22.02.2013 Aufrufe

darmstadt - Zfd-online.net

darmstadt - Zfd-online.net

darmstadt - Zfd-online.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

☛ Fortsetzung von Seite 5<br />

Wehe dem Schwarzen, der…<br />

Einer seiner Freunde, Yaw Owsu,<br />

bekam es mit der Angst zu tun und wollte<br />

Seidu helfen, den Pass aus dem Rucksack<br />

holen. Doch die Beamten nahmen<br />

auch ihn sofort in den Würgegriff und<br />

legten Handschellen an. Die Festnahme<br />

beobachteten immer mehr PassantInnen,<br />

an die fünfzig bis sechzig. Darunter<br />

ein alter Mann, der Yaw Owsu einen<br />

Zettel mit seiner Anschrift zusteckte,<br />

weil er, empört über das Vorgehen der<br />

Beamten, als Zeuge aussagen will.<br />

Kein Verhör, keine Fragen<br />

Ohne einen Grund zu nennen, brachten<br />

die Beamten drei der Ghanaer erst ins<br />

Schloßrevier und später ins Polizeipräsidium,<br />

wo sie inhaftiert wurden. Kein<br />

Verhör, keine Fragen, keine Begründung.<br />

Gegen 22.30 Uhr wurden Seidu<br />

und Yaw Owsu wieder freigelassen, dieses<br />

Mal ohne Mißhandlungen im Polizeigewahrsam.<br />

Ein dritter Ghanaer, der<br />

ebenfalls festgenommen worden war,<br />

mußte bis zum nächsten Tag in der Zelle<br />

bleiben, er hatte eine Geldstrafe nicht<br />

bezahlt.<br />

Bei dem Polizeiwagen soll einer der<br />

Ghanaer einen Polizisten gebissen<br />

haben, wer, das ist den Ghanaern nicht<br />

klar, auch nicht, ob der Biß bei der Festnahme<br />

erfolgte, ärztlich ist jedoch ein<br />

blauer Fleck des Beamten attestiert.<br />

Da gegen die drei Ghanaer wieder strafrechtlich<br />

ermittelt wird, suchen sie dringend<br />

nach weiteren ZeugInnen, die den<br />

Vorgang beobachtet haben – sonst werden<br />

womöglich wieder die Opfer verurteilt.<br />

Anrufe zur Weiterleitung nimmt<br />

die ZD unter der 719896 entgegen.<br />

Gesetzliche Verhältnismäßigkeit<br />

Die Polizei ist zwar berechtigt, die Identität<br />

von Personen festzustellen, (§16<br />

Hessisches Gesetz für Sicherheit und<br />

Ordnung), die Beamten müssen jedoch<br />

den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“<br />

(§5) wahren; und der hat Verfassungsrang.<br />

Er wird auch bezeich<strong>net</strong> als<br />

der „Grundsatz des geringstmöglichen<br />

Einsatzes“. Das Gesetz schreibt vor,<br />

„Maßnahmen … anzuwenden, die die<br />

Allgemeinheit und den einzelnen am<br />

wenigsten beeinträchtigen. Ein durch<br />

eine solche Maßnahme zu erwartender<br />

Schaden darf nicht in offenbarem<br />

Mißverhältnis zu dem beabsichtigten<br />

Erfolg stehen“. Dies ist von Polizeibeamten,<br />

der Darmstädter Staatsanwaltschaft<br />

und dem Richter im Fall Seidu<br />

vor einem Jahr schon nicht berücksichtigt<br />

worden und führt ohne Vorwegnahme<br />

des tatsächlichen Ablaufes auch in<br />

diesem Fall wieder zu berechtigten<br />

Zweifeln an dem Vorgehen der Beamten.<br />

Da sich die Ghanaer nicht geweigert<br />

haben, ihre Ausweise vorzuzeigen,<br />

bestand nach dem Gesetz kein Grund,<br />

sie in Handschellen zu legen und in Haft<br />

zu nehmen. Woher nahm der erste Zivilpolizist<br />

die Berechtigung, Hand an<br />

Oppong zu legen, um zu überprüfen,<br />

ober er eine Waffe oder ähnliches hat, da<br />

