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Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

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tur in großer Vielfalt. Nicht nur das Leben <strong>von</strong> Märtyrern galt als berichtenswert, auch <strong>die</strong><br />

Abgeschiedenheit <strong>und</strong> Askese <strong>von</strong> Mönchen <strong>und</strong> Eremiten oder das Bekennertum <strong>von</strong> Bischöfen<br />

erschien wichtig genug, für <strong>die</strong> Damaligen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nachwelt als Vorbild einer Abkehr<br />

<strong>von</strong> der Welt festgehalten zu werden. Die in der Hagiografie solcherart herausgestellten Heiligen<br />

wurden zudem zu Vermittlern zwischen Mensch <strong>und</strong> Gott. Die Hagiografie unterlag<br />

Moden, <strong>und</strong> so legten kirchliche Schriftsteller im Zeitalter der gregorianischen Kirchenreform<br />

<strong>die</strong> Akzente anders als etwa Sulpicius Severus (*ca.360-†ca.420) in seiner Vita über den<br />

heiligen Bischof Martin <strong>von</strong> Tours (*316/17-†397), <strong>die</strong> übrigens zum Prototyp mittelalterlicher<br />

Hagiografie wurde. Mittelalterliche Viten waren dann nicht zuletzt Teil der religiösen Erinnerung,<br />

der mittelalterlichen christlichen Erinnerungskultur.<br />

Die nachfolgend aufgeführte Lebensbeschreibung des <strong>Abt</strong>es <strong>Wilhelm</strong>, <strong>die</strong> lateinische Vita<br />

Willihelmi, wurde vielleicht <strong>von</strong> dem <strong>Hirsau</strong>er Mönch Haimo niedergeschrieben, der vor 1088<br />

erstmals bezeugt ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vita wohl in der Hauptsache zur Zeit <strong>Abt</strong> Gebhards (1091-<br />

1105), des Nachfolgers <strong>Wilhelm</strong>s, verfasste. Die letzten Kapitel der Lebensbeschreibung<br />

stammen aus der Zeit nach 1106/07. Die Vita enthält neben einem spröden Gerüst aus biografischen<br />

Fakten vielfach christlich-erbauliche Abschnitte sowie an der Bibel sich orientierende<br />

W<strong>und</strong>ererzählungen.<br />

Quelle: Lebensbeschreibung des <strong>Abt</strong>es <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> (*ca.1026/31-†1091)<br />

ES BEGINNT DAS LEBEN DES SELIGEN ABTES WILHELM.<br />

1. Der ehrwürdigste <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> aus bayerischem Geschlecht, geboren <strong>von</strong> frommen Eltern, erfüllt<br />

<strong>von</strong> der Gnade Gottes, wuchs heran in frommer Tüchtigkeit des Geistes, der ihn gegenüber<br />

allen liebenswert macht. Aber im kindlichen Alter wurde er <strong>von</strong> ehrbaren Eltern Gott im Kloster<br />

des heiligen Märtyrers Emmeram übergeben <strong>und</strong> <strong>die</strong> kluge Biene pflückte <strong>die</strong> Blumen der Tugenden<br />

aus den göttlichen Schriften <strong>und</strong> <strong>von</strong> den Beispielen der älteren Geistlichen, <strong>und</strong> er barg<br />

<strong>die</strong>s im Bienenkorb seines Herzens. Und so wenig er <strong>die</strong> Kraft der klösterlichen Religion in <strong>die</strong>sem<br />

Kloster annahm, machte er durch <strong>die</strong> Gnade Gottes immer Fortschritte zum Besseren im<br />

Glauben. Während er auch <strong>von</strong> den Törichten <strong>und</strong> Nachlässigen in der <strong>St</strong>adt gefürchtet wurde,<br />

wurde er <strong>von</strong> den Anständigen <strong>und</strong> Frommen wegen der Aufrichtigkeit <strong>und</strong> der Einfachheit des<br />

Lebens überaus geachtet. Endlich besaß er, während <strong>die</strong> göttliche Gnade ihn begleitete, eine<br />

solche Vorzüglichkeit des Verstandes, dass er sich auszeichnete durch <strong>die</strong> Hoheit der vornehmen<br />

Denkart gleichwie durch <strong>die</strong> Beschäftigung mit verschiedenen Wissenschaften. Da<strong>von</strong> hinterließ<br />

er uns auch viele Denkmäler seiner natürlichen Begabung. Er erdachte nämlich eine Sonnenuhr<br />

als Beispiel für <strong>die</strong> Hemisphäre des Himmels; er zeigte, dass daran <strong>die</strong> natürlichen Solstitien<br />

<strong>und</strong> Äquinoktien <strong>und</strong> der Zustand der Welt durch gewisse Messungen zu finden sind; er sorgte<br />

dafür, auch alles den Buchstaben anzuvertrauen. Viele Fragen zur Zeitrechnung klärte er<br />

durch sehr passende Methoden. Er war in der Musik sehr bewandert, er klärte auch viele, den alten<br />

Lehrern unbekannte Tatbestände <strong>die</strong>ser Kunst auf. Auch viele in den Gesängen erkannte<br />

Fehler berichtigte er vernünftig genug gemäß der [Musik-] Kunst. Im Quadrivium [den vier mathematischen<br />

Disziplinen der sieben freien Künste] überragte er in der Tat fast alle alten [Lehrer].<br />

2. Er begehrte aber, dem alleinigen Gott zu gefallen, <strong>und</strong> ging daran, sein Fleisch mit den Lastern<br />

<strong>und</strong> Begierden zu kreuzigen, <strong>und</strong> er quälte den Körper mit Fasten, Nachtwachen <strong>und</strong> der Härte<br />

des Bußgewandes. So also machte ihn, der durch den Glauben gefestigt, durch <strong>die</strong> Hoffnung bestärkt,<br />

durch <strong>die</strong> Liebe verwurzelt <strong>und</strong> fest begründet, mit der ganzen Redlichkeit der Sitten geschmückt<br />

war, <strong>die</strong> Vorsehung des allmächtigen Gottes zum Trost vieler dem Kloster <strong>Hirsau</strong> zum<br />

Vorsteher. Endlich schickten <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Kloster Gott <strong>die</strong>nenden Brüder, als sie schon eines<br />

Vorstehers entbehrten, betört <strong>von</strong> dessen süßem Ruf, vornehme Gesandte, um ihn herbeizurufen.<br />

Aber jener rühmte sich, nachdem er <strong>die</strong> Ursache [des Kommens] erkannt hatte, nicht im<br />

<strong>St</strong>olz, sondern beschloss, während er <strong>von</strong> Fasten <strong>und</strong> Gebeten frei war <strong>und</strong> nachdem er sich mit<br />

anderen <strong>und</strong> den geistlichen Leuten zusammengesetzt hatte, dass der Wunsch Gottes in <strong>die</strong>ser<br />

Sache ermittelt werden müsse. Zuletzt, nachdem er <strong>die</strong> Erlaubnis [zum Weggang] erhalten hatte,<br />

als auch alle Tüchtigen ihn zum ehrenhaften Amt beglückwünschten, waren sie endlich betrübt,<br />

dass sie des sehr süßen Trostes seiner Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> seines Zuspruchs entbehrten. Jener<br />

aber erforschte nicht, was seine Angelegenheiten waren, sondern was <strong>die</strong> Gottes sind, <strong>und</strong> entschied<br />

sich, dass er der Wahl [der <strong>Hirsau</strong>er Mönche] nicht anders als ganz <strong>und</strong> gar zustimme, so-<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 4

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