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☛ Fortsetzung von Seite 5<br />
Wehe dem Schwarzen, der…<br />
Einer seiner Freunde, Yaw Owsu,<br />
bekam es mit der Angst zu tun und wollte<br />
Seidu helfen, den Pass aus dem Rucksack<br />
holen. Doch die Beamten nahmen<br />
auch ihn sofort in den Würgegriff und<br />
legten Handschellen an. Die Festnahme<br />
beobachteten immer mehr PassantInnen,<br />
an die fünfzig bis sechzig. Darunter<br />
ein alter Mann, der Yaw Owsu einen<br />
Zettel mit seiner Anschrift zusteckte,<br />
weil er, empört über das Vorgehen der<br />
Beamten, als Zeuge aussagen will.<br />
Kein Verhör, keine Fragen<br />
Ohne einen Grund zu nennen, brachten<br />
die Beamten drei der Ghanaer erst ins<br />
Schloßrevier und später ins Polizeipräsidium,<br />
wo sie inhaftiert wurden. Kein<br />
Verhör, keine Fragen, keine Begründung.<br />
Gegen 22.30 Uhr wurden Seidu<br />
und Yaw Owsu wieder freigelassen, dieses<br />
Mal ohne Mißhandlungen im Polizeigewahrsam.<br />
Ein dritter Ghanaer, der<br />
ebenfalls festgenommen worden war,<br />
mußte bis zum nächsten Tag in der Zelle<br />
bleiben, er hatte eine Geldstrafe nicht<br />
bezahlt.<br />
Bei dem Polizeiwagen soll einer der<br />
Ghanaer einen Polizisten gebissen<br />
haben, wer, das ist den Ghanaern nicht<br />
klar, auch nicht, ob der Biß bei der Festnahme<br />
erfolgte, ärztlich ist jedoch ein<br />
blauer Fleck des Beamten attestiert.<br />
Da gegen die drei Ghanaer wieder strafrechtlich<br />
ermittelt wird, suchen sie dringend<br />
nach weiteren ZeugInnen, die den<br />
Vorgang beobachtet haben – sonst werden<br />
womöglich wieder die Opfer verurteilt.<br />
Anrufe zur Weiterleitung nimmt<br />
die ZD unter der 719896 entgegen.<br />
Gesetzliche Verhältnismäßigkeit<br />
Die Polizei ist zwar berechtigt, die Identität<br />
von Personen festzustellen, (§16<br />
Hessisches Gesetz für Sicherheit und<br />
Ordnung), die Beamten müssen jedoch<br />
den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“<br />
(§5) wahren; und der hat Verfassungsrang.<br />
Er wird auch bezeich<strong>net</strong> als<br />
der „Grundsatz des geringstmöglichen<br />
Einsatzes“. Das Gesetz schreibt vor,<br />
„Maßnahmen … anzuwenden, die die<br />
Allgemeinheit und den einzelnen am<br />
wenigsten beeinträchtigen. Ein durch<br />
eine solche Maßnahme zu erwartender<br />
Schaden darf nicht in offenbarem<br />
Mißverhältnis zu dem beabsichtigten<br />
Erfolg stehen“. Dies ist von Polizeibeamten,<br />
der Darmstädter Staatsanwaltschaft<br />
und dem Richter im Fall Seidu<br />
vor einem Jahr schon nicht berücksichtigt<br />
worden und führt ohne Vorwegnahme<br />
des tatsächlichen Ablaufes auch in<br />
diesem Fall wieder zu berechtigten<br />
Zweifeln an dem Vorgehen der Beamten.<br />
Da sich die Ghanaer nicht geweigert<br />
haben, ihre Ausweise vorzuzeigen,<br />
bestand nach dem Gesetz kein Grund,<br />
sie in Handschellen zu legen und in Haft<br />
zu nehmen. Woher nahm der erste Zivilpolizist<br />
die Berechtigung, Hand an<br />
Oppong zu legen, um zu überprüfen,<br />
ober er eine Waffe oder ähnliches hat, da<br />
Oppong seinen Ausweis vorgezeigt hatte?<br />
Wozu die Brutalität?<br />
„Die Polizeivollzugsbeamten haben die<br />
Voraussetzungen und Grenzen unmittelbaren<br />
Zwanges, wie sie durch Gesetz<br />
und diese Verwaltungsvorschrift<br />
bestimmt sind, genau zu beachten“,<br />
