelm Sertürner Morphium.<br />
Einen Durchbruch schaffte diese Droge<br />
aber erst durch den Darmstädter Apotheker<br />
Heinrich Emanuel Merck, der 1827 begann,<br />
das Morphium in seiner eigens dafür<br />
gegründeten Fabrik in großen Mengen herzustellen,<br />
später auch Kokain als Lokalanästhetikum.<br />
Auch das Heroin ist ab 1898<br />
„Drogenabhängig“ (Foto: Katalog, Fred Prase)<br />
von einer deutschen Firma hergestellt worden:<br />
von Bayer. Zunächst galt es als nicht<br />
suchtbildendes Allheilmittel gegen Erkrankungen<br />
der Atemwege und wurde vor allem<br />
für Kinder angepriesen.<br />
Zu jeder Zeit, auch das macht die Ausstellung<br />
klar, hat der Staat kräftig an dem Drogengebrauch<br />
verdient: Im 14. Jahrhundert<br />
machten die verschiedenen Alkoholsteuern<br />
fast 75 Prozent der städtischen Einnahmen<br />
aus. Heute kassiert die Bundesregierung<br />
mehr als 6 Milliarden Mark aus der Branntund<br />
Schaumweinsteuer, beim Tabak sind<br />
es mehr als 19 Milliarden Mark.<br />
Und immer wieder kam es zu Ausschreitungen<br />
der Drogenkonsumenten, wenn die<br />
Stadtherren eine Preiserhöhung beschlossen:<br />
etwa bei den Frankfurter Bierkrawallen<br />
1873, bei denen 20 Menschen starben.<br />
Ergänzt werden diese Tafeln, die von der<br />
Flugsalbe der Hexen bis zum Heroin alles<br />
zeigen, mit allerlei Utensilien wie Destillen,<br />
Heilkräuter, Fixerbestecke …<br />
Presse im Zensur-Käfig<br />
Nummer 73 · 11.7.1994 · Seite 17<br />
So interessant, wichtig und notwendig die<br />
Drogenschau ist, sie läßt sich aufgrund der<br />
Fülle der Texte und Dokumente nicht innerhalb<br />
eines kurzen Ausstellungsbesuchs<br />
erfassen. Frau/Mann erstehe den Katalog,<br />
in dem sich die kommunale Drogengeschichte<br />
in Ruhe zu Hause nachlesen läßt:<br />
eine Fundstätte, die enthüllt, daß Drogenkonsumenten<br />
selten so an den Rand der<br />
Gesellschaft gedrängt worden sind, wie<br />
heute.<br />
Eva Bredow<br />
Die Ausstellung ist noch bis zum 12. August zu sehen.<br />
Der Katalog kostet 10 Mark. Abb. oben links und<br />
rechts: Jean Cocteau, aus dem Katalog zur<br />
Ausstellung: „Im Rausch der Zeit – 1200 Jahre<br />
Drogen in Frankfurt“, Hrsg.: Margarete Nimsch,<br />
Dezernentin für Frauen und Gesundheit der Stadt<br />
Frankfurt/Main, Drogenreferat<br />
„Als die Post noch Zeitung machte“ – eine Ausstellung im Deutschen Postmuseum<br />
„Die ‚gute‘ Presse“, Lithographie um 1847<br />
or allen andern aber kommet der<br />
„V Zeitungen Ursprung aus denen<br />
Postheusern her: und eben darum sind<br />
auch zugleich die Keyserl. Postmeister mit<br />
so vielen stattlichen Freyheiten und Gerechtigkeiten<br />
begabet/daß von ihnen der Lauf<br />
der Welt entleh<strong>net</strong> … Und schei<strong>net</strong> dieses<br />
Postwerk wol der wahre und eingendliche<br />
Anfang der Zeitungen zu seyn …“<br />
So schrieb Kaspar Stieler in „Zeitungs Lust<br />
und Nutz“ 1695. Das Frankfurter Postmuseum<br />
zeigt derzeit die Ausstellung „Als die<br />
Post noch Zeitung machte“ – aus Anlaß der<br />
1200-Jahr-Feier der Stadt – mit fast 350<br />
Originalexponaten.<br />
Das Konzept erschließt sich flüchtigen AusstellungsbesucherInnen<br />
nicht unbedingt,<br />
der Verantwortliche Klaus Beyrer erstellte<br />
deshalb ein Rundgang-Faltblatt, das Interessierte<br />
durch die Räume leiten soll.<br />
Das Konzept ist gut durchdacht: Im nach<br />
oben offenen Tiefgeschoß steht eine alte<br />
Druckpresse, aus der sich eine Stoffahne<br />
an die Decke windet, auf ihr die Namen der<br />
Frankfurter Postzeitungsverleger. Der<br />
erste: Johann von den Birghden, dessen<br />
Zeitung ab 1621 als „Unvergreifliche continuierende<br />
Post Zeitungen wie solche bey<br />
den Ordinari Posten einkommen“ bereits<br />
