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Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer

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Und ich versichere euch Herrn THEOLOGOS, an was Orten und Enden ihr in Europa auch seyn möget/ daß<br />

wofern euch solche Laster [...] zu Ohren kommen/ und ihr solche nicht ernsthafftig straffet/ sondern durch die<br />

Finger sehet/ daß Gott der Herr an jenen grossen Tage/ alle Seelen/ welche hiedurch verlohren werden/ von euch<br />

fordern wird/ derowegen seyd nicht stumme Hunde/ die nicht bellen/ sondern erhebet eure Stimme wie eine<br />

Posaune/ und wofern ihr gewisse Nachricht erhaltet/ so bringet solche Leute vor die Obrigkeit/ welche (wann sie<br />

die Verschmählerung der Gerechtigkeit nicht etwa auch vor eine Politische GALANDERIE hält/) schon ein<br />

Einsehen haben wird. (VE S. 66, 26-36)<br />

Wie beim ersten Beispiel klaffen auch hier Narratio und Moralisatio auseinander, denn der<br />

spärliche Bezug zur Handlung dient nur als Vorwand für den moralisierenden Anhang. Dabei<br />

wird der Anlass selbst ins Positive verdreht. Denn die Braut verstößt eigentlich gegen den<br />

Hochzeitsritus und somit eine sanktionierte Verhaltensnorm, welche besagt, dass sich das<br />

Brautpaar, während die Gäste feiern, frühzeitig zum Vollzug ihrer Ehe zurückziehen soll.<br />

Ein eher lapidares Fazit, wieder unter Einbeziehung eines Spruchs, wird unter den Bericht<br />

über eine Predigt gesetzt:<br />

Summa Summarum/ man kann aus oberzehlten leicht abnehmen/ wie die gemeinen Bauren müssen seyn<br />

gearbeitet gewesen/ denn es heisset wohl recht: Wie der Herr ist/ so sind auch die Unterthanen. (VE S. 46, 26-<br />

28)<br />

<strong>Der</strong> Kommentar wird hier lediglich zum Schlusswort einer insgesamt Pastor und Gemeinde<br />

verhöhnenden Sequenz und hat mit einer Moralisatio im herkömmlichen Sinne kaum mehr<br />

etwas zu tun.<br />

Persönliche Meinungen können als Kommentare eingefügt sein („ich halte gäntzlich<br />

davor...“; z. B. S. 54, 11 und S. 64, 30) und beziehen sich im Roman vor allem auf das Thema<br />

Liebe und Frauen (z. B. S. 54, 11-15; S. 55, 28-30) und das Streben nach sozialem Aufstieg<br />

mittels Heirat (s. z. B. Ausführungen unter dem Stichwort „NEMO SUA SORTE<br />

CONTENTUS“ S. 76, 41 - 77, 35). Die Betonung des Subjektiven steht natürlich dann in<br />

deutlichem Kontrast zur Allgemeingültigkeit einer konventionellen Moralisatio.<br />

Zwei lange Kommentare begleiten die Geschichte und Heirat Antonius’. Es wird diesmal für<br />

eine Figur Partei ergriffen. Die Darlegungen beziehen sich auf die Einmischung der Eltern in<br />

das Leben ihrer Kinder, sei es aus übertriebener Liebe (S. 58, 40 - 59, 27), sei es, weil ihnen<br />

der gewählte Partner nicht zusagt (S. 60, 38 - 61, 27).<br />

Wird ein Kommentar einer Figur selbst überlassen, endet mit ihm meistens eine von der<br />

jeweiligen Figur erzählte Geschichte. <strong>Der</strong>artige Binnenerzählungen folgen dann in sich<br />

wiederum der formalen Unterteilung in Narratio und Moralisatio, wobei der Kommentar dann<br />

als Fazit angehängt wird. So schließt ein Pater seine Erzählung über unschickliche Heiraten<br />

mit großem Altersunterschied mit den Worten:<br />

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