Ein Augenzeugenbericht<br />
Dienstag, der 28. Juni, ist ein heißer<br />
Tag. Unter den Linden der Allee, die<br />
den Herrngarten von Westen nach<br />
Osten quert, ist es angenehm laufen.<br />
Wir kommen aus dem „französischen“<br />
Park und gehen Richtung Frankfurter<br />
Straße. Es ist nach halb acht Uhr. In privates<br />
Gespräch vertieft, bemerken wir<br />
plötzlich zwei Schwarze, die – wohl<br />
vom Teich her kommend – über die<br />
neugepflanzte Buchenhecke springen<br />
und auf ein uns entgegenkommendes<br />
Pärchen zustürzen.<br />
Sie schreien es an, fuchteln vor den<br />
Gesichtern herum. Wir haben null<br />
Bock auf trouble und es geht uns nichts<br />
an. Aber, weil es ein ärgerliches Gefühl<br />
ist, sich einzugestehen, feige zu sein –<br />
und weil wir genug Phantasie haben,<br />
uns vorzustellen, dreißig Meter weiter<br />
wären wir, statt des Pärchens angemacht<br />
worden, gehen wir hin. Das Pärchen,<br />
er um die dreißig, sie etwas jünger,<br />
beide in Shorts wie wir, ist schrittweise<br />
auf dem Rückzug. Wir wollen<br />
wissen, was los ist. Sofort wenden sich<br />
schreibt der Hessische Minister des<br />
Innern vor (VV UZwG Pol) und bezieht<br />
sich auch ausdrücklich auf den Grundsatz<br />
der Verhältnismäßigkeit: „Vor der<br />
Anwendung unmittelbaren Zwanges ist<br />
stets zu prüfen, ob das polizeiliche Ziel<br />
auf dem Wege der Androhung von<br />
Zwangsgeld … erreicht werden kann“.<br />
Doch welches Ziel wollten die Beamten<br />
mit dem brutal gewaltsamem Vorgehen<br />
erreichen? Eine Straftat mußte nicht aufgeklärt<br />
oder einer denkbaren vorgebeugt<br />
werden – ihre Ausweise zu zeigen,<br />
waren die Ghanaer bereit.<br />
„Die Verpflichtung, Verletzten Beistand<br />
zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen<br />
… geht vor“, verord<strong>net</strong> der<br />
Innenminister und die Polizisten, statt<br />
dem verletzten Oppong zu helfen, geben<br />
ihrer Ausländerfeindlichkeit offen Ausdruck:<br />
„Go back to africa“.<br />
Schutz vor der Öffentlichkeit<br />
Der Redaktion liegen die Namen der<br />
Beamten zum Teil vor und wir hätten sie<br />
abgedruckt. Doch Oppong und Seidu<br />
wollten nicht, daß sie veröffentlicht<br />
werden, weil Oppongs Rechtsanwalt<br />
Hans Walter Mohrmann, „Nachteile<br />
durch Frontenverhärtung“ fürchtet. In<br />
Juristenkreisen wird von „Hochspielen“<br />
gesprochen, weil in der ZD die Fremdenfeindlichkeit<br />
beim Wort genannt<br />
wurde. Dort denkt man noch immer an<br />
das Aushandeln hinter den Kulissen.<br />
Doch wie sieht das aus? Oppongs Strafantrag<br />
gegen die Beamten geht zur<br />
Staatsanwaltschaft, dort wird eine Stellungnahme<br />
der beteiligten Polizisten<br />
angefordert – bislang gingen solche<br />
Verfahren mit der Einstellung der<br />
Ermittlungen aus. Bislang wurden auch<br />
keine Namen beteiligter Beamter in der<br />
Öffentlichkeit genannt, außer, sie traten<br />
als Zeugen bei Strafverfahren gegen die<br />
Schwarzen auf. Sollen deshalb keine<br />
Namen genannt werden, damit Beamteneifer<br />
möglichst ohne Öffentlichkeit<br />
durch leise Einstellung der Ermittlungen<br />
honoriert werden kann?<br />
Und wir?<br />
Ob auch dieses Mal wieder alle Partei-<br />
PolitikerInnen, der Oberbürgermeister,<br />
der Polizeipräsident, der Regierungspräsident<br />
schweigen werden? Die Staatsanwaltschaft<br />
ihre Ermittlungen einstellt<br />
