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Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer

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Flehender oder Anbetender. Neben ihm kann man bestätigend die Worte „Vinctus vinco“ 39<br />

lesen. Im linken oberen Teil öffnet sich der Blick in eine Landschaft, vor der ein Ritter mit<br />

gezogenem Schwert und Lanze herbei geritten kommt. An der Lanze weht ein Fähnchen mit<br />

der Aufschrift „Adjuvante Fortuna“. 40<br />

Das Kupfer deutet somit auf einen Liebesroman hin, wie ja auch im Titel behauptet wird.<br />

Doch lässt das gleichzeitige Auftreten von Amor und Fortuna aufmerken. Denn dies verweist<br />

schon auf ein anderes, nämlich das galante Paradigma, nach welchem die Fortuna des<br />

höfischen Romanmusters nun durch Amor abgelöst wird. 41 Die Beobachtung deckt sich mit<br />

Solbachs Meinung, der unter Einbeziehung von Pseudonym und Zuschrift zu der Ansicht<br />

gelangt, „daß es sich bestenfalls um einen galanten und nicht etwa einen höfischen Roman<br />

handelt.“ 42 Später interpretiert er das Kupfer satirisch: Im ersten Romanteil sei der Held<br />

Alexander von der Liebe gefangen, werde dann aber „aus seiner Liebesknechtschaft durch die<br />

im Titelkupfer zu Hilfe eilende Fortuna befreit.“ 43 Im zweiten Romanteil könne der Held<br />

deshalb die Beobachterposition einnehmen und die ironische bzw. satirische Intention des<br />

Romans 44 trete nun deutlicher zu Tage. <strong>Beer</strong> ziele mit seinem Roman vor allem auf das<br />

anmaßende Verhalten der Frauen, namentlich der Bürgertöchter, die mit ihrer Schönheit und<br />

anderen Tricks nach einer Heirat mit einem Adligen streben.<br />

Fraglich ist bei diesem Erklärungsversuch aber zumindest, warum ausgerechnet die dem<br />

älteren Paradigma zugehörige Fortuna als Retterin erscheint. Gegen eine satirische Auslegung<br />

spricht auch die Abwesenheit eines entsprechenden Hinweises im Kupfer. Denn bei anderen<br />

Romanen <strong>Beer</strong>s äußert sich die satirische Intention bereits in der für Satiren typischen<br />

Motivik der Kupfer, wo Masken, Narren oder Satyrn abgebildet sind (etwa beim Maulaffen,<br />

der Weiberhächel, dem Bratenwender, dem Feuermäuerkehrer oder dem Kleideraffen, s.<br />

Abb. 2-6). Dieser Einwand muss festgehalten werden und wir werden in der weiteren Analyse<br />

des Romans die Frage, ob es sich um eine Satire handelt oder nicht, später noch einmal<br />

aufgreifen (s. 4.8. Kapitel).<br />

Solbachs Interpretation führt dennoch gut vor Augen, wie Titelkupfer, Titelangaben und Text<br />

miteinander interagieren. Denn der Schriftzug Amor im Kupfer lässt sich mit der<br />

39<br />

<strong>Der</strong> vom Zauber Gefangene.<br />

40<br />

Die helfende Fortuna.<br />

41<br />

Breuer, Ingo 1999: Formen des Romans. In: Die Literatur des 17. Jahrhunderts. S. 575-593, hier S. 590.<br />

42<br />

Solbach 2003, S. 216.<br />

43<br />

Ebenda, S. 224.<br />

44<br />

„Auf die galanten, wenngleich nach <strong>Beer</strong>s Voraussetzungen ironisch gebrochenen Liebesdiskurse folgen<br />

Konversationen, die durch die unzüchtigen und ehrgeizigen Interessen der Frauen gekennzeichnet sind.<br />

Voraussetzung der Satire ist dabei der gewandelte Charakter des Helden, der, von der Liebe ‚geheilt’, eine<br />

vordem unbekannte satirische Aggressivität entwickelt, die sich nicht scheut, die Gesprächspartnerinnen zu<br />

beleidigen und zu erniedrigen oder ganz handgreiflich die Probe aufs Exempel der liberalen Frauenmoral zu<br />

machen.“ Ebenda, S. 229.<br />

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