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Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

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kommen sie zum Kapitel zusammen, dort erbitten sie Vergebung für verschiedene Übertretungen,<br />

<strong>und</strong> sie empfangen vom [Konversen-] Meister <strong>die</strong> entsprechende Unterweisung. Nachdem<br />

<strong>die</strong>s geschehen ist <strong>und</strong> während das Sündenbekenntnis <strong>von</strong> denen, <strong>die</strong> es nötig haben, folgt, gehen<br />

alle zur auferlegten Arbeit auseinander. Das jenen Auferlegte ist innerhalb <strong>und</strong> außerhalb der<br />

[Kloster-] Zelle durchzuführen, <strong>und</strong> sie betreiben <strong>und</strong> verwalten zuverlässig, ehrlich <strong>und</strong> sorgfältig<br />

das ihnen <strong>von</strong> Gott Aufgetragene. Nichts Eigenes besitzen sie, aber man liest in den Apostelakten<br />

[4,32], dass alles zusammen besprochen wird <strong>und</strong> jedem entsprechend eine Aufgabe zugeteilt<br />

wird. Bei den durchzuführenden Arbeiten vermeiden sie nicht allein <strong>St</strong>reitigkeiten <strong>und</strong> Zank,<br />

sondern enthalten sich auch des Müßiggangs. Sie gehorchen ihren Oberen, ohne deren Erlaubnis<br />

machen sie sich nicht länger außerhalb der [Kloster-] Zelle auf den Weg. Immer am Sonntag<br />

empfangen sie das Abendmahl, so dass eine Hälfte <strong>von</strong> jenen zusammen an einem, <strong>die</strong> andere<br />

Hälfte am anderen Sonntag den Körper <strong>und</strong> das Blut des Herrn demütig empfängt, aber an höchsten<br />

Festtagen alle zusammen. Der, der reisen wird, empfängt das Abendmahl am selben Tag,<br />

wenn er weiß, dass er am folgenden Sonntag nicht zurückgekehrt ist. Die <strong>von</strong> einer Reise Zurückkehrenden<br />

erbitten <strong>die</strong> Vergebung für auf der Reise begangene Übertretungen. Sie kochen<br />

abwechselnd in den ihnen zugeteilten Wochen in der Küche sowohl für sich als auch für <strong>die</strong><br />

[Voll-] Mönche <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gäste <strong>und</strong> bereiten <strong>die</strong> Nahrung vor. Sie nehmen <strong>die</strong> Nahrung zusammen<br />

ein, <strong>die</strong> sie für sich abwechselnd hinstellen. Zur Komplet gleichwie zu den Nokturnen sind alle<br />

oder fast alle anwesend, später begeben sie sich mit Schweigen in <strong>die</strong> Betten. Zur Beachtung<br />

<strong>die</strong>ses geistlichen Lebens erbaute der heilige Vater <strong>Wilhelm</strong> eine geeignete Unterkunft an <strong>die</strong>sem<br />

Ort <strong>Hirsau</strong>, nämlich das neue Kloster zu Ehren der seligen Apostel Petrus <strong>und</strong> Paulus <strong>und</strong> des<br />

heiligen Bekenners Aurelius auf einer Fläche nach Süden hin mit Hilfe der seinem Gehorsam unterstehenden<br />

Diener. Dieses wurde innerhalb <strong>von</strong> neun Jahren aufgeführt <strong>und</strong> im zehnten [Jahr]<br />

geweiht [2. Mai 1091]. Ehe endlich das Gotteshaus selbst geweiht wurde, bevölkerte er es mit<br />

armen Leuten, <strong>die</strong> vom oberen Teil bis zur Flügeltür im Kreis standen, <strong>und</strong> <strong>die</strong>nte, nachdem <strong>die</strong><br />

Türen geschlossen worden waren, <strong>die</strong>sen selbst. Zu <strong>die</strong>ser Zeit <strong>und</strong> danach bis zu seinem Tod<br />

gab er für Bedürftige mehr als gewöhnlich für Nahrung aus.<br />

24. Nach der besagten Weihe lebte er [<strong>Wilhelm</strong>] noch neun Wochen, <strong>und</strong> schon beherrschte ihn<br />

am Geburtstag der Apostel Petrus <strong>und</strong> Paulus [29. Juni] eine Kraftlosigkeit. Am folgenden Tag<br />

[30. Juni] feierte er am Hauptaltar eine private Messe. In der folgenden Nacht [1. Juli], als er sich<br />

wegen der Krankheit des Körpers nicht aufrichten konnte, empfing er durch göttliche Eingebung<br />