und Richter aburteilen? Wie lange wollen<br />
wir uns das noch ansehen?<br />
High Noon<br />
Daß unsere PolitikerInnen schweigen,<br />
daß Behörden Akten ablegen, daß<br />
Beamte die Vorhut der Reaktion sind,<br />
daß Schwarze und andere Fremdlinge<br />
Untermenschen sind, daß Menschenrechte<br />
nur für weiße Götter gelten, daß<br />
Mitleiden nicht unsere Sache ist: Bundesrepublik<br />
Deutschland, Darmstadt<br />
heute. Ausländerfeindlichkeit hat in<br />
Darmstadt nichts mit Skins oder<br />
Glatzenträgern zu tun.<br />
Leider kann die ZD über den Prozeß und<br />
die Reaktion der Landesregierung nicht<br />
mehr berichten, auch nicht mehr über<br />
künftige fremdenfeindliche Gesetzesüberschreitungen<br />
Darmstädter Polizisten.<br />
M. Grimm<br />
* Verurteilt hat das Darmstädter Amtsgericht<br />
„Osman Seido“, tatsächlich<br />
heißt er Seidu.<br />
die beiden Farbigen uns zu. Sie sind<br />
aufgeregt und besonders der eine mit<br />
einem Stück Papier in der Hand ist<br />
wütend. Sie ringen mit Worten, gestikulieren.<br />
Wir hören etwas von „überfallen“,<br />
„auf den Boden geworfen“ und<br />
„Polizei“.<br />
Wir glauben, die Situation erkannt zu<br />
haben und bieten an, zur Notrufsäule<br />
zurückzugehen und die Polizei zu<br />
rufen. „Polizei ist da“, sagt einer der<br />
Farbigen und deutet auf das Pärchen.<br />
Richtig, der Mann hat ein Walkie-Talkie<br />
in der Hand und bestätigt auf unsere<br />
Frage, er gehöre zu einer Zivilstreife.<br />
Mittlerweile ist ein dritter Farbiger mit<br />
Fahrrad hinzugekommen. „Look“,<br />
zeigt man uns, daß der junge Mann mit<br />
dem Fahrrad an seiner Hand Verletzungen<br />
hat. Das sei die Polizei gewesen.<br />
Der Mann mit Walkie-Talkie teilt mit,<br />
es habe eine Routinekontrolle gegeben,<br />
der Farbige mit dem Fahrrad habe sich<br />
widersetzt, man habe ihn deshalb gegen<br />
seinen Widerstand durchsuchen müssen.<br />
Das Pärchen hat jetzt Verstärkung<br />
durch drei weitere Kollegen in Zivil<br />
erhalten.<br />
Ausgabe 73 11.7.1994 · Seite 6<br />
Denk-Mal Er soll wieder mehr in das öffentliche Blickfeld rücken, der Reiter vor dem Schloß. Einstmals zurückversetzt, kam<br />
seine Prächtigkeit nicht mehr zu gebührender Geltung. Dem Übel wird abgeholfen – so will es der Magistrat, so wollte es einstmals<br />
der Großherzog. Weiß wer, wer das ist, der da hoch zu Roß in Bronce thront? Großherzog Ludwig IV.<br />
Das Denkmal „zeigt den Fürsten als Kommandeur der hessischen Division im Krieg gegen Frankreich (1870/71)“ – so belehrt<br />
uns das Buch „Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Stadt Darmstadt“. Ursprünglich stand es auf einem mit Bäumen,<br />
Beeten und einem Treppenaufgang gestalteten kleinen Platz. sb<br />
„Nicht sparen bei den Armen<br />
– streichen bei den Reichen!“<br />
„PSAG“ über Armut in Darmstadt– Kritik an Parteien<br />
Um Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und<br />
Sozialabbau ging es am dritten Abend<br />
(22.6.) der von der „Psychosozialen<br />
Arbeitsgemeinschaft“ (PSAG) veranstalteten<br />
Diskussionsreihe zum Thema<br />
„Wachsende Armut – auch in Darmstadt?“<br />
In einer Vorankündigung hieß<br />
es, die PSAG wolle herausfinden, „welche<br />
kreativen und phantasievollen Ideen<br />
es bei den hierfür Verantwortlichen gibt,<br />
um zunehmenden sozialen Problemen<br />
mit all ihren oft beklagten Folgewirkungen<br />
