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Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

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lich festhalten sollten. Schließlich schloss er mit erhobenen Händen vor allen mit einem kurzen<br />

Gesang so: „Ich rufe Gott als Zeugen, dass ich bis jetzt treu <strong>und</strong> wohlwollend gegen euch gehandelt<br />

habe.“ Aus der Kirche wurde <strong>die</strong>s berichtet, es kamen mit Betrübnis <strong>und</strong> Seufzen <strong>die</strong> zu ihm<br />

zusammen, zu denen er das der Erinnerung werte Wort sprach: „Vom Tod eines gerechten Mannes<br />

muss nicht berichtet werden, weil er eine Veränderung zum Besseren, <strong>von</strong> der <strong>St</strong>erblichkeit<br />

zur Unsterblichkeit, vom Irdischen zum Himmlischen ist.“ Nachdem man ihn am späteren Tag in<br />

das Krankenhaus getragen hatte <strong>und</strong> sich der Konvent der Brüder dort versammelte, starb er selig<br />

um <strong>die</strong> Mittagszeit der 4. Nonen des Juli [4. Juli], während alle erbarmenswert weinten <strong>und</strong><br />

jammerten, <strong>und</strong> er gab seine mit glücklichen Ver<strong>die</strong>nsten erfüllte Seele Gott zurück. Und weggerissen<br />

vom Ägypten <strong>die</strong>ser Welt, nahm er auf ewig Wohnstatt in der Welt der Lebenden. Zusammen<br />

kamen nun zwei Bischöfe <strong>und</strong> fünf Äbte, Geistliche <strong>und</strong> nicht wenige [Laien] beiderlei Geschlechts.<br />

Nach den Exequien, <strong>die</strong> fünf Tage lang eifrigst gefeiert wurden, wurde er mit geschuldeter<br />

Ehrerbietung in der Mitte der Apostelkirche, <strong>die</strong> er gegründet hatte, beerdigt.<br />

25. Nicht lange nach seinem Tod aber, nach einer Nacht der Trauer, <strong>die</strong> alle bedrückte, erhellte<br />

uns der Tag des tröstenden Jubels mit der Ankunft des damaligen Herrn Prior Gebhard, später<br />

des Nachfolgers der verstorbenen Herrn [<strong>Wilhelm</strong>] in der Leitung des Klosters [1091-1105]; bei<br />

sich trug er Reliquien des heiligen Apostels Petrus, nämlich dessen Haare, <strong>die</strong> vom ehrwürdigsten<br />

<strong>Abt</strong> Hugo <strong>von</strong> Cluny [1049-1109] geschickt wurden <strong>und</strong> wegen denen der Vater <strong>Wilhelm</strong> ihn<br />

[Gebhard] vor seinem Tod weggeschickt hatte. Diese Haare über dem ganzen Gold <strong>und</strong> dem<br />

Edelstein sollten <strong>die</strong> <strong>Hirsau</strong>er mit größter Überzeugung verehren, wir verehren wahrhaft <strong>die</strong> Haare<br />

des Apostelfürsten Petrus. Vor alter Zeit nämlich, ehe <strong>die</strong> Körper der Apostel Petrus <strong>und</strong> Paulus,<br />

<strong>die</strong> damals getrennt waren, zusammen an sichersten Orten, wo sie heute sind, verwahrt werden,<br />

gab es einen Küster der römischen Kirche, einen frommen Mann mit Namen Odo, der da<strong>von</strong><br />

der Welt berichtete <strong>und</strong> zum Kloster Cluny, wo er später <strong>Abt</strong> wurde [927-942], eilte; <strong>und</strong> unter anderen<br />

Reliquien der Heiligen brachte er nicht wenige Haare des heiligen Apostels Petrus herbei.<br />

Der besagte <strong>Abt</strong> [Hugo] <strong>von</strong> Cluny, der brennendste Verehrer unserer Gemeinschaft [<strong>Hirsau</strong>], bezeugte<br />

in sicherster Übereinstimmung mit den hochbetagten älteren Mönchen [seines Klosters],<br />

dass <strong>die</strong>se [Haare], <strong>die</strong> er uns schickte, aus denen [nach Cluny gelangten] ausgewählt wurden;<br />

wir empfingen sie <strong>von</strong> ihm, um das Kloster [weiter] aufzubauen <strong>und</strong> gemäß der Regel zu leben.<br />

Wir führen <strong>die</strong>s als notwendig hier an, damit nicht irgendwer hinsichtlich <strong>die</strong>ser Haare in Zweifel<br />

gerät, ob <strong>die</strong>s wahr sei, was <strong>von</strong> so vielen <strong>und</strong> so ausgezeichneten Zeugen bestätigt wird. Ehe<br />

