27.02.2013 Aufrufe

Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zunächst ging es aber <strong>Wilhelm</strong> darum, den Inhalt des „<strong>Hirsau</strong>er Formulars“ auch durch<br />

Papst Gregor VII. bestätigen zu lassen. Indes verhinderte der Ausbruch des Investiturstreits<br />

<strong>die</strong> päpstliche Zustimmung. Doch blieb <strong>die</strong> einmal erreichte verfassungsrechtliche <strong>St</strong>ellung<br />

auch in der Folgezeit bestehen, da <strong>Abt</strong> <strong>und</strong> Graf im nun ausbrechenden Kampf zwischen<br />

König <strong>und</strong> Papst auf der Seite der kirchlich-gregorianischen Reformpartei standen.<br />

Die Verschärfung der Fronten im Investiturstreit mag auch Auswirkungen auf <strong>die</strong> inneren<br />

Verhältnisse im <strong>Hirsau</strong>er Kloster gehabt haben. Jedenfalls ist <strong>von</strong> <strong>Wilhelm</strong> überliefert, dass<br />

er in <strong>Hirsau</strong> <strong>die</strong> Gewohnheiten des burg<strong>und</strong>ischen Klosters Cluny einführte. Disziplin <strong>und</strong><br />

Gehorsam, harte <strong>St</strong>rafen bei Übertretungen der Vorschriften <strong>und</strong> dauernde Kontrolle der<br />

Mönche zeichneten spätestens in den Jahren nach 1079 das Leben in <strong>Hirsau</strong> aus. Parallel<br />

dazu hat man, um den Ansturm <strong>von</strong> Laien auf das <strong>von</strong> vielen Menschen als attraktiv empf<strong>und</strong>ene<br />

Kloster <strong>Hirsau</strong> in den Griff zu bekommen, das Institut der Konversen, der Laienbrüder,<br />

geschaffen. Dem Aufschwung des Klosters unter <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> entsprach es dann<br />

auch, dass <strong>die</strong> Enge des Aureliusklosters verlassen wurde <strong>und</strong> man sich auf der gegenüberliegenden<br />

Seite der Nagold ansiedelte. Dort entstand nach 1083 <strong>die</strong> damals größte Klosteranlage<br />

in Deutschland mit der mächtigen romanischen Kirche, <strong>die</strong> den Heiligen Petrus <strong>und</strong><br />

Paulus geweiht war.<br />

Das Wirken <strong>Wilhelm</strong>s war nicht nur auf <strong>Hirsau</strong> beschränkt. Eine Reihe <strong>von</strong> Klöstern, neu gegründete<br />

<strong>und</strong> alteingesessene, sollte sich der <strong>Hirsau</strong>er Reform anschließen. Neue <strong>Abt</strong>eien,<br />

<strong>die</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong>er Mönchen besiedelt wurden, waren: Zwiefalten, Blaubeuren, <strong>St</strong>. Peter <strong>und</strong><br />

natürlich <strong>St</strong>. Georgen in Schwaben sowie Reinhardsbrunn in Thüringen; schon bestehende<br />

Klöster, <strong>die</strong> <strong>die</strong> „<strong>Hirsau</strong>er Gewohnheiten“ annahmen: Petershausen bei Konstanz, Schaffhausen,<br />

<strong>St</strong>. Peter in Erfurt <strong>und</strong> Komburg; <strong>Hirsau</strong>er Priorate schließlich: (Kloster-) Reichenbach<br />

im Murgtal, Schönrain in Franken, Fischbachau in Bayern. Der weiten Verbreitung der<br />

<strong>Hirsau</strong>er Reform entsprach der Ruf <strong>Wilhelm</strong>s in der kirchlich-politischen Propaganda des<br />

Investiturstreits. Der <strong>Hirsau</strong>er <strong>Abt</strong> war <strong>die</strong> <strong>St</strong>ütze der Gregorianer in Deutschland, in Schwaben.<br />

Er stand auf der Seite der Gegenkönige Rudolf <strong>von</strong> Rheinfelden (1077-1080) <strong>und</strong> Hermann<br />

<strong>von</strong> Salm (1081-1088), u.a. ihm war <strong>die</strong> Geschlossenheit der gregorianischen Partei<br />

im deutschen Südwesten zu verdanken, vom Ansehen, das das <strong>Hirsau</strong>er Kloster in den Kreisen<br />

der Kirchenreformer besaß, ganz abgesehen.<br />

Und nicht zuletzt ist es der Nachruf in der Chronik des Historiografen Bernold <strong>von</strong> Konstanz<br />

(†1100), der den Ruhm <strong>Wilhelm</strong>s noch heute verkündet. Der Geschichtsschreiber Bernold,<br />

Priester <strong>und</strong> Mönch, Kanonist <strong>und</strong> Liturgiker, war im Investiturstreit ein entschiedener Anhänger<br />

<strong>von</strong> Kirchenreform <strong>und</strong> Papsttum, was sich auch in seinen Schriften – <strong>St</strong>reitschriften<br />

<strong>und</strong> Geschichtsschreibung – widerspiegelt. In seiner (übrigens als Autograf überlieferten)<br />

Chronik charakterisiert Bernold <strong>Wilhelm</strong> zu dessen Todesjahr 1091 treffend, indem er besonders<br />

auf <strong>die</strong> Leistungen des <strong>Abt</strong>es bei der hochmittelalterlichen Kirchen- <strong>und</strong> Klosterreform<br />

hinweist.<br />

Eine Lebensbeschreibung<br />

Heiligenviten <strong>und</strong> -legenden sind eine besondere Quellengattung innerhalb der mittelalterlichen<br />

Literatur. Entstanden aus der Verehrung <strong>von</strong> Jesus, Maria <strong>und</strong> den Aposteln (Apokryphen),<br />

entstanden auch aus der Achtung vor den wegen ihres Glaubens getöteten Märtyrern<br />

(passiones), entwickelte sich bis zur Spätantike <strong>und</strong> zum Mittelalter <strong>die</strong> hagiografische Litera-<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!