angemessen zu begegnen“. Doch<br />
weder Walburga Jung (CDU), Theo<br />
Ludwig (FDP), Ulrich Pakleppa (Grüne),<br />
Harry Neß (SPD) noch Darmstadts<br />
Sozialdezernent Gerd Grünewaldt<br />
(SPD) scheinen über solche zu verfügen.<br />
Da hatte Stefan Gillich von der „Teestube<br />
– Anlaufstelle für alleinstehende<br />
Wohnungslose“ gefordert, die Stadt solle<br />
das „Selbsthilfe-Potential“ von<br />
Obdachlosen „voll ausschöpfen“, da<br />
„der jährliche Verlust von preiswertem<br />
Wohnraum 450 Wohnungen umfaßt“,<br />
sie solle „Grundstücke erwerben, sicherstellen<br />
und Konzepte entwickeln, um<br />
Wohnungslosigkeit zu vermeiden und<br />
Arbeitslosigkeit zu bekämpfen“. Gil-<br />
Allmählich erfahren wir, daß das Fahrrad<br />
Anlaß der Routinekontrolle war.<br />
Der Farbige mit dem Rad zeigt uns mit<br />
zitternden Händen eine Quittung von<br />
„Fahrrad-Brunner“ über 998 Mark. Das<br />
Papier in der Hand des einen Schwarzen<br />
ist eine „Zeitung für Darmstadt“ mit<br />
dem Artikel über den Ghanaer in der<br />
Straßenbahn. Er will, daß die Polizisten<br />
den Artikel lesen. Die wollen oder dürfen<br />
aber nicht. „Ich bin das“, brüllt er.<br />
Wir gehen wieder und wieder dazwischen,<br />
versuchen, die Afrikaner zu<br />
beruhigen und bitten die Polizisten zu<br />
gehen. Natürlich haben die keine Lust,<br />
sich beschimpfen zu lassen, aber können<br />
sie die Aufregung und Empörumg<br />
nicht verstehen? Endlich geht die Polizeigruppe<br />
betont langsam in Richtung<br />
Osten davon, die etwas beruhigten und<br />
leiser schimpfenden Farbigen am Teich<br />
entlang in Richtung Pavillon. Gedauert<br />
haben mag das eine Viertelstunde. Es<br />
ist ja gut, daß die Polizei im Herrngarten<br />
Zivilstreifen einsetzt – aber ob ich,<br />
als Weißer, mit einem neuen Fahrrad<br />
kontrolliert worden wäre?<br />
P.J.Hoffmann<br />
lichs Fazit: „Wir brauchen einen runden<br />
Tisch zur Wohnraumversorung für Einkommensschwache<br />
und normalverdienende<br />
Bevölkerungsgruppen – das heißt<br />
eine ämter- und institutionenübergreifende<br />
Ver<strong>net</strong>zung und Zusammenarbeit<br />
unter Federführung der Stadt“ – denn<br />
Armut und Wohnungslosigkeit sei<br />
immer weniger nur ein Problem der<br />
Randgruppen, sondern immer mehr<br />
erwerbslose Alleinerziehende, Kinder<br />
und Jugendliche seien davon betroffen.<br />
Zwei seiner Forderungen, ein jährlicher<br />
Armutsbericht und die Einrichtung einer<br />
zentralen Wohnungssicherungsstelle,<br />
seit Jahren (u.a. von PSAG und Teestube)<br />
eingeklagt und (von der Stadt)<br />
angekündigt – stellte Grünewaldt in<br />
nahe Aussicht. Zu den anderen Punkten<br />
schwiegen sich die PolitikerInnen aber<br />
aus.<br />
Die „Rasenmäher-Methode“<br />
„Nicht sparen bei den Armen, streichen<br />
bei den Reichen“, empfahl ein Kranichsteiner<br />
Sozialarbeiter und meinte, daß es<br />
diesmal nicht um eine „kurzfristige<br />
Sparfrist“ ginge, sondern um „ganz<br />
grundlegende gesellschaftliche Veränderungen<br />
und Umschichtungsprozesse“,<br />
die die vielzitierte „Zwei-Drittel-Gesellschaft“<br />
immer weiter vorantreiben würde.<br />
Die „Rasenmäher-Methode“, bei der<br />
bei allen etwas gespart würde, sei kein<br />
erfolgversprechendes Konzept, richtete<br />
er an die Adresse des Kämmerers. Jetzt<br />
sei vielmehr eine „grundlegende Korrektur“<br />
der Ausgaben von Nöten, klagte<br />