<strong>die</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> genannten Reliquien brachten, nach <strong>Hirsau</strong> gelangten, übergaben sie sie vorsorglich<br />

einem gewissen frommen Priester, der sich an einem benachbarten Ort aufhielt, zur Aufbewahrung<br />

bis zum Fest, das das des heiligen Petrus in den Fesseln [1. August] genannt wird. An <strong>die</strong>sem<br />

Tag wurden <strong>die</strong> erwähnten Reliquien daher in Anwesenheit <strong>von</strong> Äbten <strong>und</strong> anderen frommen<br />

Männern unter dem größten Jubel der Geistlichkeit <strong>und</strong> des Volkes ins Kloster <strong>Hirsau</strong> aufgenommen<br />

<strong>und</strong> zuerst über dem Grab des verstorbenen seligen Vaters <strong>Wilhelm</strong>, dem sie besonders<br />

zugeeignet wurden, auf <strong>die</strong>se Weise der frommen Leidenschaft der Söhne [Mönche] vorgeführt.<br />

Endlich wurden sie unter fröhlichem Lobpreis des Gottes<strong>die</strong>nstes mit demütiger Verehrung<br />

aller, <strong>die</strong> dabei waren, geküsst <strong>und</strong> in einen silbernen Schrein, der dafür vorbehalten war, gebettet.<br />

26. Es wird über den heiligen Gregor <strong>und</strong> den heiligen Gallus durch viele Zeichen nach ihrem<br />

Weggang <strong>von</strong> <strong>die</strong>sem Leben berichtet, dass sie <strong>die</strong> Klöster, <strong>die</strong> sie zur Ehre Gottes erbauten,<br />

durch ihre Schutzherrschaft vor Feindseligkeiten schützten. Wir erfahren <strong>von</strong> nicht wenigen Taten<br />

in <strong>die</strong>ser unserer Zeit über den heiligen Mann Gottes [<strong>Wilhelm</strong>] aus Bekanntem <strong>und</strong> <strong>von</strong><br />

rechtschaffenen Leuten. Wir haben durch Aufschreiben dafür gesorgt, über seine Heiligkeit zu erzählen.<br />

Es war eine gewisse Äbtissin im Gebiet Noricum, <strong>die</strong> sich ganz den frommen Werken<br />

hingab. Durch ihren Rat war einst der besagte Mann Gottes Vorsteher <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> geworden, weil<br />

sie ihn sehr wegen der Lebensver<strong>die</strong>nste schätzte. Nach seinem Tod gelangte zu ihr das Gerücht,<br />

dass sich viele verdächtige Leute darin verschworen, das Kloster <strong>Hirsau</strong> <strong>von</strong> Gr<strong>und</strong> auf zu<br />

zerstören. So an ununterbrochenen Schmerzen leidend, wandte sie sich mit beständigen Bitten<br />

an Gott, damit er durch <strong>die</strong> Hilfe seines Schutzes das Verbrechen abwende; <strong>und</strong> er führte <strong>die</strong><br />

neue Pflanzung seines getreuen Dieners [<strong>Wilhelm</strong>] zum Wachstum. Und weil sich ihr Herz in<br />

frommer Enge zusammendrückte <strong>und</strong> wegen der drohenden Gefahr den Herrn inständig bat, offenbarte<br />

sich in einer Nacht der Ruhenden im Schlaf der Mann des Herrn <strong>Wilhelm</strong>, <strong>und</strong> mit heiterer<br />

Miene erfreute er <strong>die</strong> Trauernde, indem er sagte, dass es längst viele gäbe, <strong>die</strong> dabei seien,<br />

solch ein Verbrechen abzuwehren, aber dass es [noch] nicht völlig verhindert sei. Als <strong>die</strong>se erschüttert<br />

fragte, wer <strong>die</strong>s zu verhindern versucht, sagte er: „Ein guter Engel des Herrn.“ Und sogleich<br />

verschwand <strong>die</strong> Vision, wahrlich wie der Psalmist sagt: „Der Engel des Herrn schickt ihn in<br />

<strong>die</strong> Menge der Furchtsamen <strong>und</strong> rettet sie.“ [Ps. 22,8]. Und wenn er auch noch als gerecht im<br />

Schutz des Herrn bezeichnet wird, erfahren endlich offensichtlicher <strong>und</strong> strenger <strong>die</strong> Rache des<br />

Herrn <strong>die</strong>, <strong>die</strong> auf Befehl des Königs Heinrich IV. aufbrachen, <strong>die</strong> <strong>Hirsau</strong>er deswegen zu vertrei-<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 13

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