Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer
Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer
Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer
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dass der <strong>Verliebte</strong> <strong>Europäer</strong> in der wissenschaftlichen Literatur bisher nur marginal<br />
berücksichtigt wurde. Erst in jüngster Vergangenheit wurden Versuche unternommen, vor<br />
allem in Untersuchungen zur Poetik <strong>Beer</strong>s, das Verbindende mit anderen seiner Werke<br />
herauszuarbeiten (s. auch 2.2). 10<br />
<strong>Der</strong> einzige Aufsatz, der ausschließlich dem <strong>Verliebte</strong>n <strong>Europäer</strong> gewidmet ist, wurde 1984<br />
von Manfred Kremer vorgelegt. 11 Vor Kurzem erschien eine zweite relativ ausführliche<br />
Auseinandersetzung mit diesem Roman im Rahmen von Andreas Solbachs umfassender<br />
Studie zu <strong>Beer</strong>s erzählerischem Werk. 12<br />
Trotzdem gilt der Roman weiter als ein für den Autor untypisches Werk, und schon <strong>Beer</strong>s<br />
Entdecker Richard Alewyn schrieb darüber in seiner Dissertation, dass es eigentlich nur ein<br />
Buch gebe, „bei dem man wohl kaum auf <strong>Beer</strong> geraten hätte: - der <strong>Verliebte</strong> <strong>Europäer</strong>.“ 13<br />
Dort äußert Alewyn außerdem, dass er es für eines der unwichtigsten Werke <strong>Beer</strong>s halte, und<br />
man darf vermuten, dass diese Einschätzung des Begründers der <strong>Beer</strong>-Studien einen weiteren<br />
Grund dafür lieferte, dem Roman lange Zeit wenig Beachtung zu schenken.<br />
<strong>Der</strong> Roman wirkt auf den ersten Blick uneinheitlich und verwirrend, sicherlich auch deshalb,<br />
weil er durch das Fehlen eines zweiten Teils, der im Text angekündigt wird, unvollständig zu<br />
sein scheint. Außerdem lässt er den aus den anderen Werken bekannten satirischen Ton<br />
vermissen und <strong>Beer</strong> stellt diesmal, stärker als sonst von ihm gewohnt, ein didaktisches<br />
Anliegen in den Mittelpunkt.<br />
Es wird zu zeigen sein, dass <strong>Beer</strong> mit diesem Roman sehr wohl an sein vorheriges<br />
literarisches Schaffen anknüpft, indem er auch im <strong>Verliebte</strong>n <strong>Europäer</strong> virtuos literarische<br />
Muster und Schreibweisen mischt, aber auch oder gerade durch die Fortsetzung dieser ihm<br />
eigenen Technik einer neuen bzw. noch in den Anfängen begriffenen Romanform den Weg<br />
bereitet: dem galanten Roman.<br />
Die Annäherung an den Text erfolgt in einem ersten Schritt über die Betrachtung und<br />
Auswertung der äußeren Erscheinungsform des Romans. Das darauf folgende Kapitel ist der<br />
Analyse innerliterarischer Größen, d.h. den Erzählstrukturen, den Kompositionsprinzipien<br />
und den verarbeiteten literarischen Modellen gewidmet. In einem weiteren Schritt soll dann<br />
versucht werden, diesen ungewöhnlichen Roman trotz seiner Andersartigkeit als typisches<br />
Produkt seiner Zeit darzustellen. Zu diesem Zweck werden einzelne kultur- und<br />
sozialgeschichtliche Aspekte im Text analysiert.<br />
10 Zuletzt Solbach, Andreas 2003: <strong>Johann</strong> <strong>Beer</strong>. Rhetorisches Erzählen zwischen Satire und Utopie. Tübingen.<br />
11 Kremer, Manfred 1984: „Nicht allein von denen Liebes-Geschichten...“ Anmerkungen zu <strong>Johann</strong> <strong>Beer</strong>s <strong>Der</strong><br />
verliebte Europeer. In: Daphnis 13 (1984), S. 409-443.<br />
12 Solbach 2003, S. 215-235.<br />
13 Alewyn 1932, S. 102.<br />
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