Oppong seinen Ausweis vorgezeigt hatte?<br />

Wozu die Brutalität?<br />

„Die Polizeivollzugsbeamten haben die<br />

Voraussetzungen und Grenzen unmittelbaren<br />

Zwanges, wie sie durch Gesetz<br />

und diese Verwaltungsvorschrift<br />

bestimmt sind, genau zu beachten“,<br />

Ein Augenzeugenbericht<br />

Dienstag, der 28. Juni, ist ein heißer<br />

Tag. Unter den Linden der Allee, die<br />

den Herrngarten von Westen nach<br />

Osten quert, ist es angenehm laufen.<br />

Wir kommen aus dem „französischen“<br />

Park und gehen Richtung Frankfurter<br />

Straße. Es ist nach halb acht Uhr. In privates<br />

Gespräch vertieft, bemerken wir<br />

plötzlich zwei Schwarze, die – wohl<br />

vom Teich her kommend – über die<br />

neugepflanzte Buchenhecke springen<br />

und auf ein uns entgegenkommendes<br />

Pärchen zustürzen.<br />

Sie schreien es an, fuchteln vor den<br />

Gesichtern herum. Wir haben null<br />

Bock auf trouble und es geht uns nichts<br />

an. Aber, weil es ein ärgerliches Gefühl<br />

ist, sich einzugestehen, feige zu sein –<br />

und weil wir genug Phantasie haben,<br />

uns vorzustellen, dreißig Meter weiter<br />

wären wir, statt des Pärchens angemacht<br />

worden, gehen wir hin. Das Pärchen,<br />

er um die dreißig, sie etwas jünger,<br />

beide in Shorts wie wir, ist schrittweise<br />

auf dem Rückzug. Wir wollen<br />

wissen, was los ist. Sofort wenden sich<br />

schreibt der Hessische Minister des<br />

Innern vor (VV UZwG Pol) und bezieht<br />

sich auch ausdrücklich auf den Grundsatz<br />

der Verhältnismäßigkeit: „Vor der<br />

Anwendung unmittelbaren Zwanges ist<br />

stets zu prüfen, ob das polizeiliche Ziel<br />

auf dem Wege der Androhung von<br />

Zwangsgeld … erreicht werden kann“.<br />

Doch welches Ziel wollten die Beamten<br />

mit dem brutal gewaltsamem Vorgehen<br />

erreichen? Eine Straftat mußte nicht aufgeklärt<br />

oder einer denkbaren vorgebeugt<br />

werden – ihre Ausweise zu zeigen,<br />

waren die Ghanaer bereit.<br />

„Die Verpflichtung, Verletzten Beistand<br />

zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen<br />

… geht vor“, verord<strong>net</strong> der<br />

Innenminister und die Polizisten, statt<br />

dem verletzten Oppong zu helfen, geben<br />

ihrer Ausländerfeindlichkeit offen Ausdruck:<br />

„Go back to africa“.<br />

Schutz vor der Öffentlichkeit<br />

Der Redaktion liegen die Namen der<br />

Beamten zum Teil vor und wir hätten sie<br />

abgedruckt. Doch Oppong und Seidu<br />

wollten nicht, daß sie veröffentlicht<br />

werden, weil Oppongs Rechtsanwalt<br />

Hans Walter Mohrmann, „Nachteile<br />

durch Frontenverhärtung“ fürchtet. In<br />

Juristenkreisen wird von „Hochspielen“<br />

gesprochen, weil in der ZD die Fremdenfeindlichkeit<br />

beim Wort genannt<br />

wurde. Dort denkt man noch immer an<br />

das Aushandeln hinter den Kulissen.<br />

Doch wie sieht das aus? Oppongs Strafantrag<br />

gegen die Beamten geht zur<br />

Staatsanwaltschaft, dort wird eine Stellungnahme<br />

der beteiligten Polizisten<br />

angefordert – bislang gingen solche<br />

Verfahren mit der Einstellung der<br />

Ermittlungen aus. Bislang wurden auch<br />

keine Namen beteiligter Beamter in der<br />

