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Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

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schaft durch.<br />

Das Reichenbacher Schenkungsbuch überliefert zudem wichtige Nachrichten zur Gründung<br />

des Priorats, an der <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> prominent beteiligt gewesen war. Nicht <strong>von</strong> ungefähr<br />

ist im Schenkungsbuch eine Miniatur des <strong>Abt</strong>es enthalten, <strong>die</strong> einen asketischen <strong>Wilhelm</strong>,<br />

stehend mit <strong>St</strong>ab <strong>und</strong> Buch, zeigt <strong>und</strong> im Übrigen <strong>die</strong> einzige bekannte Abbildung des <strong>Hirsau</strong>er<br />

Klosterleiters ist. Wir zitieren im Folgenden aus dem Schenkungsbuch:<br />

Quelle: Reichenbacher Schenkungsbuch (1082/85)<br />

Im Namen der heiligen <strong>und</strong> ungeteilten Dreieinigkeit. Ich, <strong>Wilhelm</strong>, nicht durch meine Ver<strong>die</strong>nste,<br />

sondern durch <strong>die</strong> Barmherzigkeit Gottes <strong>Abt</strong> des <strong>Hirsau</strong>er Klosters, begehre, allen sowohl Zukünftigen<br />

als auch Gegenwärtigen bekannt zu machen, dass ein gewisser älterer Mönch mit Namen<br />

Bern sein kleines, im Schwarzwald gelegenes Gut im Ort, der <strong>von</strong> dem Bach, der dort in <strong>die</strong><br />

Murg fließt, Reichenbach genannt wird, dem heiligen Aurelius in <strong>Hirsau</strong> in Gegenwart geeigneter<br />

Zeugen auf ewig das Erbgut übergab mit der einen Maßgabe, dass ich dort ein Kloster erbaue.<br />

Nachdem daher <strong>die</strong>s der Rat unserer älteren Mönche gemeinschaftlich <strong>und</strong> einmütig beschlossen<br />

hatten, schickten wir unsere Brüder, drei Mönche <strong>und</strong> 5 Laien[brüder], zu <strong>die</strong>sem rauen Ort im<br />

dichtesten Wald, damit sie, nachdem der Wald gerodet <strong>und</strong> der Ort gereinigt worden war, dem<br />

heiligen Gregor ein Kloster errichteten.<br />

Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1082, Indiktion 5, um <strong>die</strong> Iden des Mai [15. Mai], als <strong>die</strong><br />

Brüder zu dem besagten Ort gekommen waren, konnten sie in nicht wenigen Tagen eine Hütte,<br />

<strong>von</strong> den Tannen befreit, nutzen. Einer <strong>von</strong> <strong>die</strong>sen [Mönchen] aber wurde Ernst [<strong>von</strong> Geisenheim]<br />

genannt, ein tüchtiger Mann <strong>und</strong> zuverlässig, der schon vor langer Zeit sich <strong>und</strong> alle seine Leute<br />

unserem Gehorsam überließ <strong>und</strong> den wir mit seinen Leuten für <strong>die</strong>sen Ort um Beistand gebeten<br />

haben. Es war daher derselbe Ernst dem Ort <strong>und</strong> den Brüdern ein Vorsteher <strong>und</strong> gleichsam ein<br />

zweiter Vater, der sich selbst mit größtem Aufwand für <strong>die</strong> Rodung des Waldes, <strong>die</strong> Säuberung<br />

des Ortes, <strong>die</strong> Erbauung [der Zelle] <strong>und</strong> <strong>die</strong> Errichtung der Werkstätten einsetzte <strong>und</strong> woher nur<br />

immer alles angemessen zusammenbrachte. Ich habe für würdig bef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gern befestigt,<br />

dass dort das Gedenken an seine gleichwie mein Gedenken an meine Vorfahren gefeiert wird.<br />

