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Claudia Breitbarth Johann Beer: Der Verliebte Europäer

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Frauenzimmers erscheinen. Obwohl die Stilmittel der Eloge rhetorisch vorbildlich befolgt<br />

werden, kippt die Aussage oft ins Komische, wenn etwa die sächsische Aussprache als<br />

lieblich bezeichnet wird, auch wenn man durch diese kaum etwas verstehen kann:<br />

Durch ihre liebliche Ausrede ist unsere teutsche Muttersprache in Auffnehmen gebracht worden/ welche sich<br />

auch iederzeit MAINTENIren/ und keiner selbige recht begreifen kann/ wofern ihm nicht das Glück günstig/<br />

zum öfftern mit ihnen zu CONVERSIren/ worinnen sie denn sonderlich von Liebes=Sachen zu DICURIren so<br />

EXERCIret/ daß sie auch denen geübtesten Liebhabern subtile Fragen vorlegen können. (<strong>Verliebte</strong>r <strong>Europäer</strong>,<br />

hinfort so: VE S. 12, 2-7)<br />

Ebenfalls über das Lob der Leipzigerinnen lässt sich das eigentliche Publikum erkennen. Es<br />

handelt sich dabei um Nicht-Adlige, denn über die Zielgruppe der Schmeicheleien wird<br />

gesagt:<br />

In Summa/ Ihre Schönheit MERITIret in Wahrheit nicht allein von ihres gleichen geliebet/ sondern auch von<br />

hohen Standes=Personen verlanget zu werden/ indem in denen allervollkommensten Leibern die alleredlesten<br />

Seelen wohnen. Denn die Schönheit CONSIDERIret mit nichten den Stand/ weil selbige mehrentheils der Zweck<br />

zu lieben/ und die Tugenden der Geburt bey weiten vorzuziehen. (VE S. 11, 24-29)<br />

Andreas Solbach erkennt in der Hervorhebung der Schönheit als einzigen Vorzug die Ironie<br />

des Autors, denn obwohl viele Werke <strong>Beer</strong>s den Gedanken einer standesübergreifenden<br />

meritorischen Egalität aufgreifen, stehe hier das klassische Ziel von <strong>Beer</strong>s Satire – die<br />

Ehrsucht und das Streben nach Standeserhöhung besonders bei Frauen – im Mittelpunkt. 46<br />

Doch gesteht er dem Autor zu, dass er diesmal sehr subtil vorgehe und noch mit der Zuschrift<br />

und dem Romanbeginn sein weibliches Publikum für sich zu gewinnen suche, das er ja in den<br />

anderen misogynen Schriften schon stark genug direkt attackiert hatte. 47<br />

Sowohl die Klarstellung eines nicht-adligen Publikums, als auch die in der Zuschrifft<br />

mehrfach erwähnten galanten Umgangsformen (auch explizit: „galanden Freundligkeit“)<br />

geben zu verstehen, dass es sich nicht um einen höfischen Liebesroman handeln kann.<br />

Außerdem werden die Aktualität des Beschriebenen und die Wahrhaftigkeit hervorgehoben:<br />

Hiermit versichere ich [...] daß gleich wie Alexander eine Person/ welche annoch am leben/ aber umb gewisser<br />

Ursachen willen billich verschwiegen wird/ also ist keine Historie allhier gedacht worden/ welche sich nicht so<br />

wol in als auserhalb Teutschland zugetragen/ aber doch mit veränderten Umbständen erzehlet werden. (VE S.<br />

12, 18-24)<br />

46 „So ergibt ein erster Überblick über die rezeptionssteuernden Hinweise, die der Text selbst liefert, ein<br />

kompliziertes Bild: <strong>Der</strong> Roman wird als Liebesgeschichte ausgegeben, die dem Ruhm der Leipzigerinnen<br />

gewidmet ist, während der verdeckte Hintergrund eine ironische Satire der unmoralischen und geltungssüchtigen<br />

Sächsinnen indiziert, die zudem nicht frei von persönlicher Ranküre zu sein scheint.“ Solbach 2003, S. 219.<br />

47 „Anders als in den vorangegangenen und zum Teil parallel entstehenden misogynen Schriften wählt der Autor<br />

im <strong>Verliebte</strong>n <strong>Europäer</strong> einen vollständig veränderten Ausgangspunkt seiner Satire, indem er sich vom<br />

diegetisch-monologischen Darbietungsstil zu lösen versucht und die zu kritisierenden Handlungen und<br />

Haltungen nicht frontal attackiert, sondern als Kontrafaktur richtigen Verhaltens einführt.“ Solbach 2003, S. 220.<br />

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