Öffentlichkeit genannt, außer, sie traten<br />

als Zeugen bei Strafverfahren gegen die<br />

Schwarzen auf. Sollen deshalb keine<br />

Namen genannt werden, damit Beamteneifer<br />

möglichst ohne Öffentlichkeit<br />

durch leise Einstellung der Ermittlungen<br />

honoriert werden kann?<br />

Und wir?<br />

Ob auch dieses Mal wieder alle Partei-<br />

PolitikerInnen, der Oberbürgermeister,<br />

der Polizeipräsident, der Regierungspräsident<br />

schweigen werden? Die Staatsanwaltschaft<br />

ihre Ermittlungen einstellt<br />

und Richter aburteilen? Wie lange wollen<br />

wir uns das noch ansehen?<br />

High Noon<br />

Daß unsere PolitikerInnen schweigen,<br />

daß Behörden Akten ablegen, daß<br />

Beamte die Vorhut der Reaktion sind,<br />

daß Schwarze und andere Fremdlinge<br />

Untermenschen sind, daß Menschenrechte<br />

nur für weiße Götter gelten, daß<br />

Mitleiden nicht unsere Sache ist: Bundesrepublik<br />

Deutschland, Darmstadt<br />

heute. Ausländerfeindlichkeit hat in<br />

Darmstadt nichts mit Skins oder<br />

Glatzenträgern zu tun.<br />

Leider kann die ZD über den Prozeß und<br />

die Reaktion der Landesregierung nicht<br />

mehr berichten, auch nicht mehr über<br />

künftige fremdenfeindliche Gesetzesüberschreitungen<br />

Darmstädter Polizisten.<br />

M. Grimm<br />

* Verurteilt hat das Darmstädter Amtsgericht<br />

„Osman Seido“, tatsächlich<br />

heißt er Seidu.<br />

die beiden Farbigen uns zu. Sie sind<br />

aufgeregt und besonders der eine mit<br />

einem Stück Papier in der Hand ist<br />

wütend. Sie ringen mit Worten, gestikulieren.<br />

Wir hören etwas von „überfallen“,<br />

„auf den Boden geworfen“ und<br />

„Polizei“.<br />

Wir glauben, die Situation erkannt zu<br />

haben und bieten an, zur Notrufsäule<br />

zurückzugehen und die Polizei zu<br />

rufen. „Polizei ist da“, sagt einer der<br />

Farbigen und deutet auf das Pärchen.<br />

Richtig, der Mann hat ein Walkie-Talkie<br />

in der Hand und bestätigt auf unsere<br />

Frage, er gehöre zu einer Zivilstreife.<br />

Mittlerweile ist ein dritter Farbiger mit<br />

Fahrrad hinzugekommen. „Look“,<br />

zeigt man uns, daß der junge Mann mit<br />

dem Fahrrad an seiner Hand Verletzungen<br />

hat. Das sei die Polizei gewesen.<br />

Der Mann mit Walkie-Talkie teilt mit,<br />

es habe eine Routinekontrolle gegeben,<br />

der Farbige mit dem Fahrrad habe sich<br />

widersetzt, man habe ihn deshalb gegen<br />

seinen Widerstand durchsuchen müssen.<br />

Das Pärchen hat jetzt Verstärkung<br />

durch drei weitere Kollegen in Zivil<br />

erhalten.<br />

Ausgabe 73 11.7.1994 · Seite 6<br />

Denk-Mal Er soll wieder mehr in das öffentliche Blickfeld rücken, der Reiter vor dem Schloß. Einstmals zurückversetzt, kam<br />

seine Prächtigkeit nicht mehr zu gebührender Geltung. Dem Übel wird abgeholfen – so will es der Magistrat, so wollte es einstmals<br />

der Großherzog. Weiß wer, wer das ist, der da hoch zu Roß in Bronce thront? Großherzog Ludwig IV.<br />

Das Denkmal „zeigt den Fürsten als Kommandeur der hessischen Division im Krieg gegen Frankreich (1870/71)“ – so belehrt<br />

uns das Buch „Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Stadt Darmstadt“. Ursprünglich stand es auf einem mit Bäumen,<br />

