22.02.2013 Aufrufe

darmstadt - Zfd-online.net

darmstadt - Zfd-online.net

darmstadt - Zfd-online.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

E<br />

ine Ausstellung über Drogen also.<br />

Doch wer dabei nur an Heroin, Kokain<br />

und Haschisch denkt, der irrt. Unter der<br />

Regie von Frankfurts Gesundheitsdezernentin<br />

Margarethe Nimsch (Grüne) zeigt<br />

das städtische Drogenreferat im Volksbildungheim<br />

(an der Eschenheimer Anlage),<br />

daß in Frankfurt seit 1200 Jahren getrunken,<br />

geraucht, geschnüffelt und geschluckt<br />

wird. Drogen, das sind auch Heilkräuter,<br />

Alkohol, Tabak und Kaffee. Die Ausstellung<br />

zum Stadtjubiläum zeigt, daß Drogen-Verbote<br />

noch nie etwas genutzt haben und<br />

stets nur eine vorübergehende Erscheinung<br />

waren – „langfristig gesehen, bestimmen<br />

die gesellschaftliche Akzeptanz und nicht<br />

von oben eingesetzte Verbote den<br />

Gebrauch einer Droge“, so Nimsch. Und die<br />

Drogen-Schau ist ein Appell, Drogenhilfe<br />

und Drogenabhängigkeit vom Joch des<br />

Strafrechts zu befreien.<br />

Doch so weit ist unsere bundesdeutsche<br />

Drogenpolitik noch nicht, bis jetzt gilt das<br />

Motto: „Keine Macht den Drogen“ (woraus<br />

Keine Nacht<br />

ohne Drogen<br />

„Im Rausch der Zeit – 1200 Jahre Drogen in Frankfurt“:<br />

eine Ausstellung im Volksbildungsheim<br />

Drogenfreunde den Slogan, „Keine Nacht<br />

ohne Drogen“, gemacht haben) und „Kein<br />

Recht auf Rausch“, so das Bundesverfassungsgericht<br />

in seinem jüngsten Urteil über<br />

Cannabis.<br />

Im ersten Stock des Volksbildungsheims<br />

erheischen als erstes acht großformatige,<br />

farbige Portraits das Augenmerk. Marek<br />

Vogel zeigt acht Frankfurter Drogenabhängige<br />

als ganz „normale“ Menschen – und<br />

nicht als verwahrloste Junkies, die sich in<br />

der Taunusanlage Spritzen setzen. Auch<br />

diese Fotos räumen, wie die ganze Ausstellung,<br />

mit gängigen Klischees auf.<br />

Auf den mit vielen Texten und Abbildungen<br />

gefüllten Schautafeln läßt sich etwa eine<br />

Apothekerrechnung Goethes finden, aus<br />

der hervorgeht, daß der große deutsche<br />

Dichter im März 1805, im April 1806 und<br />

auch noch am 7. April 1818 Opium bezog.<br />

Zu seiner Zeit war diese Droge legal, relativ<br />

teuer und in den Kreisen von Literaten und<br />

Künstlern als Rauschmittel bekannt.<br />

1803 entdeckte der deutsche Apotheker<br />

Friedrich Wilhelm Sertürner Morphium.<br />

Einen Durchbruch schaffte diese Droge<br />

aber erst durch den Darmstädter Apotheker<br />

Heinrich Emanuel Merck, der 1827 begann,<br />

das Morphium in seiner eigens dafür<br />

gegründeten Fabrik in großen Mengen herzustellen,<br />

später auch Kokain als Lokalanästhetikum.<br />

Auch das Heroin ist ab 1898<br />

„Drogenabhängig“ (Foto: Katalog, Fred Prase)<br />

von einer deutschen Firma hergestellt worden:<br />

von Bayer. Zunächst galt es als nicht<br />

suchtbildendes Allheilmittel gegen Erkrankungen<br />

der Atemwege und wurde vor allem<br />

für Kinder angepriesen.<br />

Zu jeder Zeit, auch das macht die Ausstellung<br />

klar, hat der Staat kräftig an dem Drogengebrauch<br />

verdient: Im 14. Jahrhundert<br />

machten die verschiedenen Alkoholsteuern<br />

fast 75 Prozent der städtischen Einnahmen<br />

aus. Heute kassiert die Bundesregierung<br />

mehr als 6 Milliarden Mark aus der Branntund<br />

Schaumweinsteuer, beim Tabak sind<br />

es mehr als 19 Milliarden Mark.<br />

Und immer wieder kam es zu Ausschreitungen<br />

der Drogenkonsumenten, wenn die<br />

Stadtherren eine Preiserhöhung beschlossen:<br />

etwa bei den Frankfurter Bierkrawallen<br />

1873, bei denen 20 Menschen starben.<br />

Ergänzt werden diese Tafeln, die von der<br />

Flugsalbe der Hexen bis zum Heroin alles<br />

zeigen, mit allerlei Utensilien wie Destillen,<br />

Heilkräuter, Fixerbestecke …<br />

Presse im Zensur-Käfig<br />

Nummer 73 · 11.7.1994 · Seite 17<br />

So interessant, wichtig und notwendig die<br />

Drogenschau ist, sie läßt sich aufgrund der<br />

Fülle der Texte und Dokumente nicht innerhalb<br />

eines kurzen Ausstellungsbesuchs<br />

erfassen. Frau/Mann erstehe den Katalog,<br />

in dem sich die kommunale Drogengeschichte<br />

in Ruhe zu Hause nachlesen läßt:<br />

eine Fundstätte, die enthüllt, daß Drogenkonsumenten<br />

selten so an den Rand der<br />

Gesellschaft gedrängt worden sind, wie<br />

heute.<br />

Eva Bredow<br />

Die Ausstellung ist noch bis zum 12. August zu sehen.<br />

Der Katalog kostet 10 Mark. Abb. oben links und<br />

rechts: Jean Cocteau, aus dem Katalog zur<br />

Ausstellung: „Im Rausch der Zeit – 1200 Jahre<br />

Drogen in Frankfurt“, Hrsg.: Margarete Nimsch,<br />

Dezernentin für Frauen und Gesundheit der Stadt<br />

Frankfurt/Main, Drogenreferat<br />

„Als die Post noch Zeitung machte“ – eine Ausstellung im Deutschen Postmuseum<br />