wöchentlich<br />
erschien – und<br />
später unter dem<br />
Titel „Frankfurter<br />
Postzeitung“ noch<br />
bis zum Jahr 1866.<br />
Eine Zeit, in der<br />
diese Zeitung 25<br />
Mal ihren Titel und<br />
ihr Format änderte.<br />
Zeitung, darunter<br />
verstand man<br />
zunächst mal nur<br />
Nachrichten, Neuigkeiten<br />
– die die<br />
Postbeamten, als Nachrichtenträger und<br />
-übermittler, immer als erste erreichten. Da<br />
lag es wohl nah, daß mit Erfindung des<br />
Buchdrucks bald Postmeister darangingen,<br />
diese Nachrichten zu sammeln, zusammenzufassen,<br />
in eigener Regie zu drucken und<br />
schließlich auch noch auf den eigenen<br />
Postwegen zu vertreiben – gegen Entgelt<br />
natürlich.<br />
Die erste handgeschriebene Zeitung ist aus<br />
dem Jahr 1536 bekannt, damals korrespondierten<br />
Kaufleute; es entstanden Schreibbüros,<br />
die die Blätter mit einer Auflage von<br />
30 Stück verbreiteten. Im 17. Jahrhundert,<br />
so Schätzungen, sollen 15 Prozent aller Zeitungen<br />
von Postmeistern herausgegeben<br />
worden sein. Bereits im 18. Jahrhundert<br />
erschienen viele dreimal wöchentlich, ab<br />
1790 gab es die geschätzten Blätter auch<br />
samstags, mit Anfang des 19. Jahrhunderts<br />
kamen die Feuilletons hinzu. Durch die<br />
Feuilletons wurden Zeitungen von der<br />
schlichten Nachrichtenwieder- und -weitergabe<br />
zu einem Medium der Meinungsbildung.<br />
Die erste nachgewiesene Tageszeitung<br />
erschien in Leipzig allerdings schon<br />
1650.<br />
Im ersten Stock hängt eine große Tafel, mit<br />
der seit dem 16. Jahrhundert wichtigsten<br />
Handelsroute von Antwerpen bis nach<br />
Venedig. Neben den Städten ist jeweils die<br />
erste dort (nachgewiesene) Zeitung abgebildet.<br />
Die ältesten Titelblätter stammen aus<br />
„Frankfurter Postzeitung“, 23. Februar 1853, 31x22 cm (Alle Abbildungen sind dem Katalog entnommen)<br />
„Reitender und hinkender Bote“, Kupferstich von Johann Martin Will. Um 1750, 19x24<br />
dem Jahr 1609 und sind in den Städten<br />
Straßbourg und Wolfenbüttel erschienen.<br />
Von dort aus führt der Gang durch die Jahrhunderte,<br />
bis 1866, jenem Jahr, als die<br />
„Frankfurter Postzeitung“ ihr Erscheinen<br />
einstellte.<br />
„Das Postmuseum“, so Beyrer, „sammelt<br />
Exponate seit 120<br />
Jahren“. In einem<br />
Raum hängen Originale<br />
der ersten<br />
25 Zeitungen, die<br />
regelmäßig, aktuell<br />
und überparteilich<br />
einmal<br />
wöchentlich erschienen<br />
sind. Da<br />
findet sich etwa<br />
der Holzschnitt<br />
aus dem Jahr<br />
1679 mit dem<br />
Titel: „Die verwan-<br />
delte Krieges-Last in höchst erwünschte<br />
Friedens-Lust“.<br />
Mit Originalen reich bebildert sind auch die<br />
Themen Zeitungsvertrieb, Nachrichtenwege<br />
und die Zeitungslesesitten. Einen Raum<br />
hat Beyrer als „Zensur-Käfig“ eingerichtet,<br />
von der Decke hängen viele Scheren mit<br />
Augen herab. Sie entstammen einer Lithographie<br />
aus dem Jahr 1847 mit dem Titel:<br />
„Die ,gute’ Presse“ (siehe Abbildung). Im<br />
Käfig auch die Titelseite der „Kölnischen<br />
Zeitung“ vom 27. Mai 1817. Unter dem Zeitungskopf<br />
dieser Ausgabe steht nur ein<br />
Wort: „Deutschland“, darunter, daneben ist<br />
alles weiß – Zeichen eines stummen Zensurprotests.<br />
Eva Bredow<br />
Die Ausstellung läuft noch bis zum 4. September.<br />
Ein die Ausstellung begleitendes Buch unter dem<br />
selben Titel ist im Anabas-Verlag erschienen, (Hrsg.):<br />
Klaus Beyrer und Martin Dallmeier. Im Postmuseum<br />
kostet es 28 Mark, im Buchhandel 48. Es enthält<br />
Abbildungen von rund 90 Exponaten und rund 15<br />
Beiträge zu Post, Presse, Zensur, Nachrichtenwegen,<br />
Druck, Papier, Öffentlichkeit u.a.<br />
RAUMGESTALTUNG<br />
DARMSTADT<br />
ROSSDÖRFER PLATZ