27.02.2013 Aufrufe

Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

Abt Wilhelm von Hirsau und die St. Georgener Klostergründung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wenn wir uns nun dem Teil des <strong>Hirsau</strong>er Codex zuwenden, in dem es um Schenkungen <strong>und</strong><br />

Besitzerwerb des Nagoldklosters geht, so stellen wir fest, dass viele der Adligen <strong>und</strong> Freien,<br />

<strong>die</strong> der Mönchsgemeinschaft Gr<strong>und</strong>besitz zukommen ließen, aus dem familiären <strong>und</strong> politischen<br />

Umfeld der Grafen <strong>von</strong> Calw, der kirchlichen Reformpartei im Investiturstreit, kamen;<br />

auch überließen Adlige bei ihrem Klostereintritt in <strong>Hirsau</strong> der Kommunität umfangreichen<br />

Besitz. Die Gr<strong>und</strong>herrschaft des Klosters stellt sich damit zu einem großen Teil als Ergebnis<br />

<strong>die</strong>ser Schenkungspraxis aus der Zeit <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong>s <strong>und</strong> um 1100 dar. Bis gegen Ende des<br />

12. Jahrh<strong>und</strong>erts sind so immerhin 20 Fronhöfe, 1800 Hufen, 37 Mühlen, 14000 Morgen<br />

Wald <strong>und</strong> 31 Ortsherrschaften im nördlichen Schwarzwald, Breisgau, Elsass <strong>und</strong> im Schwäbischen<br />

zusammengekommen. Besitzschwerpunkt war u.a. das Dotationsgut des Klosters<br />

an der mittleren Nagold, hinzu kamen im Gefolge der <strong>Hirsau</strong>er Klosterreform in Klosterbesitz<br />

befindliche Priorate wie (Kloster-) Reichenbach oder zeitweise Weilheim a.d. Teck. Um 1160<br />

besaß <strong>Hirsau</strong> nach den Traditiones <strong>Hirsau</strong>gienses 31 Eigenkirchen zusätzlich zu den im<br />

<strong>Hirsau</strong>er Codex genannten 17 Gotteshäusern. Klostervögte waren <strong>die</strong> Grafen <strong>von</strong> Calw;<br />

<strong>Hirsau</strong>er Güter wurden „vor Ort“ <strong>von</strong> Adelsfamilien bevogtet, <strong>die</strong> vielfach auch als Schenker<br />

eben<strong>die</strong>ser Besitztümer auftraten.<br />

<strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> Williram <strong>von</strong> Ebersberg<br />

Über den heiligen Aurelius, dem armenischen Bischof <strong>und</strong> Bekenner aus dem 4. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

gab es im Umfeld des Klosters <strong>Hirsau</strong> in der Zeit <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong>s zwei Lebensbeschreibungen,<br />

<strong>die</strong> auch <strong>von</strong> der Übertragung der Gebeine des Aurelius in den Nordschwarzwald<br />

erzählen. Die Translationsberichte erwähnen, wie Bischof Noting <strong>von</strong> Vercelli auf seine eindringlichen<br />

Bitten hin <strong>die</strong> Überreste des Heiligen vom Mailänder Erzbischof erlangte <strong>und</strong> in<br />

seine Schwarzwälder Heimat überführte, wo über den Reliquien ein oratorium („Gebetshaus“)<br />

errichtet wurde – der Beginn <strong>Hirsau</strong>er Geschichte. Die jüngere der beiden Aureliusviten<br />

wurde dabei <strong>von</strong> Williram <strong>von</strong> Ebersberg (†1085) verfasst.<br />

Williram war Mönch, Gelehrter <strong>und</strong> <strong>Abt</strong> im bayerischen Benediktinerkloster Ebersberg. Aus<br />

einer mittelrheinischen Adelsfamilie stammend, war er u.a. verwandt mit dem Kölner Erzbischof<br />

Heribert (999-1021), dem Würzburger Bischof Heinrich I. (995-1018) <strong>und</strong> dem Eichstätter<br />

Bischof Heribert (1022-1042). Er erhielt eine geistliche Ausbildung <strong>und</strong> wurde um<br />

1020 Mönch im Kloster Fulda, dann in den 1040er-Jahren Lehrer im Bamberger Kloster Michelsberg,<br />

u.a. unter <strong>Abt</strong> Suidger, dem späteren Papst Clemens II. (1046-1047). Williram<br />

gehörte zum Hofkreis Kaiser Heinrichs III. (1039-1056). Er wurde 1048 <strong>Abt</strong> im unbedeutenden<br />

Benediktinerkloster Ebersberg (1048-1085), doch verhinderte der Tod des Herrschers<br />

eine weitere Karriere im Reichs<strong>die</strong>nst.<br />

Schon seit seiner Bamberger Zeit war Williram wegen seiner literarischen Tätigkeit anerkannt.<br />

Im Kloster Ebersberg, das er – so gut es ging – wirtschaftlich <strong>und</strong> kulturell förderte<br />

(Klosterbesitz, Wirtschaftsbücher, Skriptorium, Klosterbauten), schrieb der Gelehrte 1060/65<br />

sein Hauptwerk, eine Paraphrase (Expositio) des Hohen Liedes König Salomos, <strong>die</strong> er –<br />

vergeblich – König Heinrich IV. widmete. Die Hoheliedparaphrase, <strong>die</strong> inhaltlich auf den Ausführungen<br />

des Haimo <strong>von</strong> Auxerre (9. Jahrh<strong>und</strong>ert, Mitte) fußt, kommentiert den (lateinischen)<br />

Bibeltext auf Latein in leonischen Hexametern <strong>und</strong> bietet zudem eine althochdeutsche<br />

Übersetzung mit einer Auslegung in einer deutsch-lateinischen Mischsprache. Die Paraphrase<br />

Willirams ist in über 42 mittelalterlichen Handschriften vertreten <strong>und</strong> damit das am<br />

Michael Buhlmann, <strong>Abt</strong> <strong>Wilhelm</strong> <strong>von</strong> <strong>Hirsau</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>St</strong>. <strong>Georgener</strong> <strong>Klostergründung</strong> 31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!