„Die ‚gute‘ Presse“, Lithographie um 1847<br />

or allen andern aber kommet der<br />

„V Zeitungen Ursprung aus denen<br />

Postheusern her: und eben darum sind<br />

auch zugleich die Keyserl. Postmeister mit<br />

so vielen stattlichen Freyheiten und Gerechtigkeiten<br />

begabet/daß von ihnen der Lauf<br />

der Welt entleh<strong>net</strong> … Und schei<strong>net</strong> dieses<br />

Postwerk wol der wahre und eingendliche<br />

Anfang der Zeitungen zu seyn …“<br />

So schrieb Kaspar Stieler in „Zeitungs Lust<br />

und Nutz“ 1695. Das Frankfurter Postmuseum<br />

zeigt derzeit die Ausstellung „Als die<br />

Post noch Zeitung machte“ – aus Anlaß der<br />

1200-Jahr-Feier der Stadt – mit fast 350<br />

Originalexponaten.<br />

Das Konzept erschließt sich flüchtigen AusstellungsbesucherInnen<br />

nicht unbedingt,<br />

der Verantwortliche Klaus Beyrer erstellte<br />

deshalb ein Rundgang-Faltblatt, das Interessierte<br />

durch die Räume leiten soll.<br />

Das Konzept ist gut durchdacht: Im nach<br />

oben offenen Tiefgeschoß steht eine alte<br />

Druckpresse, aus der sich eine Stoffahne<br />

an die Decke windet, auf ihr die Namen der<br />

Frankfurter Postzeitungsverleger. Der<br />

erste: Johann von den Birghden, dessen<br />

Zeitung ab 1621 als „Unvergreifliche continuierende<br />

Post Zeitungen wie solche bey<br />

den Ordinari Posten einkommen“ bereits<br />

wöchentlich<br />

erschien – und<br />

später unter dem<br />

Titel „Frankfurter<br />

Postzeitung“ noch<br />

bis zum Jahr 1866.<br />

Eine Zeit, in der<br />

diese Zeitung 25<br />

Mal ihren Titel und<br />

ihr Format änderte.<br />

Zeitung, darunter<br />

verstand man<br />

zunächst mal nur<br />

Nachrichten, Neuigkeiten<br />

– die die<br />

Postbeamten, als Nachrichtenträger und<br />

-übermittler, immer als erste erreichten. Da<br />

lag es wohl nah, daß mit Erfindung des<br />

Buchdrucks bald Postmeister darangingen,<br />

diese Nachrichten zu sammeln, zusammenzufassen,<br />

in eigener Regie zu drucken und<br />

schließlich auch noch auf den eigenen<br />

Postwegen zu vertreiben – gegen Entgelt<br />

natürlich.<br />

Die erste handgeschriebene Zeitung ist aus<br />

dem Jahr 1536 bekannt, damals korrespondierten<br />

Kaufleute; es entstanden Schreibbüros,<br />

die die Blätter mit einer Auflage von<br />

30 Stück verbreiteten. Im 17. Jahrhundert,<br />

so Schätzungen, sollen 15 Prozent aller Zeitungen<br />

von Postmeistern herausgegeben<br />

worden sein. Bereits im 18. Jahrhundert<br />

erschienen viele dreimal wöchentlich, ab<br />

1790 gab es die geschätzten Blätter auch<br />

samstags, mit Anfang des 19. Jahrhunderts<br />