Trost, <strong>und</strong> ihm wurde gesagt, dass <strong>die</strong> Heiligen Petrus <strong>und</strong> Paulus zu seiner Hilfe da seien. Als er<br />

in der Morgendämmerung kaum einen Schritt gehen konnte, befahl er, ihn zur Kirche zu führen<br />

<strong>und</strong> eine Messe zu feiern. Und durch Hände an beiden Seiten gestützt, opferte er über dem Altar<br />

der Apostel Petrus <strong>und</strong> Paulus das Opfer der lebendigen Hostie. Und als ob er zum Herrn gehen<br />

wollte, sang er an dessen Festtag <strong>die</strong> Worte des heiligen Paulus, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser schon im Angesicht<br />

seines Todes sagte, <strong>die</strong> auch zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt bestens passten [2. Tim. 1,12]. Diese lauten<br />

so: „Ich weiß, wem ich vertraue, <strong>und</strong> ich bin gewiss, weil der gerechte Richter machtvoll [genug]<br />

ist, auf mein <strong>St</strong>erben an jenem Tag zu achten.“ Diese Messe war seine letzte Feier. Am vierten<br />

Tag danach [2. Juli] kam er ins Kapitel, um <strong>die</strong> Brüder zu besuchen <strong>und</strong> anzuhalten. Hinsichtlich<br />

dessen, was er aber für <strong>die</strong>se bis dahin eingerichtet hatte, begann er zu erzählen <strong>und</strong> zu ermuntern,<br />

damit sie <strong>von</strong> Tag zu Tag [darin] Fortschritte machten. Zuerst erzählte er ihnen vieles <strong>von</strong><br />

der immerwährenden Liebe Gottes, vom Vorzug der klösterlichen Lebensweise, <strong>von</strong> der Bezeugung<br />

gegenseitiger Liebe, <strong>von</strong> der zu nachzueifernden Gastfre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> der ganzen drohenden<br />

Kümmernis, <strong>von</strong> dem hochzuachtenden Almosengeben, <strong>von</strong> freiwilliger Freigebigkeit <strong>und</strong><br />

Ähnlichem. Später sagte er mit klagender, eindringlicher <strong>St</strong>imme: „Eins ist es, was mich sehr erbittert<br />

<strong>und</strong> beschwert, das ich dem zu beweinenden Gott <strong>und</strong> euch vortrage.“ Und als wir alle bestürzt<br />

waren, sagte er: „Gewisse Brüder sind mit euch ins Kloster eingetreten mehr gemäß der<br />

Schlauheit des Fleisches als gemäß der geistlichen Einfachheit. Sie beunruhigten mich öfter<br />

durch ihre Gesänge <strong>und</strong> Ratschläge <strong>und</strong> widerstanden der einfachen Art der Oberen. Aber der<br />

allmächtige Gott trennte <strong>die</strong>se <strong>von</strong> uns <strong>und</strong> entfernte sie aus dem Kloster.“ Nachdem er <strong>die</strong>s gesagte<br />

hatte, fügte er sogleich an: „In Zukunft werde ich, Teuerste [Mönche], kein Kapitel mit euch<br />

haben. Daher hört, Söhne, das letzte Wort des Vaters <strong>und</strong> haltet in Erinnerung fest, was ihr seht<br />

<strong>und</strong> hört.“ Nachdem das Kapitel beendet war, begab er sich in seine schmucklose Unterkunft <strong>und</strong><br />

gestand nach üblicher Sitte allen, <strong>die</strong> wollten, dass sie ihn besuchten. Dann befahl er am dritten<br />

Tag [4. Juli], in <strong>die</strong> Kirche der heiligen Maria gebracht zu werden, <strong>und</strong> während dort der Konvent<br />

der Brüder für ihn <strong>die</strong> Messe feierte, bereiteten <strong>die</strong> letzte Ölung des Kranken <strong>und</strong> der Empfang<br />

<strong>von</strong> Körper <strong>und</strong> Blut des Herrn seinen Tod vor. Und er erbat sich <strong>von</strong> allen <strong>die</strong> Lossprechung <strong>und</strong><br />

sprach selbst alle los; <strong>und</strong> einzelne küsste <strong>und</strong> umarmte er, <strong>und</strong> mit Väterlichkeit sagte er den<br />

Anwesenden Lebewohl <strong>und</strong> vertraute den Abwesenden seine innigste Liebe an, wie er alle flehentlich<br />

bat <strong>und</strong> beschwor, dass sie an der Einheit der Kirche <strong>und</strong> der Unterstellung unter den<br />

apostolischen <strong>St</strong>uhl, wie ihm <strong>die</strong>s <strong>von</strong> <strong>die</strong>sem zugestanden worden war, bis zuletzt unveränder-<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 12

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