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Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer

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auf der rechten oder auch „schönen“ Seite. Sie fällt beim Durchblättern eines Buches eher ins<br />

Auge als die linke oder auch „falsche“ Seite (Verso), wo man das Titelkupfer setzte. 35<br />

Titel haben drei grundsätzliche Funktionen, nämlich: das Werk zu identifizieren, seinen Inhalt<br />

und seine Form zu bezeichnen sowie es dem Publikum schmackhaft zu machen.<br />

Die Titelseite zeigt also den Titel, welcher sich als komplexes Gebilde erweist, denn er enthält<br />

außer dem bloßen Titel eine Reihe von in ihn mehr oder weniger verwobenen Informationen.<br />

Neben dem Titel <strong>Der</strong> verliebte Europeer finden sich eingebunden in den Untertitel - dessen<br />

Beginn durch das Oder kenntlich gemacht ist - eine (einstweilige) Gattungsangabe<br />

Wahrhafftige Liebes=Roman und eine Inhaltsangabe unter Nennung des Helden In welchen<br />

ALEXANDRI Liebesgeschichte/ und tapfere Helden=Thaten/ womit er nicht alleine sich bey<br />

den Frauenzimmern beliebt gemacht/ sondern auch in Besichtigung unterschiedliche<br />

Königreiche in Europa/ dero vornehmsten Staats=Maximen angemerckt/ begriffen.<br />

Damit sind die ersten beiden Funktionen erfüllt. Dem Publikum wird das Werk zum einen in<br />

seiner Titelaufmachung, also auch in Einheit mit der Illustration durch das Kupfer und den<br />

Schriftsatz, schmackhaft gemacht, zum anderen durch die Adressierung und vielleicht auch<br />

durch den phantasievollen Autornamen:<br />

Es folgen also die Adressaten 36 allem Curiosen Frauenzimmer/ und klugen Hoff=Leuten zu<br />

sonderbaren Nutz sowie der (angebliche) Verfasser zusammen getragen/ durch Alexandri<br />

guten Freund/ welcher sonst genannt wird AMANDUS DE AMANTO. <strong>Der</strong> Form und Art der<br />

Nennung des Verfassernamens ist bereits zu entnehmen, dass es sich um eine Autorfiktion<br />

bzw. die Vortäuschung eines Herausgebers handelt. Dass er nicht einfach weggelassen wurde<br />

– eine zur damaligen Zeit durchaus übliche Option – bedeutet, dass es dem Autor wichtig war,<br />

die Wahrheit des Erzählten zu beglaubigen (Freund). Dies ist ein Muster, welches von<br />

„echten“ und fiktiven Lebensbeschreibungen bekannt ist und dort den „autobiographischen<br />

Pakt“ mit dem Leser begründet. 37 Da im <strong>Verliebte</strong>n <strong>Europäer</strong> der Verfasser aber nicht<br />

identisch mit dem Helden ist, verlagert sich die Beglaubigungsstrategie auf die Versicherung<br />

der Wahrheit durch die Worte zusammen getragen/ durch Alexandri guten Freund. Denn eine<br />

Nichtidentität verschiebt normalerweise die Erwartungshaltung des Lesers in Richtung eines<br />

35<br />

Diese Formfragen liegen u. a. vornehmlich in der Verantwortung des Verlegers, wie auch die Wahl des<br />

Duodezformats (s. oben 2.1). Sie werden deshalb als „verlegerischer Peritext“ bezeichnet. Wenn der Titel relativ<br />

kurz war, konnte das Kupfer auch auf der Titelseite platziert werden. Von dieser Praxis rückte man ab, als die<br />

Inhaltsangaben auf der Titelseite umfangreicher wurden.<br />

36<br />

Genette unterscheidet zwischen Adressat des Textes: = die Leser und Adressat des Titels: = das Publikum.<br />

Genette 2001, S. 77.<br />

37<br />

Vgl. Lejeune, Philippe 1994: <strong>Der</strong> autobiographische Pakt. Frankfurt/ Main: Suhrkamp (Original 1975: Le<br />

pacte autobiographique).<br />

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