kamen die Feuilletons hinzu. Durch die<br />

Feuilletons wurden Zeitungen von der<br />

schlichten Nachrichtenwieder- und -weitergabe<br />

zu einem Medium der Meinungsbildung.<br />

Die erste nachgewiesene Tageszeitung<br />

erschien in Leipzig allerdings schon<br />

1650.<br />

Im ersten Stock hängt eine große Tafel, mit<br />

der seit dem 16. Jahrhundert wichtigsten<br />

Handelsroute von Antwerpen bis nach<br />

Venedig. Neben den Städten ist jeweils die<br />

erste dort (nachgewiesene) Zeitung abgebildet.<br />

Die ältesten Titelblätter stammen aus<br />

„Frankfurter Postzeitung“, 23. Februar 1853, 31x22 cm (Alle Abbildungen sind dem Katalog entnommen)<br />

„Reitender und hinkender Bote“, Kupferstich von Johann Martin Will. Um 1750, 19x24<br />

dem Jahr 1609 und sind in den Städten<br />

Straßbourg und Wolfenbüttel erschienen.<br />

Von dort aus führt der Gang durch die Jahrhunderte,<br />

bis 1866, jenem Jahr, als die<br />

„Frankfurter Postzeitung“ ihr Erscheinen<br />

einstellte.<br />

„Das Postmuseum“, so Beyrer, „sammelt<br />

Exponate seit 120<br />

Jahren“. In einem<br />

Raum hängen Originale<br />

der ersten<br />

25 Zeitungen, die<br />

regelmäßig, aktuell<br />

und überparteilich<br />

einmal<br />

wöchentlich erschienen<br />

sind. Da<br />

findet sich etwa<br />

der Holzschnitt<br />

aus dem Jahr<br />

1679 mit dem<br />

Titel: „Die verwan-<br />

delte Krieges-Last in höchst erwünschte<br />

Friedens-Lust“.<br />

Mit Originalen reich bebildert sind auch die<br />

Themen Zeitungsvertrieb, Nachrichtenwege<br />

und die Zeitungslesesitten. Einen Raum<br />

hat Beyrer als „Zensur-Käfig“ eingerichtet,<br />

von der Decke hängen viele Scheren mit<br />

Augen herab. Sie entstammen einer Lithographie<br />

aus dem Jahr 1847 mit dem Titel:<br />

„Die ,gute’ Presse“ (siehe Abbildung). Im<br />

Käfig auch die Titelseite der „Kölnischen<br />

Zeitung“ vom 27. Mai 1817. Unter dem Zeitungskopf<br />

dieser Ausgabe steht nur ein<br />

Wort: „Deutschland“, darunter, daneben ist<br />

alles weiß – Zeichen eines stummen Zensurprotests.<br />

Eva Bredow<br />

Die Ausstellung läuft noch bis zum 4. September.<br />

Ein die Ausstellung begleitendes Buch unter dem<br />

selben Titel ist im Anabas-Verlag erschienen, (Hrsg.):<br />

Klaus Beyrer und Martin Dallmeier. Im Postmuseum<br />

kostet es 28 Mark, im Buchhandel 48. Es enthält<br />

Abbildungen von rund 90 Exponaten und rund 15<br />

Beiträge zu Post, Presse, Zensur, Nachrichtenwegen,<br />

Druck, Papier, Öffentlichkeit u.a.<br />

RAUMGESTALTUNG<br />

DARMSTADT<br />

ROSSDÖRFER PLATZ

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!