Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer
Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer
Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aufstiegschancen bietet, allerdings wieder um den Preis der uneingeschränkten Anpassung an<br />
die dort geltenden Normen. Sein Doppelleben als Romanschreiber kann in diesem<br />
Zusammenhang, wie Franz Eybl vorschlägt, als Gegenpol und Ausgleich zu den sich aus<br />
<strong>Beer</strong>s öffentlicher Rolle ergebenden Anspannungen gesehen werden. 5<br />
Ein Blick auf das veröffentlichte Gesamtwerk <strong>Johann</strong> <strong>Beer</strong>s spiegelt die oben genannte<br />
Zweigleisigkeit. Es umfasst zwei große Gruppen von Texten, 6 die sich rein äußerlich schon<br />
dadurch unterscheiden, dass die Schriften der einen Gruppe unter seinem Namen erschienen,<br />
während die anderen anonym herausgegeben wurden. Mit seinem Namen zeichnete <strong>Beer</strong> eine<br />
Reihe von kleineren Werken (Gebrauchslyrik, eine Epigrammsammlung, ein<br />
Passionsgedicht), musikbezogenen Fachtexten (Bellum Musicum posthum 1701, Musicalische<br />
Discurse posthum 1719, Streitschriften Ursus Murmurat, Ursus Vulpinatur beide 1697) und<br />
Opernlibretti, sowie eine Nacherzählung, bei der er vor allem auf die von ihm angefertigten<br />
Holzschnitte Wert legte (Die Geschicht und Histori von Land-Graff Ludwig dem Springer<br />
1698). In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckte man dann noch ein privates<br />
Dokument: <strong>Beer</strong>s Lebensbeschreibung.<br />
Diese Schriften und Veröffentlichungen unter Angabe des Verfassernamens standen in<br />
Einklang mit <strong>Beer</strong>s beruflicher Rolle als Hofbeamter und Musiker und wurden deshalb von<br />
ihm selbst als repräsentativ und als für seinen gesellschaftlichen Ruf nützlich angesehen.<br />
Die 21 anonymen literarischen Werke hingegen sind mit der privaten Seite <strong>Johann</strong> <strong>Beer</strong>s<br />
verbunden und wurden sorgfältig von der öffentlichen Rolle des Musikers und<br />
Hofangestellten getrennt. Mit Ausnahme seiner Schulfreunde und Verleger dürfte kaum<br />
jemandem seine Autorschaft bekannt gewesen sein, <strong>Beer</strong> erwähnt sie nicht einmal in seiner<br />
Autobiographie. Als durch einen Prozess die geheim gehaltene Identität aufzufliegen droht,<br />
stellt <strong>Beer</strong> die Romanproduktion ein und es erscheinen bis zu seinem Tod nur noch wenige<br />
Werke, von denen man aber vermutet, dass sie bereits in den achtziger Jahren geschrieben<br />
wurden. 7<br />
5 „Anpassungsleistung war Zeit seines Lebens von ihm verlangt und nicht erst im Umkreis höfischer Existenz.<br />
Schwerlich wird daher von einem moralischen Defizit des Autors <strong>Beer</strong> zu sprechen sein; vielleicht kann man<br />
vom psychologischen Gewinn einer adäquaten Situationsmächtigkeit als Faktor persönlicher Dynamik und<br />
Flexibilität ausgehen, sicherlich aber von einer Grundsignatur dieses Lebens, das von Kindheit an vom Konflikt<br />
zwischen künstlerischer Begabung und dem Dienstverhältnis der Patronage geprägt ist. Subversiv dagegen und<br />
vermutlich befreiend war das Erzählen, im Freundeskreis wie in seinen Romanen, wahren Produkten eines<br />
stürmisch expandierenden Marktes, und es spielt souverän mit den konfessionellen Gräben, über die ihr<br />
Verfasser so leicht zu springen schien.“ Eybl 2000, S. 61.<br />
6 Vollständige Werkübersichten finden sich bei Hardin, James 1983: <strong>Johann</strong> <strong>Beer</strong>. Eine beschreibende<br />
Bibliographie. Bern, München (Bibliographien z. dt. Barockliteratur 2) und z. B. im Katalog zur Ausstellung, s.<br />
Anm. 2.<br />
7 Die literarischen Werke <strong>Beer</strong>s entstanden in einem relativ kurzen Zeitraum zwischen 1677 bis 1683 und<br />
beginnen offensichtlich mit Aufzeichnungen für seine in Regensburg verbliebenen Freunde. Dafür sprechen<br />
Widmungen und ironisch-satirische Anspielungen auf gemeinsame Bekannte in den frühen Romanen. Z.Z. wird<br />
3