Beeten und einem Treppenaufgang gestalteten kleinen Platz. sb<br />

„Nicht sparen bei den Armen<br />

– streichen bei den Reichen!“<br />

„PSAG“ über Armut in Darmstadt– Kritik an Parteien<br />

Um Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und<br />

Sozialabbau ging es am dritten Abend<br />

(22.6.) der von der „Psychosozialen<br />

Arbeitsgemeinschaft“ (PSAG) veranstalteten<br />

Diskussionsreihe zum Thema<br />

„Wachsende Armut – auch in Darmstadt?“<br />

In einer Vorankündigung hieß<br />

es, die PSAG wolle herausfinden, „welche<br />

kreativen und phantasievollen Ideen<br />

es bei den hierfür Verantwortlichen gibt,<br />

um zunehmenden sozialen Problemen<br />

mit all ihren oft beklagten Folgewirkungen<br />

angemessen zu begegnen“. Doch<br />

weder Walburga Jung (CDU), Theo<br />

Ludwig (FDP), Ulrich Pakleppa (Grüne),<br />

Harry Neß (SPD) noch Darmstadts<br />

Sozialdezernent Gerd Grünewaldt<br />

(SPD) scheinen über solche zu verfügen.<br />

Da hatte Stefan Gillich von der „Teestube<br />

– Anlaufstelle für alleinstehende<br />

Wohnungslose“ gefordert, die Stadt solle<br />

das „Selbsthilfe-Potential“ von<br />

Obdachlosen „voll ausschöpfen“, da<br />

„der jährliche Verlust von preiswertem<br />

Wohnraum 450 Wohnungen umfaßt“,<br />

sie solle „Grundstücke erwerben, sicherstellen<br />

und Konzepte entwickeln, um<br />

Wohnungslosigkeit zu vermeiden und<br />

Arbeitslosigkeit zu bekämpfen“. Gil-<br />

Allmählich erfahren wir, daß das Fahrrad<br />

Anlaß der Routinekontrolle war.<br />

Der Farbige mit dem Rad zeigt uns mit<br />

zitternden Händen eine Quittung von<br />

„Fahrrad-Brunner“ über 998 Mark. Das<br />

Papier in der Hand des einen Schwarzen<br />

ist eine „Zeitung für Darmstadt“ mit<br />

dem Artikel über den Ghanaer in der<br />

Straßenbahn. Er will, daß die Polizisten<br />

den Artikel lesen. Die wollen oder dürfen<br />

aber nicht. „Ich bin das“, brüllt er.<br />

Wir gehen wieder und wieder dazwischen,<br />

versuchen, die Afrikaner zu<br />

beruhigen und bitten die Polizisten zu<br />

gehen. Natürlich haben die keine Lust,<br />

sich beschimpfen zu lassen, aber können<br />

sie die Aufregung und Empörumg<br />

nicht verstehen? Endlich geht die Polizeigruppe<br />

betont langsam in Richtung<br />

Osten davon, die etwas beruhigten und<br />

leiser schimpfenden Farbigen am Teich<br />

entlang in Richtung Pavillon. Gedauert<br />

haben mag das eine Viertelstunde. Es<br />

ist ja gut, daß die Polizei im Herrngarten<br />

Zivilstreifen einsetzt – aber ob ich,<br />

als Weißer, mit einem neuen Fahrrad<br />

kontrolliert worden wäre?<br />

P.J.Hoffmann<br />

lichs Fazit: „Wir brauchen einen runden<br />

Tisch zur Wohnraumversorung für Einkommensschwache<br />

und normalverdienende<br />

Bevölkerungsgruppen – das heißt<br />

eine ämter- und institutionenübergreifende<br />

Ver<strong>net</strong>zung und Zusammenarbeit<br />

unter Federführung der Stadt“ – denn<br />

Armut und Wohnungslosigkeit sei<br />

immer weniger nur ein Problem der<br />

Randgruppen, sondern immer mehr<br />

erwerbslose Alleinerziehende, Kinder<br />

und Jugendliche seien davon betroffen.<br />

Zwei seiner Forderungen, ein jährlicher<br />

Armutsbericht und die Einrichtung einer<br />

zentralen Wohnungssicherungsstelle,<br />

seit Jahren (u.a. von PSAG und Teestube)<br />

eingeklagt und (von der Stadt)<br />

angekündigt – stellte Grünewaldt in<br />

nahe Aussicht. Zu den anderen Punkten<br />

schwiegen sich die PolitikerInnen aber<br />

aus.<br />

Die „Rasenmäher-Methode“<br />

„Nicht sparen bei den Armen, streichen<br />

bei den Reichen“, empfahl ein Kranichsteiner<br />

Sozialarbeiter und meinte, daß es<br />

diesmal nicht um eine „kurzfristige<br />

Sparfrist“ ginge, sondern um „ganz<br />

grundlegende gesellschaftliche Veränderungen<br />

und Umschichtungsprozesse“,<br />