er eine Suche nach „effektiven und verantwortungsvollen<br />
Sparkonzepten“ ein.<br />
Verständlich, daß auch dazu die PolitikerInnen<br />
schwiegen.<br />
„Rangliste Professionalität“<br />
Harry Neß, der sich an jenem Abend<br />
vorab als Kämmerer präsentieren wollte,<br />
widersprach der „Entsolidarisierung“,<br />
vielmehr leisteten die Kommunen<br />
ein „Solidarisierungs-Projekt“ mit<br />
dem Aufbau der neuen fünf Länder, „wo<br />
wir viel Geld reinzahlen müssen“. Dies<br />
sei eine „Gefahr für die kommunale<br />
Selbstverwaltung. Wir werden Mühe<br />
haben, die Pflichtaufgaben zu lösen“.<br />
Überhaupt gebe es in Darmstadt „ja eine<br />
gute Sozialstruktur“, meinte Neß. „Wir<br />
müssen eine Politik machen, die<br />
bedarfsorientiert, nicht angebotsorientiert<br />
ist“ und „was wir der Sozialverwaltung<br />
aufbürden, werden wir auch anderen<br />
freien Trägern aufbürden müssen“.<br />
Sein Sparkonzept:„Wegstreichen von<br />
Doppelaufgaben“. Wo er streiche, würde<br />
er denn Kämmerer? Da fällt ihm zum<br />
Beispiel „Wildwasser“ ein, jene Gruppe,<br />
die sich um sexuell mißbrauchte Frauen<br />
und Mädchen kümmert, denn „da gibt es<br />
ja schon fünf andere, die dafür Geld kriegen“<br />
– da staunte das Publikum. Auf<br />
Nachfrage fielen ihm denn auch nur zwei<br />
ein, die da seien: „Pro Familia“ und<br />
„Kinderschutzbund“. Auch daß sich fünf<br />
Frauengruppen derzeit in Darmstadt<br />
gemeinsam bemühen, ein Konzept für<br />
eine „Mädchenzuflucht“ aufzustellen, ist<br />
ihm ein Dorn im Auge – da sei eine<br />
„stärkere Ver<strong>net</strong>zung“ gefordert. Er<br />
wünscht sich eine „Rangliste der Professionalität“<br />
freier Träger, nur die besten<br />
soll die Stadt unterstützen.<br />
Auch Grünewaldt ist der Ansicht, daß<br />
bei der „Mädchenzuflucht“ eine „Bündelung<br />
notwendig ist“. Die Wohnungssicherungsstelle<br />
werde „unter dem Dach<br />
der Sozialverwaltung eingerichtet“, kündigte<br />
er an und warb für sich und seine<br />
Stadt, „wir vermeiden heute schon Wohnungslosigkeit<br />
wo es geht“.<br />
„Dumme Arbeitsmarktpolitik“<br />
Die „aktive kommunale Beschäftigungspolitik“<br />
griff DGB-Chef Walter<br />
Hoffmann auf, „die muß politisch<br />
gewollt sein … doch starke politische<br />
Kräfte haben daran kein Interesse“.<br />
Bleibe dies und eine Umverteilung aus,<br />
seien „große Teile der Bevölkerung von<br />
Beschäftigung abgeschnitten – dann ist<br />
diese Gruppe weg vom Fenster“. Zur<br />
Zeit habe das Arbeitsamt Darmstadt,<br />
zuständig für den Kreis Starkenburg, 9<br />
Millionen Mark Bundesmittel für Fortund<br />
Weiterbildung zur Verfügung, die<br />
es aber nicht unterbringen könne, „weil<br />
die Träger kaputt sind“. Dies sei das<br />
„Ergebnis skandalöser Kürzungen,<br />
destruktiver und dummer Arbeitsmarktpolitik“.<br />
Auch dazu schwiegen die PolitikerInnen.<br />
„Wir brauchen eine soziale Friedensbewegung“,<br />
schlug Dekan Kimmel vor,<br />
„die Acht hat, was in der Gesellschaft<br />
geschieht“, und die das Thema Armut<br />
aus der Tabuzone holt.<br />
Allen ein menschenwürdiges Leben<br />
sicherzustellen, vor dieser Aufgabe<br />
kapitulieren die PolitikerInnen. Nicht<br />
nur in Darmstadt, aber auch hier. Offenen<br />
Auges marschiert unsere Gesellschaft<br />
so weiter in Richtung Zwei-Drittel-Gesellschaft<br />
und schließt immer<br />
mehr Menschen aus … Eva Bredow