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Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer

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als Alexander. Kremer ist deshalb teilweise zu widersprechen, wenn er konstatiert, dass<br />

Alexander allmählich vom handelnden Helden zum reinen Beobachter werde (S. 430). Als<br />

„Marionette“ des Erzählers gerät er stattdessen mehr und mehr zum Teilnehmer, denn von<br />

einem Beobachter erwartet man Kommentare. Diese gibt jedoch der Erzähler und nicht<br />

Alexander.<br />

Um die Tugendhaftigkeit Alexanders zu beweisen, wird sein Verhalten in verschiedenen<br />

Situationen geprüft. Dabei stehen dem Helden zwei Gruppen von Akteuren gegenüber. Im<br />

aktionsreichen und politischen Bereich sind es Männer, im Bereich der Affekte/ Galanterie<br />

sind es natürlich Frauen (siehe dazu ausführlicher Kap. 5.7).<br />

Seinen Mut, seine Stärke und seine Überlegenheit kann der tapfere Held in Kämpfen mit<br />

Piraten, Räubern, verbrecherischem Gesindel und im Duell mit dem schändlichen Comilly<br />

beweisen. Diese Proben seiner Ritterlichkeit finden sich alle im ersten Drittel des Romans.<br />

Liebes-Affekte vermögen nur edle Damen bei Alexander hervorzurufen, die sich wie dieser<br />

durch Superlative auszeichnen, also von herausragender Schönheit, anmutig und bescheiden<br />

im Umgang und vor allem außerordentlich klug sind. Alle anderen haben beim ihm keine<br />

Chance, disqualifizieren sich selbst durch ihr Verhalten und werden in den galanten<br />

Gesprächen ironisch vorgeführt (z. B. Eleonora). Die Straßburgerinnen kontrastieren mit dem<br />

Leipziger Frauenzimmer, indem sie in ihrer Schamlosigkeit und Lasterhaftigkeit denunziert<br />

werden (s. Hochzeit). 64<br />

In den Gesprächen mit anderen Edelmännern zu politischen und gesellschaftlichen Themen<br />

beweist Alexander seine Qualitäten in der Beherrschung dieser zum Tugendkatalog eines<br />

Fürsten gehörenden Konversationstechniken. 65 Er brilliert auch auf diesem Gebiet als wahrer<br />

Gentilhomme und Politicus. Alle seine Gesprächspartner bleiben ebenfalls relativ gesichtslos,<br />

es zählt einzig ihr Stand, damit beispielhafte Gespräche unter Edelleuten vorgeführt werden<br />

können.<br />

Eingebaute, in der ersten Person erzählte, Lebensberichte interessieren weniger auf personaler<br />

Ebene, auch wenn durch diese Diskursart die Erzähler derselben als Figuren stärkere<br />

Konturen gewinnen als andere im Roman auftretende Personen. Sie dienen zum einen der<br />

Unterhaltung des Lesers und zum anderen der Anreicherung des Werkes mit Welterfahrung,<br />

64 Kremer sieht in der „zunehmend kritischen Haltung den Frauen gegenüber“ die einzige Entwicklung des<br />

Helden (1984, S. 429). Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei aber nicht um eine Entwicklung, sondern<br />

um die Vorführung nicht-tugendhaften Verhaltens, bes. am Beispiel der Straßburgerinnen. Kremer gesteht selbst<br />

ein, dass diese vorgebliche Entwicklung am Ende wieder zurückgenommen werde, wenn für den 2. Teil des<br />

Romans eine neue Liebesbeziehung angekündigt wird.<br />

65 Vgl. Anmerkung 57. Die Beschreibungen von Herrschertugenden in den Fürstenspiegeln haben große<br />

Ähnlichkeit mit den Tugend- und Lasterkatalogen der Kirchen, geben aber auch ganz praktische Beispiele, wie<br />

etwa zur Gesprächsführung.<br />

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