die die vielzitierte „Zwei-Drittel-Gesellschaft“<br />

immer weiter vorantreiben würde.<br />

Die „Rasenmäher-Methode“, bei der<br />

bei allen etwas gespart würde, sei kein<br />

erfolgversprechendes Konzept, richtete<br />

er an die Adresse des Kämmerers. Jetzt<br />

sei vielmehr eine „grundlegende Korrektur“<br />

der Ausgaben von Nöten, klagte<br />

er eine Suche nach „effektiven und verantwortungsvollen<br />

Sparkonzepten“ ein.<br />

Verständlich, daß auch dazu die PolitikerInnen<br />

schwiegen.<br />

„Rangliste Professionalität“<br />

Harry Neß, der sich an jenem Abend<br />

vorab als Kämmerer präsentieren wollte,<br />

widersprach der „Entsolidarisierung“,<br />

vielmehr leisteten die Kommunen<br />

ein „Solidarisierungs-Projekt“ mit<br />

dem Aufbau der neuen fünf Länder, „wo<br />

wir viel Geld reinzahlen müssen“. Dies<br />

sei eine „Gefahr für die kommunale<br />

Selbstverwaltung. Wir werden Mühe<br />

haben, die Pflichtaufgaben zu lösen“.<br />

Überhaupt gebe es in Darmstadt „ja eine<br />

gute Sozialstruktur“, meinte Neß. „Wir<br />

müssen eine Politik machen, die<br />

bedarfsorientiert, nicht angebotsorientiert<br />

ist“ und „was wir der Sozialverwaltung<br />

aufbürden, werden wir auch anderen<br />

freien Trägern aufbürden müssen“.<br />

Sein Sparkonzept:„Wegstreichen von<br />

Doppelaufgaben“. Wo er streiche, würde<br />

er denn Kämmerer? Da fällt ihm zum<br />

Beispiel „Wildwasser“ ein, jene Gruppe,<br />

die sich um sexuell mißbrauchte Frauen<br />

und Mädchen kümmert, denn „da gibt es<br />

ja schon fünf andere, die dafür Geld kriegen“<br />

– da staunte das Publikum. Auf<br />

Nachfrage fielen ihm denn auch nur zwei<br />

ein, die da seien: „Pro Familia“ und<br />

„Kinderschutzbund“. Auch daß sich fünf<br />

Frauengruppen derzeit in Darmstadt<br />

gemeinsam bemühen, ein Konzept für<br />

eine „Mädchenzuflucht“ aufzustellen, ist<br />

ihm ein Dorn im Auge – da sei eine<br />

„stärkere Ver<strong>net</strong>zung“ gefordert. Er<br />

wünscht sich eine „Rangliste der Professionalität“<br />

freier Träger, nur die besten<br />

soll die Stadt unterstützen.<br />

Auch Grünewaldt ist der Ansicht, daß<br />

bei der „Mädchenzuflucht“ eine „Bündelung<br />

notwendig ist“. Die Wohnungssicherungsstelle<br />

werde „unter dem Dach<br />

der Sozialverwaltung eingerichtet“, kündigte<br />

er an und warb für sich und seine<br />

Stadt, „wir vermeiden heute schon Wohnungslosigkeit<br />

wo es geht“.<br />

„Dumme Arbeitsmarktpolitik“<br />

Die „aktive kommunale Beschäftigungspolitik“<br />

griff DGB-Chef Walter<br />

Hoffmann auf, „die muß politisch<br />

gewollt sein … doch starke politische<br />

Kräfte haben daran kein Interesse“.<br />

Bleibe dies und eine Umverteilung aus,<br />

seien „große Teile der Bevölkerung von<br />

Beschäftigung abgeschnitten – dann ist<br />

diese Gruppe weg vom Fenster“. Zur<br />

Zeit habe das Arbeitsamt Darmstadt,<br />

zuständig für den Kreis Starkenburg, 9<br />

Millionen Mark Bundesmittel für Fortund<br />

Weiterbildung zur Verfügung, die<br />

es aber nicht unterbringen könne, „weil<br />

die Träger kaputt sind“. Dies sei das<br />

„Ergebnis skandalöser Kürzungen,<br />

destruktiver und dummer Arbeitsmarktpolitik“.<br />

Auch dazu schwiegen die PolitikerInnen.<br />

„Wir brauchen eine soziale Friedensbewegung“,<br />

schlug Dekan Kimmel vor,<br />

„die Acht hat, was in der Gesellschaft<br />

geschieht“, und die das Thema Armut<br />

aus der Tabuzone holt.<br />

Allen ein menschenwürdiges Leben<br />

sicherzustellen, vor dieser Aufgabe<br />

kapitulieren die PolitikerInnen. Nicht<br />

nur in Darmstadt, aber auch hier. Offenen<br />

Auges marschiert unsere Gesellschaft<br />

so weiter in Richtung Zwei-Drittel-Gesellschaft<br />

und schließt immer<br />

mehr Menschen aus … Eva Bredow

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!