Fürwahr wurde das F<strong>und</strong>ament der Kirche im folgenden Jahr gelegt, <strong>und</strong> innerhalb <strong>von</strong> drei Jahren<br />

ist sie vollendet worden.<br />

Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1085, Indiktion 8, an den 10. Kalenden des Oktober [22.<br />

September] ist nämlich <strong>die</strong> Kirche <strong>von</strong> dem ehrwürdigen Bischof Gebhard [III.] <strong>von</strong> der Konstanzer<br />

Kirche, der in <strong>die</strong>ser Zeit apostolischer Legat für <strong>die</strong> deutschen Gebiete war, geweiht worden<br />

zum Lob <strong>und</strong> Ruhm der heiligen <strong>und</strong> ungeteilten Dreieinigkeit <strong>und</strong> der seligen Gottesmutter Maria<br />

<strong>und</strong> zu Ehren <strong>von</strong> denen, deren Reliquien oder Namen darin sind, besonders aber [zu Ehren] des<br />

seligen Papstes <strong>und</strong> Bekenners Gregor [I.]. Am genannten Tag schenkte der oben genannte<br />

Ernst <strong>die</strong>ser [Kirche] sein Eigengut, das gelegen ist im Ort mit Namen Essenheim, ein anderes<br />

auch, das in Gemmrigheim gelegen ist. […]<br />

Am Tag der Weihe der Kirche [22. Oktober 1085] vermehrte der Ritter Wern <strong>die</strong> Ausstattung der<br />

Kirche durch Schenkung seines Teils auf dem dritten, bezogen auf <strong>die</strong> Zelle im Norden gelegenen<br />

Berg [Wieshörnle]. Er selbst besaß dessen Mitte mit seiner Schwester nach väterlichem<br />

Recht, <strong>und</strong> zwar den Teil, wo aus einer Quelle [Fleckenbrunnen?] süße Wasser entspringen; seinen<br />

Anteil übergab er, wie wir sagten, dem heiligen Gregor. […]<br />

Am selben Tag der Weihe [22. Oktober 1085] vermehrte Beatrix, eine adlige <strong>und</strong> tüchtige Frau,<br />

<strong>die</strong> Ausstattung [der Kirche] durch Schenkung eines Gehöftes mit Namen Füllmenbacherhof, der<br />

an den Gebäuden damals zerstört war, zu dem aber 12 Mansen gezählt werden.<br />

In demselben Jahr, an den 12. Kalenden des März [18. Februar 1085], übergab <strong>die</strong> freie Frau<br />

Trutlind durch <strong>die</strong> Hand ihres Ehemanns Gott <strong>und</strong> dem seligen Gregor vor den dort zum Lob Gottes<br />

versammelten Brüdern <strong>und</strong> nicht zuletzt vor anderen geeigneten Zeugen den Knecht Werner<br />

mit ihrem Gut <strong>und</strong> Lehen, <strong>die</strong> sie beide im Ort Tailfingen besaß, für <strong>die</strong> Seelen ihrer [Vorfahren]<br />

<strong>und</strong> besonders für <strong>die</strong> Seele ihres Bruders Hartnid, der am selben Tag in <strong>die</strong>ser Zelle [Reichenbach]<br />

beerdigt wurde, der auch, während er lebte, veranlasste, dass <strong>die</strong>se Übergabe geschehen<br />

solle. […]<br />

Edition: MOLITOR, Schenkungsbuch, S.107-110, 114f. Lateinische Einträge des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

im Reichenbacher Schenkungsbuch. Übersetzung: BUHLMANN.<br />

Die heutige Reichenbacher Kirche geht, was Langhaus, Vorhalle <strong>und</strong> Westturmpaar betrifft,<br />

auf das Gotteshaus <strong>von</strong> oder kurz nach 1082 zurück. Verändert wurde im ausgehenden 12.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert der Chor, zu Beginn des 13. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>die</strong> Vorhalle. Die Klosteranlage wurde<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 34

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