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Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

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wachte ich <strong>und</strong> überlegte bei mir vieles, <strong>und</strong> Selbiges tat ich öfter später. Und weil mein Geist<br />

sich mit vielem Nachdenken beschäftigte, floh ich endlich zur sichersten Tür der großen Barmherzigkeit<br />

Gottes, <strong>und</strong> ich habe mich meinem Herrn Gott anvertraut, wie ich nur konnte. Und siehe,<br />

am selben Tag erschienen unsere Brüder <strong>von</strong> <strong>die</strong>sem Kloster [<strong>Hirsau</strong>] <strong>und</strong> trugen Schriften<br />

mit Gebeten <strong>von</strong> vielerlei Art, <strong>und</strong> sie entführten mich mit unwiderstehlicher Gewalt aus der klösterlichen<br />

Ruhe <strong>und</strong> bedrängten mich, dass meine Kleinheit ihnen vorstehe. Und unter Beschwörung<br />

des göttlichen Namens zwangen <strong>die</strong> Forderungen mich, <strong>die</strong>s nicht abzulehnen. Ich bekenne,<br />

eingeladen habe ich das Joch des Herrn empfangen, besiegt wurde ich durch eine so einmütige<br />

Bitte. Wenn ich etwas in <strong>die</strong>sem Amt [an Einsicht] gewonnen habe, wenn ich Gott gefallen<br />

habe, sage ich ihm, dass ohne ihn Wertvolles nichts, Heiliges nichts ist, dass alles Gute [nur]<br />

durch ihn kommt. Lob sei allem Mitgefühl <strong>und</strong> seinen Wohltaten, Ehre <strong>und</strong> auf jede Weise Dank<br />

in allen Zeitaltern der Zeitalter. Amen.“<br />

ES ENDET DIE LEBENSBESCHREIBUNG DES SELIGEN ABTES WILHELM.<br />

Edition: Vita Willihelmi. Lateinische Lebensbeschreibung vielleicht des Mönches Haimo <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong><br />

vom Ende des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts bzw. Anfang des 12. Jahrh<strong>und</strong>erts, überliefert in 30 Kapiteln<br />

in verschiedenen mittelalterlichen Handschriften (u.a. des Klosters Admont) vom 12. bis 15. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Übersetzung: BUHLMANN.<br />

B. <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> – ein Lebenslauf<br />

<strong>Wilhelm</strong> <strong>und</strong> das Kloster <strong>Hirsau</strong><br />

Um <strong>die</strong> Mitte des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts gewann ein Kloster im Nordschwarzwald, im Nagoldtal<br />

große Bedeutung: <strong>Hirsau</strong>. Die Anfänge <strong>die</strong>ser noch zum Fränkischen <strong>und</strong> zur Speyerer Diözese<br />

gehörenden Mönchsgemeinschaft liegen fast im Dunkel der Geschichte. Irgendwann im<br />

8./9. Jahrh<strong>und</strong>ert, wohl um/vor 820, weniger um 830 ist durch Vorfahren der hochmittelalterlichen<br />

Grafen <strong>von</strong> Calw in <strong>Hirsau</strong> („Hirschau“) eine Klosterzelle errichtet worden. Ein Vorgängerbau<br />

der romanischen Aureliuskirche des 11. Jahrh<strong>und</strong>erts stammt aus <strong>die</strong>ser Zeit.<br />

Das 10. Jahrh<strong>und</strong>ert sah den Verfall des kleinen Klosters, um das Jahr 1000 muss es menschenleer<br />

gewesen sein. Auf seiner Reise durch Deutschland forderte Papst Leo IX. (1049-<br />

1054) im Jahr 1049 seinen Verwandten, Graf Adalbert (II.) <strong>von</strong> Calw (†1099) auf, sich um <strong>die</strong><br />

Wiederbesiedlung der Klosterzelle zu kümmern. Doch erst 1065 zogen Mönche in <strong>Hirsau</strong><br />

ein. Der erste <strong>Abt</strong> Friedrich (1065-1069) erregte den Unwillen seiner Mönche <strong>und</strong> des Klosterstifters<br />

Adalbert <strong>und</strong> wurde im Jahre 1069 durch einen Mönch des Regensburger Klosters<br />

<strong>St</strong>. Emmeram ersetzt: <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong>.<br />

Unter <strong>Wilhelm</strong> (1069-1091) begann eine innere <strong>und</strong> äußere Neugestaltung der <strong>Abt</strong>ei im Sinne<br />

<strong>von</strong> gregorianischer Kirchenreform <strong>und</strong> cluniazensischem Mönchtum. Das „<strong>Hirsau</strong>er Formular“<br />

(1075) eröffnete mit dem Verzicht des Calwer Grafen Adalbert auf eigenkirchliche<br />

Ansprüche <strong>und</strong> mit dem „Recht der vollen Freiheit“ (ius totius libertatis) bei freier <strong>Abt</strong>s- <strong>und</strong><br />

Vogtwahl neue Möglichkeiten, <strong>die</strong> das Kloster im Rahmen der <strong>Hirsau</strong>er Reformbewegung<br />

umsetzte. Reformierte Klöster <strong>Hirsau</strong>er Prägung, <strong>Hirsau</strong>er Priorate, <strong>Hirsau</strong>er Baustil machten<br />

<strong>Wilhelm</strong> zum „Vater vieler Klöster“ in Schwaben (u.a. <strong>St</strong>. Georgen, <strong>St</strong>. Peter), Franken, Elsass,<br />

Thüringen <strong>und</strong> Kärnten, ohne dass eine auf <strong>Hirsau</strong> ausgerichtete Kongregation <strong>von</strong><br />

Klöstern <strong>und</strong> Prioraten zustande kam. Das <strong>Hirsau</strong>er Kloster sollte im Investiturstreit eine bedeutende<br />

Rolle spielen, es war der Mittelpunkt der Kirchenreformer in Deutschland.<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 16

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